Lampertheim. Es ist noch frisch an diesem letzten Freitagnachmittag im April und die Sonne hat Mühe, durch die graue Wolkendecke zu blinzeln. Nichtsdestotrotz haben sich einige Frauen und Männer auf den Weg zum Waldfriedhof in Neuschloß gemacht. Die meisten, um das Grab eines geliebten Menschen zu besuchen. Einige nutzen aber zusätzlich die Gelegenheit, bei einer Tasse Kaffee oder einem Glas Wasser ein nettes Gespräch zu führen. Dafür stehen an diesem Nachmittag Marion Ebsen und Ute Striebinger vom Lampertheimer Seniorenbeirat mit einigen weiteren Mitstreiterinnen parat. Ab sofort sind sie wieder jeden letzten Freitag im Monat von 14.30 bis 16.30 Uhr mit dem Begegnungsangebot „Belebter Friedhof“ vor Ort.
An Toren und Bäumen befestigte Schilder weisen den Weg, denn der Treffpunkt ist ein bisschen versteckt. Wer den Waldfriedhof durch das Tor rechts von der Trauerhalle betritt, hält sich ein wenig halbrechts und läuft dann geradeaus direkt auf einen kleinen Pavillon zu. Dort baut Ebsen meist mit Ulrike Aberle das Lukasmobil auf. Das ist eine Fahrrad-Kaffeebar, die die evangelische Lukasgemeinde dem Seniorenbeirat für das Angebot zur Verfügung stellt. Aberles Mann Michael fährt das Mobil aus der Kernstadt zum Friedhof. Ulrike Striebinger, Vorsitzende des Lampertheimer Seniorenbeirats, kommt mit der knallorangenen E-Rikscha angeradelt und lädt die Gäste ein, mit dem Gefährt eine Runde über den Friedhof zu drehen.
Gerne hin zu Stellen, wo sie sonst bei ihrem Friedhofsbesuch vielleicht nicht vorbeikommen, denn der Waldfriedhof ist weitläufig und hat mit seinen hohen Bäumen und gepflegten Grabstellen durchaus Parkcharakter. Normalerweise ist das Radfahren natürlich verboten, aber für die Rikscha, die vor allem mobilitätseingeschränkte Personen kutschieren soll, gibt es eine Ausnahmeregelung. Ebenso dafür, bei den Treffen Kaffee und Wasser auszuschenken. Denn der Verzehr von Speisen oder Getränken ist laut Friedhofsordnung ebenfalls nicht erlaubt.
Doch gerade die Frage: „Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten?“ macht den ersten Schritt aufeinander zu leichter, bricht schnell das Eis. So freundlich angesprochen, sagt kaum einer „Nein, danke“. Auch wenn mancher damit fremdelt, mitten auf dem Friedhof zu einem Kaffee eingeladen zu werden. Für viele ist es doch ein Ort der stillen Trauer. Das soll der Waldfriedhof auch bleiben, doch Ebsen und Co. sehen zugleich, dass stille Orte auch einsame Orte sind. Einsamkeit – darüber sind sich alle einig – ist ein großes Thema in unserer Gesellschaft, nicht nur bei älteren Menschen, auch bei jüngeren.
Deswegen sei es wichtig, niederschwellige Gelegenheiten zur Begegnung zu bieten. Orte, an denen Menschen sich treffen, miteinander ins Gespräch kommen können. Und durchaus kann so ein kleiner Plausch auf dem Friedhof ein Anstoß sein, um wieder mehr am öffentlichen Leben teilzunehmen, zu schauen, was der Lampertheimer Seniorenbeirat sonst noch so macht.
Belebter Friedhof
Das Begegnungsangebot ist aus der Winterpause zurück. Bis einschließlich Oktober lädt der Seniorenbeirat an jedem letzten Freitag im Monat von 14.30 bis 16.30 Uhr an den Pavillon auf dem Waldfriedhof ein.
Beim „Belebten Friedhof“ gibt es Kaffee und gute Gespräche , die Raum geben für Erinnerung, Austausch und auch stille Gemeinschaft.
Das Angebot, das in Neuschloß im vergangenen Jahr gestartet wurde, wird in diesem Jahr auf Hofheim ausgeweitet.
Auf dem dortigen Friedhof lädt Christa Hefter mit Mitstreitern an jedem zweiten Freitag eines Monats zur Begegnung ein. Wer Interesse hat, sie zu unterstützen, erreicht Hefter telefonisch unter 06241/8065.
Wenn das Wetter sehr schlecht ist, entfallen die Termine. swa
Eigentlich würde in Lampertheim und den Stadtteilen auch viel für Seniorinnen und Senioren geboten, findet Christa Hefter. Sie ist Hofheimerin und ebenfalls Mitglied im Seniorenbeirat. Ab kommendem Freitag organisiert sie den „Belebten Friedhof“ auch für Besucher des Hofheimer Friedhofs. Sie ist unsicher, ob das Begegnungsangebot in dem Stadtteil, wo es noch weniger anonym zugeht als in der Kernstadt, ebenso gut angenommen wird wie auf dem Waldfriedhof. Aber einen Versuch sei es wert. Und mancher brauche vielleicht auch erst eine persönliche Ansprache oder Einladung, um sich auf den Weg zu machen. Die sprechen die Aktiven gerne aus, helfen mit Rat und Tat oder wissen, wo es Hilfe geben kann.
Ort und Gelegenheit, um Leid und Trauer zu teilen
Marion Ebsen hat Jahrzehnte in der Krankenpflege gearbeitet, zuletzt als Pflegedienstleiterin im Lampertheimer St.-Marienkrankenhaus. Sie hat viel Erfahrung im Umgang mit dem Sterben. Und sie weiß, wie man darüber spricht. Das fällt vielen nicht leicht. Aber hier an diesem auch bei trübem Wetter freundlichen Ort darf jeder seine Trauer teilen. Im Familien- oder Freundeskreis finden manche nach einiger Zeit oft nur noch selten offene Ohren. Doch es ist wichtig, Leid und Trauer zu teilen. Dafür machen sich die Mitstreiter vom „Belebten Friedhof“ jetzt wieder jeden letzten Freitag im Monat auf den Weg und laden alle ein, vorbeizukommen – auf einen Kaffee, ein Lächeln und vor allem ein nettes Wort.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/lampertheim_artikel,-lampertheim-in-lampertheim-ist-der-belebte-friedhof-zurueck-_arid,2302542.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/lampertheim.html