Lampertheim. Werden im Stadtwald ausreichend Rehe geschossen, um frisch gepflanzte Bäume zu schützen? Aus Sicht der Kommunalverwaltung ist das nicht der Fall. Von der Stadt veranlasste Beobachtungen mit einer Drohne hätten gezeigt, dass auf 100 Hektar schätzungsweise bis zu 45 Rehe leben.
„Das ist deutlich zuviel“, sagt Jana Lichtblau vom städtischen Fachdienst Umwelt. Selbst der Jagdverband gehe davon aus, dass acht bis zehn Tiere auf einer solchen Fläche leben könnten, ohne größere Schäden an Bäumen zu verursachen.
Fast 90 Prozent der Bäume im Stadtwald in Lampertheim beschädigt
Das erschwere die gewünschte Verjüngung des leidenden Stadtwaldes. Erhebungen zufolge zeigten sich Schäden an 87 Prozent der Bäume des 1120 Hektar großen Forsts. Neben unterschiedlichen Einflüssen, etwa Trockenheit während der Sommermonate, sorge das Rehwild für Schäden am pflanzlichen Nachwuchs. Das habe ein Verbissgutachten aus dem Frühjahr eindrücklich gezeigt.
Ein Forst- und Jagdgutachter habe zu Protokoll gegeben, er habe so „einen verbissenen Kommunalwald“ noch nicht gesehen, sagt Jana Lichtblau. „Das Gutachten ist unstrittig und spiegelt unsere Feststellungen sowie bisherige Aufnahmen von Hessen Forst wider“, fügt sie hinzu. Der Landesbetrieb selbst hatte 2013 ein solches Gutachten im Stadtwald angefertigt. Damals habe die Schadensrate bei 24 Prozent gelegen. Die jüngste Erhebung zeige, dass 45 bis 49 Prozent der jungen Bäume angeknabbert und beschädigt sind.
Zäune helfen wenig gegen den Schaden durch Rehe
Zwar könnte deren Schutz durch eine massive Einzäunung verbessert werden. Nach Angaben der Stadt sind aber bereits 120 Hektar Stadtwald eingezäunt; immerhin elf Prozent der Gesamtfläche. Nicht nur werde der Lebensraum der Tiere eingeschränkt, schon heute lägen die Kosten für den Bau der Zäune und deren regelmäßige Reparatur bei 45 000 Euro im Jahr. Zudem stürzten sich Rehe noch stärker auf Bäume, die nicht hinter einem Zaun geschützt sind.
So bleibe am Ende nur, den Bestand durch Jagd deutlich zu reduzieren. Daher plant die Stadtverwaltung, die Bedingungen für die Jagd im kommenden Jahr zu ändern. Statt der bisherigen Jagdpacht soll künftig das Prinzip der sogenannten Regiejagd gelten. Das bedeutet, dass fortan nicht mehr ein Vertrag zwischen Stadt und einem oder mehreren Pächtern geschlossen werden soll.
Bei der Regiejagd würde die Stadtverwaltung befristete „Jagderlaubnisscheine“ - vergleichbar mit Angelscheinen - ausgeben, wie Bürgermeister Gottfried Störmer sagt. Auf diese Weise könne man Jäger beauftragen, eine gewisse Anzahl Wild zu schießen, um „einen Ausgleich von Flora und Fauna zu schaffen“.
Auch Jäger verärgert
Dass die Flächen im Stadtwald „West 1“ und „West 2“ nicht mehr verpachtet werden sollen, sorgt in der Jägerschaft wiederum für Unmut. Sie können die Daten der Stadt nicht nachvollziehen, zudem sehen sie die traditionelle Pacht als Garant für eine Natur, die sich im Gleichgewicht befindet. Zumindest argumentierte der Jäger Dennis Nawar bei einem Lokaltermin mit allen Fraktionen des Stadtparlaments so.
Den betroffen wirkenden Kommunalpolitikern gab er indes mit, dass mit der Pacht auch Erfahrung verloren gehe, und nannte als Beispiel seinen Jägerfreund Günther Preuß, der seit 1969 Jäger im Stadtwald ist und dort auch eine Pacht hält. Aus Sicht der Stadt ist die Erfahrung von Preuß auch künftig gefragt. So spreche nichts dagegen, dass er mit einem Begehungsschein - wie er bei der Regiejagd ausgegeben wird - weiterhin auf die Pirsch geht.
Das sagt die Stadtverwaltung
Der Bürgermeister sieht in der Regiejagd den Vorteil, dass die Stadt als Eigentümer des Forsts Einfluss auf den Jagdbetrieb nehmen kann. „Ich kritisiere nicht die bisherigen Pächter“, betont er. Doch lägen die Abschusszahlen weit unterhalb dessen, was notwendig sei. Im Prinzip, so Störmer, würden im Jahr drei oder vier Rehe pro 100 Hektar geschossen, doch sei ein Vielfaches an getötetem Wild nötig.
Von der Regiejagd erwarte man eine Steigerung. Obwohl eine solche Änderung der Stadtverwaltung beziehungsweise dem Magistrat obliegt, wie Störmer betont, möchten nun auch die Fraktionen stärker in die Entscheidung eingebunden werden. Im Umwelt-, Mobilitäts- und Energieausschuss am 20. September sollen Argumente ausgetauscht werden.
Es gibt zudem Kritik von Stadtverordneten, es mangele an Transparenz. So hatte etwa Björn Hedderich von der CDU bemängelt, dass ein Gutachten nicht öffentlich präsentiert wurde. Dies, so die Stadtverwaltung, sei nicht möglich, da die Offenlegung mit den Urheberrechten der Sachverständigen nicht in Einklang stehe. Eingesehen werden könnten die Arbeiten dennoch.
Grundsätzlich sind sich Stadtverwaltung und Politik darin einig, dass die Pflanzenverjüngung in dem angegriffenen Wald hohe Priorität genießt. Im März wurde der Beschluss der „Forsteinrichtung“, also die Beschreibung des Status Quo im Stadtwald, im Stadtparlament einstimmig verabschiedet. Demnach „sind die Wildbestände so zu regulieren, dass sich die Hauptbaumarten ohne Schutz verjüngen können“.
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