Worms. Nur knapp zwei Stunden brauchte es, bis die 900 Gratis-Tickets zum Tag der offenen Tür der Nibelungenfestspiele ("Jud Süß") weg waren. Entsprechend groß ist der Andrang. Die Container auf dem Festspielgelände öffnen sich den neugierigen Blicken des Publikums. Mitarbeiter von Maske, Kostüm und Requisite geben bereitwillig Auskunft, fahren aber auch mit ihrer zeitlich knapp bemessenen Arbeit fort.
"Seit fünf Wochen arbeiten wir hier", berichtet Kostümhospitantin Alice Walter aus Berlin. Bis zur Premiere kann es jedoch hektisch werden. Im Verlauf dieser Woche folgen Durchlauf-, Haupt- und Generalprobe. Dann muss alles sitzen. Kostümbildnerin Tamara Oswatitsch bespricht mit ihrer Assistentin Sarah Ullrich, wie sie noch rechtzeitig den Stoff für ein grün changierendes Reifrockkostüm beim Lieferanten bekommen. Zwischen all der Betriebsamkeit beugen sich die Besucher interessiert über Arbeitstische, begutachten Schminktöpfe oder unechte Leckerbissen auf Silbertabletts und lassen sich die Arbeit erklären. Auch die in diesem Jahr besonders aufwendige Drehbühne und die Kulissen sind zugänglich.
Großer Andrang in Containern
"Für die Maske haben wir Schminkpläne. Wir beziehen auch Proben von Frisuren ein", erläutert Maskenbildnerin Katharina Börner aus Berlin. "Und oft leisten wir psychologische Unterstützung." Der Andrang in den kleinen Containern ist groß. Waffenmeister Karsten Rischer bereitet Kampfdegen und Jagdgewehr- attrappen auf ihren Bühneneinsatz vor.
Später wird er mit der Jagdbüchse für Bühnendonner sorgen. "Die Waffe ist komplett unschädlich gemacht worden," versichert Rischer. Und wie hat sich Schauspieler Walther Plathe als General Speckenschwardt bei den Proben damit angestellt? "Er hat es sich einmal zeigen lassen und sofort kapiert", sagt der Waffenmeister.
Kaum beginnt der offizielle Teil der Veranstaltung mit der Begrüßung durch Oberbürgermeister Michael Kissel und Intendant Dieter Wedel, setzt Dauerregen ein. Doch weder die beiden Herren noch die moderierende Franziska Reichenbacher, bekannt als TV-Lottofee, lassen sich ihr Improvisationstalent verderben.
In windzerzausten gelben Regencapes, die die Veranstalter in weiser Voraussicht feilboten, trotzen sie aller meteorologischer Unbill. Kissel würdigt das zehnjährige Bestehen der Festspiele in diesem Jahr, mit dem von Worms "der Grauschleier der schlechten Laune" genommen worden sei. Worms spare sich durch die Berichterstattung über die Festspiele in etwa 80 Printmedien - unabhängig von der Qualität der Kritiken - einen PR-Aufwand von schätzungsweise 100 Millionen Euro pro Jahr.
"Akzeptanz gewachsen"
Wedel bemerkt nicht ohne Ironie, nachdem er nun selbst in internationalen Hotels auf Worms und die Festspiele angesprochen worden sei und niemand ihn mehr frage, wo Worms liege, sei die Akzeptanz der Spiele wohl auch in Worms gewachsen. Dafür gibt es vom Publikum, das etwa 80 Prozent der etwa 1200 Plätze füllte, großzügigen Applaus. Mitarbeiter von Requisite, Maske und Kostüm werden auf die Bühne gebeten, ein Tanz und die Szene der ersten Begegnung Joseph Süß Oppenheimers (Rufus Beck wird vertreten von Regieassistent Eike Eberhardt) mit Herzog Karl Alexander (Jürgen Tarrach) gezeigt. Wegen des anhaltenden Regens wird die Retrospektive filmischer Einspielungen aus zehn Jahren Nibelungenfestspielen auf einen Trailer verkürzt.
Wenn Publikum und Aufführende von 25. Juni bis 10. Juli ähnlich gekonnt über den größten Feind jeder Open-Air-Veranstaltung, den Regen, hinwegsehen, wird "Jud Süß" beim Publikum auf jeden Fall ein Erfolg - schon allein wegen des gemeinsamen "Abwetterns".
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/lampertheim_artikel,-lampertheim-jud-suess-steht-im-dauerregen-_arid,135782.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/worms.html