Lampertheim. Der politische Streit in der Stadt dürfte bald an Schärfe zunehmen. Das hat vor allem mit dem defizitären Haushalt zu tun, den die Koalitionäre von CDU und Grünen gemeinsam mit der FDP auf Kurs bringen wollen. Um von der Kommunalaufsicht das Okay schon für den aktuellen Etat 2023 zu erhalten, wurde in Lampertheim unter anderem die Grundsteuer B von 460 auf 580 Prozentpunkte erhöht; in verschiedenen Bereichen wurde zudem der Rotstift angesetzt. Auch künftig soll gespart werden, wenn es nach den drei Parteien geht.
So gebe es bisher etwa bei der geforderten „Überarbeitung der Vereinsförderung“ noch keine handfesten Vorschläge der Stadtverwaltung. FDP-Fraktionschef Gernot Diehlmann drängt auf solche Vorschläge, zumal eine „dauerhafte Kosteneinsparung“ vom kommenden Haushaltsjahr an erwünscht ist. Auch Kosten für die Unterbringung Geflüchteter sowie für Energie müssten ausgeglichen werden.
Doch dabei wird es nicht bleiben. „Mit Blick auf die anstehenden Haushaltsberatungen wird eine nochmalige Erhöhung der Grundsteuer ausgeschlossen“, heißt es zwar von Stefan Nickel (Grüne). Aber auch er weiß, die Aufstellung eines genehmigungsfähigen Haushalts 2024 wird „eine große Herausforderung“. Zwar gelte es, dem Personal- und Fachkräftemangel durch verstärkte interkommunale Zusammenarbeit und Digitalisierung zu begegnen. Aber auch eine kritische und ergebnisoffene Überprüfung der Ausgaben sei angebracht. „Allein im Bereich der Personalkosten ist aufgrund der Tarifabschlüsse mit Mehrkosten in Höhe von rund zwei Millionen zu rechnen.“
Sozialer Wohnungsbau gefährdet?
Die Kritik der SPD am Kurs der anderen Parteien war bisher zurückhaltend. Zwar ging Carola Biehal, SPD-Stadtverordnete und Ortsbeiratsvorsitzende von Neuschloß, das Parteientrio aus CDU, Grünen und FDP für die Erhöhung der Kita-Gebühren im Winter an. Deren Argument, der Schritt habe nichts mit dem Haushaltsdefizit zu tun und sei einem Entschluss von 2016 geschuldet, sei rein taktischer Natur, schimpfte sie.
Insgesamt aber wirkte die Fraktion zahm. Doch in diesem Sommer hat sich etwas verändert. Die Genossen fahren die Krallen aus: „Lampertheim wird abgehängt“, warnte SPD-Fraktionschef Jens Klingler jüngst bei einem Pressegespräch. Vor allem zwei Entscheidungen aus den vergangenen Wochen sorgen bei ihm und seinen Mitstreitern für Kopfschütteln. So hatten CDU, Grüne und FDP jüngst im Parlament einer Vorlage der Stadtverwaltung zugestimmt, die aus Sicht der SPD den sozialen Wohnungsbau ausbremst. Bisher zahlte die Stadt für den Bau einer Wohnung – je nach Größe – zwischen 10 000 und 14 000 Euro an Bauherren. Das finanzielle Engagement einer Kommune wiederum war und ist Voraussetzung dafür, dass die Landesbank den Bau einer Sozialwohnung finanziell unterstützt. Nun wurde beschlossen, dass künftig für jede Wohnung nur noch ein Darlehen von maximal 10 000 Euro gewährt wird.
Aus Sicht von Carola Biehal sorgt die Entscheidung dafür, dass Investoren das Interesse am Bau solcher Wohnungen verlieren. Die Baugenossenschaft Lampertheim habe in den vergangenen fünf Jahren 128 Wohnungen für etwa 500 Personen gebaut. Diese Entwicklung sei nun gefährdet. Dabei hätten im Jahreshaushalt für die bisherige Praxis gerade einmal 200 000 Euro bereitgestanden. Leidtragende der Einsparung seien Menschen mit geringem Einkommen. „Laut Mietspiegel liegt der Preis für die Kaltmiete aktuell bei über zehn Euro pro Quadratmeter in Lampertheim. Wer kann sich das noch leisten?“
Bei der SPD-Klausur, die stets vor den Haushaltsberatungen im Spätsommer tagt, wolle man einen Antrag formulieren, der eine Quote für Investoren vorsieht. Sie sollen bei künftigen Projekten, etwa bei der Bebauung des Gleisdreiecks, einen gewissen Anteil Sozialwohnungen bereitstellen. Ähnliche Regelungen gebe es auch in anderen Städten.
Der Rechtsanspruch gilt
Die SPD brandmarkt den Sparkurs der Konkurrenz indes nicht nur als schädlich für den sozialen Zusammenhalt. Auch bei anderen Gelegenheiten geben sich die Genossen in diesen Tagen kämpferisch. So hob Erster Stadtrat und Sozialdezernent Marius Schmidt bei einem Besuch der Kita Saarstraße die Bedeutung der Kinderbetreuung für die Zukunft Stadt hervor. Nun aber drohten Engpässe, etwa, weil der geplante Bau der Kita Oberlache von den anderen Parteien in Frage gestellt wird. Wie berichtet, soll in der Oberlache eine Kindertagesstätte gebaut werden, die Platz für zwei Krippen- und zwei Kita-Gruppen bieten würde.
Allerdings pocht mittlerweile der von CDU, Grünen und FDP dominierte Magistrat auf ein Gesamtkonzept für Kindertagesstätten. Sozialdemokrat Schmidt argumentiert, steigende Geburtsraten, Zuzug, Familiennachzug und neue Baugebiete sorgten dafür, dass weitere Kita-Plätze nötig sind. So steht es auch im entsprechenden Bedarfsplan für 2023/2024. Ähnlich sieht es bei den Plätzen für Mädchen und Jungen aus, die im Alter zwischen einem und drei Jahren betreut werden müssen. Seit 2013 gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder nach dem ersten Geburtstag, für Kinder ab drei Jahren besteht er schon seit 1996. Bis 2026 soll der Rechtsanspruch auf Schülerbetreuung kommen. Zwar will Schmidt das vom Magistrat gewünschte Gesamtkonzept erstellen, aber die Uhr tickt.
Weil die Kita im Bedarfsplan als tragende Säule hervorgehoben wird, droht Lampertheim auch nach Ansicht von Christiane Krotz (SPD), bei der Kinderbetreuung abgehängt zu werden. Zum einen lägen die Zahlen der zu betreuenden Kinder stets über dem Bedarfsplan. Zum anderen habe sich auch die Art und Weise der Kinderbetreuung geändert. Der Umstand, dass Kinder heute nicht mehr ausschließlich in geschlossenen Gruppen untergebracht seien, erhöhe den Platzbedarf.
Scholl: Die Zahlen sinken
CDU-Fraktionschef Alexander Scholl beurteilt den Bedarfsplan anders. Demnach seien die Zahlen für die gesamte Stadt von 2025 an rückläufig. „Lediglich in Hofheim und Rosengarten steigen die Zahlen.“ Aus seiner Sicht löst der Bau einer Kita in der Kernstadt daher längst nicht alle Probleme. Gerade mit Blick auf Betreuungsplätze für Kinder im Alter von unter drei Jahren sei die Stadt ohnehin gut aufgestellt. Mit Blick auf die angespannte Haushaltslage hält er es daher für gerechtfertigt, den Bau der Kita Oberlache aufzuschieben. Immerhin handle es sich um eine Investition in Höhe von ungefähr fünf Millionen Euro. Zumal auch für Anbauten anderer Einrichtungen, etwa für die Kita in der Saarstraße, noch viel Geld ausgegeben werden müsse.
Sozialdezernent Schmidt argumentiert, die Zahlen, die vom Kreis bis 2025 vorliegen, seien mitnichten aussagekräftig. Alleine 2023 würden 90 Kinder mehr als kalkuliert Kitas und Krippen angemeldet.
Dass es um viel Geld geht, sehen auch die Sozialdemokraten. Das ändere aber nichts am Bedarf und an der rechtlichen Situation, wie Jens Klingler betont. Zudem sei es widersprüchlich, einerseits sparen zu wollen, andererseits bisherige Planungskosten ohne greifbares Ergebnis auszugeben. Am Ende müsse die Kita doch gebaut werden. Denn auf diese Weise ließen sich andere Kitas deutlich entlasten, Eltern hätten Wahlfreiheit mit Blick auf den Kita-Platz, und für die begehrten Fachkräfte werde die Stadt attraktiver.
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