Historisches - Als Lumpensammler und Wäscherinnen zogen Lampertheimer in den 50er Jahren zur Straßenfasnacht

Improvisierte Kostüme und Kissenwalzer

Von 
Bärbel Jakob
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Mit Schwellköpfen unterwegs: eine Gruppe des FC Olympia beim Fasnachtsumzug 1950 oder 1951 in der Bürstädter Straße. © Bärbel Jakob

Lampertheim. Auch wenn nur bei den wenigen Fernsehbesitzern 1955 erstmals „Mainz wie es singt und lacht“ über den heimischen Bildschirm flimmerte, so verstanden es auch alle anderen Lampertheimer, die närrische Jahreszeit zünftig zu feiern. In vielen Vereinen und Gaststätten fanden Bälle und lustige Sitzungen statt, bis dann auch wieder am Aschermittwoch alles vorbei war.

Wer selbst gut nähen konnte oder eine Schneiderin in der Familie hatte, stürzte sich mit einer professionellen Verkleidung ins Getümmel. Aber auch mit einfachen Mitteln konnte man sich ein Kostüm basteln. Es musste gar nichts Aufwendiges sein. Typische Verkleidungen waren etwa die einer Wäscherin, die man mit einer Schürze, einem Tuch um den Kopf und einem Waschbrett darstellen konnte. Die Männer gingen als Lumpensammler oder als Straßenfeger mit einem Besen.

Für die Kinder waren die närrischen Tage natürlich etwas ganz Besonderes. Sie vergnügten sich auf ihren Maskenbällen, die beim Turnverein in der alten Jahnhalle, im Reichsadler und im Schwanen stattfanden. Ein Höhepunkt für die Erwachsenen waren die Sitzungen des bereits 1948 gegründeten CGT, dem Carnevals Gremium im Turnverein, damals noch in festlicher Kleidung. Erst seit den 80er Jahren besuchen die Gäste die Sitzung ebenfalls kostümiert. 1956 gründete sich dann auch aus den Reihen der Feuerwehr, deren Mitglieder schon länger Kappenabende veranstaltet hatten, der 1. Carneval-Club Rot-Weiß. Drei Jahre später wurde die erste Lampertheimer Stadtprinzessin gekrönt: Helga I.

Bekannte Büttenredner aus dieser Zeit, die in Gaststätten und bei Vereinen auftraten, waren Willi Bock, Eugen Leuthner, Heiner Weppelmann und Heini Schmitt (Schmittini). Die Lampertheimer vergnügten sich auch gerne bei Tanz mit Livemusik im Pflug, in der Dorfschänke, im Rheingold, im Darmstädter Hof, beim Wacker und anderen Lokalen. Dabei wurden auch verschiedene Spiele veranstaltet, etwa der Kissenwalzer. Einige Männer hatten Kissen in der Hand, die sie vor die wartenden Damen warfen. Die Frauen, die es schafften, das Kissen zu schnappen oder sich darauf fallen zu lassen, durften dann mit dem Herrn und dem Kissen davontanzen. Natürlich wurde auch der Narrhallamarsch gespielt und gesungen mit dem Refrain: „Ach, was henn die Loambadda Medscha scheene Boah“.

Mit Clownsfarbe zur Beerdigung

Eine junge Lampertheimerin hatte schon lange den Traum, einmal als Clown auf die Fasnacht zu gehen. In den Kriegsjahren und ersten Nachkriegsjahren ging dies nicht. Doch Anfang der 50er Jahre wollte sie endlich entsprechend feiern. Das Kostüm bildeten zusammengestoppelte, halb zerrissene Männerkleider. Bei der Schminke musste sie improvisieren. Denn professionelles Make-up konnte sie sich nicht leisten. So verhalf sie sich mit in Wasser gelösten Buntstiften, Kreide, Tinte und was ihr sonst noch so in die Hände fiel, zu einem lachenden Clownsgesicht.

Das fasnachtliche Treiben beim Rosenmontagsball entsprach ganz ihren Erwartungen, sie hatte viel Spaß, der gut gelaunte Clown wurde immer wieder zum Tanzen aufgefordert. Als sie in den frühen Morgenstunden nach Hause kam, wurde sie schon von ihrer Mutter empfangen. Diese berichtete ihr, dass eine Verwandte verstorben sei, am Aschermittwoch sei die Beerdigung, zu der sie selbstverständlich alle hingehen müssten.

Doch als die junge Frau sich ans Abschminken machen wollte, erlebte sie eine böse Überraschung. Die Farbe wollte einfach nicht aus dem Gesicht verschwinden, egal wie sehr sie mit dem seifigen Lappen rubbelte. In ihrer Not griff sie schließlich sogar zu Ata, einem Scheuerpulver, mit dem Ergebnis, dass die Haut blutete und offen war. Letztendlich musste sie mit diesem malträtierten Gesicht – das noch halb aus Farbe, halb aus wunden Stellen bestand – zur Beerdigung gehen und zog damit die Blicke der Trauergäste noch mehr auf sich als der Pfarrer.

Freie Autorin

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