Lampertheim. Der 18. Mai ist der „Besuch-deine-Verwandten-Tag“. Das klingt doch netter als der „Sprich-wie-ein-Pirat-Tag“ oder der „Weltfischbrötchen-Tag“. Also schnell die abgelaufene Pralinenpackung geschnappt und an der Tanke noch einen Blumenstrauß besorgt. Und schon kann man liebe Familienmitglieder überraschen, indem man unangekündigt vor der Tür steht.
Mancher Standesbeamte brachte bereits das Hochzeitspaar zum Grübeln, wenn er in den einleitenden Worten vor der Trauung vorsorglich darauf hinwies, dass man nicht nur den geliebten Partner oder die Partnerin ehelichte, sondern gewissermaßen gleich die ganze Sippschaft mit dazu bekam. Und wie hieß es doch in der Operette „Der Vetter aus Dingsda“ in einem Lied? „Onkel und Tanten, ja das sind Verwandten, die man am liebsten nur von hinten sieht!“ Dabei sind manche Familienmitglieder tatsächlich schon auf Nimmerwiedersehen verschwunden, zumindest namentlich. Denn wer kennt noch die Muhme, den Eidam und den Gevatter?
Heute werden die Eltern ganz selbstverständlich von ihrem Nachwuchs, „Mama und Papa“ oder „Mutti und Vati“ genannt. Doch auch in Lampertheim war es noch bis zum Ersten Weltkrieg in vielen Familien üblich, dass die Eltern von den Kindern gesiezt sowie mit „Herr Vater“ und „Frau Mutter“ angesprochen wurden. Eine hierher verheiratete Unner-Schimmeldewoogerin erhielt um 1910 eine Ansichtskarte ihres Sohnes, der weit entfernt eine Lehre machte. Die Karte begann mit „Liebe Mutter, ich sende dir viele Grüße . . .“ Wie es weiterging erfuhr man nicht, weil die Adressatin die Karte sofort zerriss. Sie fand das Schreiben despektierlich.
In anderen Sprachen gibt es für die Großeltern unterschiedliche Bezeichnungen, je nachdem, ob es die Erzeuger des Vaters oder der Mutter sind. Nicht so im Deutschen. Auch in Lampertheim behalf man sich dann mit der Beifügung des Vornamens oder des Wohnortes. So konnte es die „Oma Bawett aus dem Bruch“ geben und die „Oma vunn de Kaiserschdroos.“ Dann kannte man in Deutschland noch Muhme und Oheim oder Ohm.
Diese Bezeichnungen wurden aber, so der Ur-Lampertheimer Friedrich (Fritz) Medert, hier nicht verwendet. Man benutzte nur die Begriffe Onkel und Tante. Entferntere Verwandte nannte man, so Medert, oft Bas und Vetter, eventuell zur besseren Unterscheidung mit dem Nachnamen kombiniert, wie Vetter Strauß. Dann gab es noch die aus dem französischen kommenden Bezeichnungen „Cousin und Cousine“, wie man die Kinder der Elterngeschwister nannte.
Bei den Verwandten, die die Kinder über das Taufbecken hoben, kannte man die Ausdrücke der Gode oder „die Geddsche“. Kam sie von südlich der Holland, also aus Mannheim, dann war es die Geedel. Einfacher war es beim männlichen Paten, das war immer „der Pedder“. Außer er war schon älter und höherstehend. Dann kam ihm, so erinnert sich Medert, die Ehrenbezeichnung „Gevatter“ zu.
Der Ehemann einer Tochter war der Eidam. Die Schwiegertochter bezeichnete man hingegen genau mit diesem Ausdruck. Und die Schwiegermutter? Die wurde schon im Mittelalter „Schwieger“ (althochdeutsch Swigar, mittelhochdeutsch Swiger) genannt, später kam im 16. Jahrhundert als Zusatz „Mutter“ dazu. Ihr Mann wurde lange als Schwager bezeichnet, bis man ihn, analog zur Schwiegermutter, als Schwiegervater zu betiteln begann.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/lampertheim_artikel,-lampertheim-lampertheim-am-18-mai-ist-besuch-deine-verwandten-tag-_arid,2084825.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/lampertheim.html