Die Römerstadt im Zeichen des Regenbogens: Am Samstagvormittag ist die Dorfpride sogar Thema bei der Entlassfeier im Ladenburger Carl-Benz-Gymnasium (CBG). Dass später am selben Tag jene fröhliche und bunte Demonstration für Vielfalt und Anerkennung durch die Stadt ziehe, „das passt zum Narrativ Ihrer Generation“, sagt Direktorin Hannelore Buchheister. Klar, dass allerspätestens bei der Abschlusskundgebung auf der Festwiese am frühen Abend auch viele der Abiturientinnen und Abiturienten dabei sind.
Beim Umzug mit deutlich mehr als den erwarteten 1000 Teilnehmenden laufen auch Gruppierungen von Grünen und SPD mitsamt ihren Landtagsabgeordneten Fadime Tuncer und Sebastian Cuny mit, um sich solidarisch zu zeigen. Auch die Pfarrer der beiden großen Kirchengemeinden, David Reichert und Matthias Stößer, sprechen. Tenor: „Wir stehen hinter Euch!“ Längst hat sich die Dorfpride als Demonstration für die Sichtbarkeit und Rechte für LSBTTIQ+-Personen etabliert. Das steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, transsexuell, intersexuell oder queer. Die dritte Auflage findet – nach den Vorgängerorten Mühlhausen und Oftersheim – nun in Ladenburg statt.
„Ich mache mit Freude mit“, sagt Sabine Nettelbladt vom mobilen „Café Brunetti“. Die hauptberufliche Lehrerin fügt ihre tiefe Überzeugung hinzu: „Es ist normal, verschieden zu sein.“ Das sei auch der Leitspruch „ihrer“ Astrid-Lindgren-Grundschule. Eine Schülerin habe vier Mütter. „Na und? Das ist überhaupt kein Thema für die anderen Kinder, sondern ganz normal“, sagt Nettelbladt. Sie findet es deshalb „cool, dass sich Bürgermeister Stefan Schmutz offen gezeigt hat für die Veranstaltung“. Dieser wendet sich in seiner Ansprache „gegen jede Diskriminierung“ und sagt unter Applaus: „Angst vor Ausgrenzung darf es nicht länger geben.“ Für ihn seien „Liberalität und Vielfalt eine Bereicherung“.
Auch die „Schülis“ aus der Merian-Realschule Ladenburg zeigen Flagge. „Ich mache mit, weil ich finde, dass jeder das Recht hat, so zu leben wie man will“, sagt Marc (16). Seine Schülergruppe setzt sich für queere Jugendliche und gegen Benachteiligung ein. „Da sind transsexuelle Jugendliche aus Ladenburg dabei“, weiß Parul Schreier, die sich als städtische Integrationsbeauftragte auch um junge Leute kümmert, die sich zur queeren Community zählen und Probleme haben, sich zu outen, also zu ihrer persönlichen geschlechtlichen oder sexuellen Orientierung zu stehen.
„Ich träume davon, irgendwann meinen Enkeln nicht mehr erklären zu müssen, was gottverdammtes Outing war“, heißt es passend dazu auf einem handgeschriebenen Umzugskarton. „Wir sind ganz normale Menschen, aber lieben gleichgeschlechtlich“, sagt Klaus Schirdewahn, der seit mehr als 40 Jahren mit seinem Mann zusammen lebt. „Ich bin hier, weil ich sehe, dass immer noch nicht die Freiheit der LSBT-Gemeinde da ist“, sagt das 75-jährige Vorstandsmitglied der Mannheimer Gruppe „Gay & Grey“. Allein dass man immerzu gefragt werde, warum man bei solchen Demonstrationen auftrete, zeige schon deren Notwendigkeit an. Schirdewahn kennt noch die Zeit, als Homosexualität strafbar war: „Ich bin mit 17 von der Polizei erwischt und verurteilt worden, und das war sehr einschneidend, denn ich habe riesig Angst haben müssen, dass meine Lehre im öffentlichen Dienst flöten geht, und auch in der Familie habe ich Ablehnung erfahren müssen“, berichtet er.
Dass diese bis 1994 andauernde Zeit vorbei sei, bedeute keineswegs, dass nun alles gut sei: „Ich habe schon einiges mitgemacht und denke, man muss heute die Jugend darauf aufmerksam machen, mehr nachzudenken und nicht bloß ’schwule Sau’ zu rufen, denn das ist sehr verletzend und für einen jungen Menschen, der sich sexuell findet, furchtbar“, sagt Schirdewahn.
„Es geht nicht mehr um Toleranz, sondern um Akzeptanz und Respekt, aber wir werden immer noch bedroht und diffamiert“, sagt Patrick Alberti vom Organisationsteam unter Beifall in seiner Ansprache. „Wir verlangen, dass unsere Existenz durch Gesetze geschützt wird“, lautet seine politische Forderung.
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