Ladenburg. Man will die Bahn eigentlich gut finden. Denn theoretisch sind Zugreisen prima, weil entspannend und umweltfreundlich. Wie oftmals jedoch die Praxis aussieht, hört man im Bekanntenkreis leider allzu oft. Am späten Donnerstagabend ist eine Ladenburgerin mitbetroffen, die ihren Neffen erwartet: Der Student benötigt den Ersatzwohnungsschlüssel aus der Obhut seiner Tante, weil er sich versehentlich ausgeschlossen hatte. Dafür schließt ihn die Bahn kurz darauf vorübergehend ein.
Zug hält erst in Neu-Edingen
„Der normale Bahnsinn: 20 Minuten Verspätung ist ja fast pünktlich“ – ironisch kommentiert die häufig bahnfahrende Leserin, die den Fall schildert, die bereits für 20.28 Uhr in Ladenburg erwartete Ankunft des Regionalexpresszugs (RE) 60 aus Frankfurt um 20.49 Uhr. Fahrgäste sind bereit zum Ein- und Aussteigen. Doch dazu kommt es nicht, denn der Lokführer scheint die Bremse nicht rechtzeitig zu finden. Jedenfalls kommt der hintere Zugteil laut unserer Leserin „hinterm Ende des Bahnsteigs“ zum Stehen – und fährt augenblicklich weiter über die Neckarbrücke. Nächster Halt: Neu-Edingen. „Das sind nur drei Minuten Bahnfahrt, aber 15 Minuten mit dem Auto, um den Neffen einzusammeln“, berichtet die fürsorgliche Tante. Der junge Mann soll nicht der einzige Fahrgast gewesen ein, der sich geärgert hat, zumal der Zug zurück wohl schon weg war.
Auf Anfrage dieser Redaktion teilt die Pressestelle der Bahn mit, dass die Rückantwort des Lokführers über den Fachdienst erst Anfang kommender Woche vorliege. Der Ladenburger Bahnexperte und Geograph Axel Juedtz kennt die großen Probleme der Bahn: „In der Regel fallen auf der Main-Neckar-Bahn pro Tag ein Zug oder sogar mehrere Züge aus; in der Regel sind täglich mehrere Züge stark verspätet und oft fehlt auch ein Zugteil, so dass etwa nur die Fahrt der RB 68 nach Heidelberg stattfindet, aber die Fahrt der RB 67 nach Schwetzingen ausfällt.“ Wegen Bauarbeiten in der Pfalz, häufigen Betriebsstörungen und Personalausfällen sei die S-Bahn-Linie S 6 von Mainz kommend in letzter Zeit „besonders störanfällig“.
Bahnsteig in Ladenburg ist so lang wie Zug
Zum geschilderten Erlebnis mit dem RE 60 sagt Juedtz: Die Züge seien, wenn sie aus zwei Zugteilen bestehen, 211 Meter lang, jedoch messe der Bahnsteig nur 210 Meter. Das bedeute, dass der Zug präzise zum Stehen kommen müsse, damit alle Türen geöffnet werden könnten. „Wenn sich der Lokführer mal verbremst haben sollte, kann er über die selektive Türfreigabe einzelne Türen sperren“, weiß Juedtz. Seinen Beobachtungen nach komme das selten vor: „Die Lokführer haben das mit dem punktgenauen Anhalten eigentlich im Griff.“ Laut der Leserin an diesem Abend jedoch nicht.
Häufiger sind nach Auskunft von Juedtz allerdings einzelne Türen aufgrund technischer Störungen außer Betrieb. Dann klebe ein roter Zettel „Türstörung“ dran, den man leicht übersehe. Da sei es oft zu spät, noch eine andere Tür zu erreichen, bevor der Zug wieder anfahre. Der Tipp des Experten lautet: „Wenn man den Ausstieg in Ladenburg nicht geschafft hat, kommt man von Neu-Edingen schneller mit dem Zug zurück nach Ladenburg als mit dem Auto über Seckenheim.“
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