Kommunalpolitik

Warum die Freien Wähler den Rückzug aus dem Ladenburger Gemeinderat planen

Die Kommunalpolitik in Ladenburg wird sich drastisch verändern: Bei der Gemeinderatswahl 2024 will die komplette Fraktion der Freien Wähler nicht mehr antreten: Sven, Gudrun und Tim Ruster sowie Heiko Freund machen Schluss

Von 
Peter Jaschke
Lesedauer: 
Die komplette Fraktion der Freien Wähler tritt zur Kommunalwahl 2024 nicht mehr an (v.l.): Sven, Gudrun und Tim Ruster sowie Heiko Freund. © Freie Wähler

Lokalpolitischer Paukenschlag in Ladenburg: Ab dem kommenden Jahr werden die Freien Wähler (FW) der Römerstadt nicht mehr am Ratstisch vertreten sein. Bei den landesweiten Kommunalwahlen im Juni 2024 wollen alle vier bisherigen Mitglieder der viertstärksten Fraktion nach CDU, Grünen und SPD nicht erneut kandidieren. Das sind Gudrun Ruster, die seit 1999 amtiert, ihr 2014 erstmals gewählter Sohn Sven Ruster und dessen Filius Tim Ruster sowie Heiko Freund.

„Wir haben einstimmig beschlossen, dass wir keine Kandidatenliste einbringen“, teilt die Vorsitzende Ariane Wolf nach der Hauptversammlung mit neun Mitgliedern auf Anfrage mit. Eine Auflösung des kommunalpolitischen Vereins sei „nicht beabsichtigt“. Die Gründe für den geplanten Rückzug von der Lokalpolitik seien vielfältig. Vor allem habe sich infolge von Corona noch deutlicher als zuvor gezeigt, wie schwierig es sei, neue Mitstreitende zu finden, die sich politisch engagieren wollen. So sei es unmöglich erschienen, die Liste für die Kommunalwahl mit 22 Namen zu füllen. „Wir wollten keine Phantomliste stellen, auf der sich zwei Drittel der Leute als Stimmenfänger hergeben, aber selbst nicht gewählt werden wollen“, so Wolf. Dabei ist die nur noch aus ihr und Schriftführer Tim Ruster bestehende Vorstandschaft überzeugt, „dass kommunalpolitische Entscheidungen einen größeren Einfluss aufs Leben der Bürger haben, als es viele wahrnehmen“.

Mehr zum Thema

Kommentar Rückzug der Freien Wähler ist ein Verlust für Ladenburg

Veröffentlicht
Kommentar von
Hans-Jürgen Emmerich
Mehr erfahren

Zugleich erschwerten gestiegene zeitliche und inhaltliche Anforderungen das politische Ehrenamt zusehends. Drei der vier FW-Räte fehle oft die Muße, Sitzungen ausreichend vorzubereiten. Freund und Sven Ruster seien mit zeitraubenden Berufen selbstständig. Tim Ruster betreibe intensiv ein Aufbaustudium. Als Rentnerin sei Gudrun Ruster zwar ungebundener, doch sehe sie nun die Zeit für Jüngere gekommen.

Vielfältige Gründe

Dazu befragt, sagt die Fraktionsvorsitzende, die 2019 nur hinter „Stimmenkönig“ Günter Bläß (CDU) und Angelika Gelle (SPD) lag: „Ich bin jetzt 70 und finde, 25 Jahre im Rat sind genug.“ Sie sei nicht dafür zu haben, auf eine Liste zu gehen und nach einiger Zeit zu sagen, es sei ihr zu viel.

Die Vorsitzende Wolf will mit Mitte 50 ebenso nicht erneut kandidieren, weil ihr der Aufwand im Ehrenamt als zu groß erscheine, wenn man es „richtig machen“ wolle. Weitere Mitglieder hätten sich um betagte Angehörige zu kümmern.

„Es schwingt neben dem Bedauern für diese Entwicklung aber auch Frust mit“, sagt Wolf. Ratsarbeit bedeute oft, umfassende Vorlagen der Verwaltung „zu lesen, zu verstehen und zu bewerten“, so die Verwaltungsfachfrau. Dafür seien häufig Kenntnisse in rechtlichen oder bautechnischen Fragen erforderlich. Zu den monatlichen Ratssitzungen, der oft noch nicht-öffentliche Teile folgten, kämen Termine der Fachausschüsse. Dem stehe „relativ geringer Gestaltungsspielraum“ gegenüber.

„Als kleine Fraktion haben wir nur begrenzte Möglichkeiten der Einflussnahme auf Entscheidungen“, gibt Wolf den FW-Standpunkt wieder. Seit 1951 sind sie am Ratstisch vertreten. 1975 stellten sie mit Hubald Schmitt, Karl Bommarius und Erhard Samstag erstmals drei Vertreter. Ab 1989 war Stefan Reisenbüchler, später Fritz Lüns, der dritte Mann. 2004 kam durch Peter Hilger der vierte FW-Sitz hinzu.

Freier Autor Peter Jaschke ist freier Mitarbeiter seit 1997 und macht überwiegend regionale Berichterstattung, nimmt aber auch Sport- und Kultur-Termine wahr.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen