Südhessen. Mieses Wetter, die Rückkehr zum alten Mehrwertsteuersatz sowie gestiegene Preise für Energie und Waren: Bisher sorgt das laufende Jahr bei vielen Gastronomen für Sorgenfalten. „Im Vergleich zu 2023 können wir in den ersten Monaten auf jeden Fall von Einbußen sprechen“, sagt etwa Arnika Dörr. Die Wirtin betreibt die Gaststätte Bruchweiher in Biblis. Wie sie sagt, waren die Gäste vor allem in den ersten Monaten des Jahres zurückhaltend.
Aus Sicht des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes in Hessen (Dehoga) hatte der seit Jahresanfang wieder geltende Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent in der Gastronomie ebenso dazu beigetragen wie die Inflation, die noch im Januar bei 2,9 Prozent lag und im Laufe der weiteren Monate zunächst wieder gesunken war.
Gestiegene Preise bei Lebensmitteln, Wein und Energieversorgung
„Umgekehrt haben gestiegene Preise, etwa beim Wein oder der Energieversorgung, zur schwierigen Situation beigetragen“, sagt Arnika Dörr. Hinzu komme das oftmals „katastrophale Wetter“ im April und im Mai. Dauerregen habe für leere Tische im Biergarten gesorgt. „Sicher, wenn die Sonne scheint und die Temperaturen klettern, sind die Plätze besetzt.“ Das sei bisher aber zu selten der Fall gewesen.
Womöglich sorgt die Fußball-Europameisterschaft für einen gut besetzten Biergarten? „Das bleibt abzuwarten“, sagt Dörr. Zwar will sie mit einer Leinwand dafür sorgen, dass spannende Spiele und spektakuläre Tore auch für Gäste zu sehen sind. „Wer weiß, vielleicht bleiben einige von ihnen länger sitzen, um die Spiele zu sehen“, hofft die Wirtin.
Im ersten Quartal verzeichneten Betriebe in Hessen insgesamt ein reales Umsatzminus von 12,9 Prozent im Vergleich zu den ersten drei Monaten 2019. „Es wird für Betriebe zunehmend schwerer, wirtschaftlich zu arbeiten“, sagt Dehoga-Geschäftsführer Oliver Kasties.
Er zitiert eine Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung, wonach die Mehrheit der Menschen in Deutschland kaum noch Restaurants besucht. 52 Prozent der befragten Männer und Frauen zwischen 18 und 74 Jahren würden demnach wegen der Teuerung seltener essen gehen. „In Hessen gibt es immer mehr Dörfer ohne Gaststätte, so das Ergebnis einer Berechnung des Statistischen Landesamts.
Wenige Gäste in Restaurants und Gastronomie
Bei Lebensmitteln und Energie liege die Teuerung deutlich über den 7 bis 8 Prozent, die öffentlich mitgeteilt werden. „Damit müssen wir als Unternehmerinnen und Unternehmer lernen, umzugehen, und erneut unsere eigene Betriebskalkulation auf den Prüfstand stellen und anpassen.“
Das versuchen auch Sonia Donnici und ihre Familie. Die Donnicis betreiben in Viernheim das Hotel Central, das Restaurant Galicia und das Gasthaus Schwyzerhüsli. Der Familienbetrieb sieht sich aufgrund hoher Energiekosten, bürokratischer Anforderungen und mit Blick auf sparsame Gäste herausgefordert. „Sicher, die Tische sind bei uns gut besetzt. Aber die Menschen geben nicht mehr so viel Geld aus wie früher“, sagt Sonia Donnici. Sie sparten etwa am Dessert oder an Getränken.
Gäste sparen wegen gestiegener Lebenshaltungskosten
Manche Gerichte, etwa Rinderfilet, habe man schon von der Speisekarte genommen, da der gerechtfertigte Preis für das Menü für viele Kunden voraussichtlich zu teuer sei. Immerhin seien Lebenshaltungskosten insgesamt gestiegen. In der Gastronomie sei das besonders zu spüren. Egal ob es um gestiegene Preise für Kerzen, Servietten oder für frischgewaschene Tischdecken gehe, die Wirte steckten in einem Dilemma, sagt Sonia Donnici: „Wir können die Preise nicht in dem Maße erhöhen, wie die Ausgaben steigen. Sonst kommen keine Leute mehr.“ Mehrkosten könnten gerade im ländlichen Raum nicht einfach an die Gäste weitergereicht werden.
„Da muss der Gastronom kalkulieren, Portionsgrößen anpassen oder ähnliches“, heißt es auch vom Branchenverband Dehoga. Dagegen werde „Essen außer Haus“ vermehrt angenommen.
Ein Grund: nur 7 statt der 19 Prozent Mehrwertsteuer. Neben dem Tagesgeschäft organisieren die Donnicis Caterings, Familienfeste und Firmenfeiern. „Das klappt, aber der Aufwand steigt“, sagt Donnici, die seit 30 Jahren in der Gastronomie tätig ist. Dass sich Wirtsleute zurückziehen, hält sie für plausibel. Zumal auch die Personalplanung schwierig geworden sei. Hier seien die Ansprüche gestiegen. Manche Kräfte wollten etwa sonntags nicht arbeiten. Ein großes Problem.
Die Situation in diesem Bereich ist auch bei Café Schmerker ein Thema. Der alteingesessene Familienbetrieb betreibt sechs Standorte in Lampertheim, Worms, Bürstadt-Bobstadt und in Biblis-Wattenheim. „Seit Jahren wird es immer schwieriger, Mitarbeitende zu finden“, sagt Geschäftsführer Pascal Schmerker.
Personalmangel im Service und Verkauf
Zwar sei die Situation bei den Konditoren zufriedenstellend, aktuell arbeiten acht Frauen und Männer in der Backstube. Doch vor allem im Service-Bereich und an den Verkaufstheken fehlten Leute. „Wir haben engagierte Kolleginnen, doch es müssten mehr sein.“ Doch sei es schwierig, Auszubildende zu finden.
„Und Fachwissen ist wichtig, da Kunden zunehmend Fragen stellen. Etwa zu Inhaltsstoffen der Backwaren“, sagt der studierte Betriebswirt. Gerade Allergiker seien auf das Fachwissen des Personals angewiesen.
Immerhin, die Zahl der Gäste und Kunden sei aktuell zufriedenstellend. Da der Familienbetrieb auch Hochzeitstorten und sonstige Spezialitäten anbietet, ist die Nachfrage auch in schwierigen Zeiten relativ gut. Doch auch bei Schmerker müssen sie kalkulieren und abwägen.
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