Ladenburg - Vortrag des Keramik-Experten Uwe Gross

Scherbe entpuppt sich als kleine Sensation

Von 
Klaus Backes
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Unscheinbar: Foto und Zeichnung des römischen Gießkannenfragments. Spektakulär: Teil des in Ladenburg gefundenen Schatzes aus dem 14. Jahrhundert. © Gross

Mit Keramikscherben können Laien herzlich wenig anfangen, Fachleute dagegen rekonstruieren anhand der Fragmente spektakuläre geschichtliche Entwicklungen. Dr. Uwe Gross vom Landesamt für Denkmalpflege ist ein solcher Experte, wird sogar manchmal als „südwestdeutscher Keramikpapst“ bezeichnet. In seinem Vortrag „Altbekannt, neu- und wiederentdeckt: Funde der Spätantike und des Mittelalters aus dem Lobdengau“ im Domhofsaal vor rund 85 Zuhörern ging er auf Altfunde ein, die er während der Vorbereitung für die Ausstellung „Große Welten – Kleine Welten“ untersucht hat.

Ein spektakuläres Ergebnis: Eine Tonscherbe mit etlichen Löchern entpuppte sich als Teil einer römischen Gießkanne. Das Fragment wurde bereits 1987 gefunden, aber seine Bedeutung nicht erkannt. Und es handelt sich um das bisher einzige bekannte Stück dieser Art in ganz Deutschland.

Zufallsfund im Archiv

Ebenfalls in die Kategorie „wiederentdeckt“ reihte Dr. Gross eine spätrömische Mantelschließe der Zeit um 300 nach Christus ein, die Ladenburgs Ehrenbürger Dr. Heukemes in den 1970er Jahren gefunden hatte. Das Stück galt lange als verschollen. Der Referent entdeckte es dann 2016 zufällig im Zentralen Fundarchiv des Archäologischen Landesmuseums in Rastatt.

Vielleicht hatte Dr. Heukemes die Mantelschließe als Leihgabe weggegeben. Kein Happy End ist dagegen bei dem Grabinventar des frühen 4. Jahrhunderts vom Erbsenweg in Sicht. Dr. Heukemes verlieh es in den 1960er Jahren für eine Ausstellung, und nur ein Gefäß kam zurück nach Ladenburg. Glücklicherweise hatte der Archäologe zumindest alles zeichnerisch festgehalten.

Wieder eine unscheinbare Scherbe. Doch sie symbolisiert einen Umbruch von weltgeschichtlichen Dimensionen, den Übergang von der Antike zum frühen Mittelalter. Dr. Gross: „Diese Art von Keramik steht in der Töpfertradition entfernter germanischer Regionen im Norden und Osten. Ihr Auftreten bezeugt die Beteiligung von Sachsen, Thüringern und Langobarden an der Besiedlung Südwestdeutschlands nach seiner Eingliederung ins fränkische Merowingerreich im 6. Jahrhundert.“

Schatz aus dem 14. Jahrhundert

Ein Prunkstück, das bisher unbeachtet blieb: eine karolingische Flügellanze, die Dr. Heukemes 1976 in einer Siedlungsgrube entdeckt hatte. Wesentlich jünger dann der 1987 im Haus Hauptstraße 23 entdeckte Schatz aus dem frühen 14. Jahrhundert. In einem Tonbecher lagen Münzen und Bestandteile von Kleidungszubehör aus Edelmetall. Leider befindet sich der tolle Fund im Zentralen Fundarchiv des Landes, nicht im Ladenburger Lobdengau-Museum.

Bei seiner „Reise“ durch fast zwei Jahrtausende war Uwe Gross mittlerweile im Spätmittelalter angekommen. Er zeigte Fotos von Fragmenten spätgotischer Ofenkacheln, die unter anderem Heilige und ein Christuskind zieren. Dr. Heukemes hatte sie 1973/74 im Graben des Bischofshofs gefunden. Jüngstes Stück, das der Experte erläuterte, war ein unversehrter Leuchter aus dem 16. Jahrhundert aus dem Bischofshof. „Ein spektakuläres Objekt“, kommentierte der Referent.

Sehr bedauerlich findet es Uwe Gross, dass eine Untersuchung von älteren Funden kaum mehr möglich ist: „Ein Großteil der bis 1945 ergrabenen Scherben und Gefäße ist wohl als Kriegsverlust infolge des Brandes im Mannheimer Schlossmuseum 1944 zu betrachten.“

Redaktion

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