Ladenburg - Sängerin und Musicaldarstellerin Jeannette Friedrich sieht nach überstandener Sinnkrise Schatten und Licht

Ladenburger Sängerin Jeanette Friedrich: „Bühnenmenschen brauchen Applaus“

Von 
Peter Jaschke
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Sängerin, Musical-Darstellerin und Gesangslehrerin Jeannette Friedrich vermisst die Bühne. © Jakob Morschewsky

Die erste Reaktion kommt ganz spontan durch den Telefonhörer: „Pff!“ Nur diesen Empfindungslaut stößt Jeannette Friedrich zunächst aus, um ihre momentane Situation als Sängerin und Musicaldarstellerin zu beschreiben. Fast klingt es so, als wolle sie auf die Corona-Krise pfeifen. Doch dann wird die Ladenburgerin konkret: „Man gewöhnt sich an vieles, und sogar daran, nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen zu arbeiten, aber es macht alles kaum Spaß“, erklärt sie, wie sie damit umgeht, dass unter anderem „ihr“ Capitol in Mannheim noch immer geschlossen ist.

Als Beispiel nennt sie Online-Unterricht. Die Möglichkeit, ihre Aufgaben als Gesangslehrerin an der Städtischen Musikschule Ladenburg digital fortzuführen, hält die 44-Jährige zwar finanziell mit über Wasser. „Dafür bin ich dankbar, aber es ist auch schrecklich, weil das Internet nicht stabil und der Klang gewöhnungsbedürftig ist und ich aus der Ferne beispielsweise die Atmung meiner Schüler nicht richtig kontrollieren kann“, erklärt sie. Was ihr jedoch helfe: „Die Schüler sind glücklich über das Angebot, und das motiviert mich.“

Als positiv denkender Mensch, der die an der Stage & Musical School Frankfurt ausgebildete Künstlerin nun einmal ist, macht sie stets das Beste aus jeder Situation. So beantragt sie zum Beispiel erfolgreich Soforthilfe des Landes. „Das ging schnell und unbürokratisch“, lobt sie. Auch über das einmalige Unterstützungsgeld der Stadt Ladenburg für örtliche Künstler freut sie sich. Beim Mut- und Musikmacher-Wettbewerb „Klangspektrum BW“ des Landes erhält die Friedrich im vergangenen Jahr ein Preisgeld, das weiterhilft. „Retter in der Not“ heißt ihre bewegende Liebes- und Hoffnungsballade aus eigener Feder, die sie mit Pianist Daniel Prandl aufgenommen hat.

Verzweifelte Kollegen

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„Das war ja alles super, aber leider konnte ich seitdem keine weiteren Hilfen beanspruchen, weil ich nun mal keine Betriebskosten habe“, bedauert sie Hürden bei der Unterstützung für freie Künstler. Und leider weiß sie von verzweifelten Kollegen, die deshalb von Hartz-IV-Sozialhilfe leben.

„Manche davon gehören zu den besten fünf Musicalkünstlern Deutschlands, und es gibt noch andere Sachen, wo ich echt schlucken muss“, gesteht sie. Wenn sie sich anschaue, wie schlecht es einigen gehe, empfinde sie so etwas wie Demut: „Wir haben keinen Krieg, und ich bin dankbar, dass ich mir was zu essen kaufen kann und ein Dach über dem Kopf habe“, erklärt sie und fährt fort: „Deshalb will ich nicht piensen, weil das wie ein Schlag ins Gesicht derjenigen wäre, die gerade sehr leiden müssen.“

Doch hat Jeannette selbst dunkle Tage hinter sich: „Im ersten Lockdown hatte ich eine Sinnkrise“, sagt sie. Nicht auf der Bühne stehen und sich ausleben zu können: Das fehlt ihr nach wie vor stark. „Das ist für alle Künstler schwierig, weil du als Bühnenmensch Applaus brauchst und die Bestätigung, dass man dich mag.“ Sie habe erst lernen müssen, sich auch ohne Beifall zu akzeptieren. „Das geht vielen so, dass sie sich wieder auf sich selbst beziehen müssen und weniger auf Lichter und Glamour“, weiß sie aus Gesprächen. Für Jeannette Friedrich ist diese Erfahrung „gut für die persönliche Entwicklung“. Überhaupt erkennt sie trotz allem auch positive Seiten: „Das große Plus an Corona ist, dass ich viel mehr Zeit für meine Tochter habe.“

Vor Ausbruch der Pandemie war sie eine viel beschäftigte Künstlerin: „Ich habe sechs Tage die Woche gearbeitet, so gut lief es.“ Darunter habe ihre zehnjährige Tochter jedoch gelitten. „Für sie war Corona wie ein Geschenk, und das kosten wir aus“, sagt Jeannette Friedrich. Auch wenn sie beide oft gestresst vom Heimunterricht gewesen seien, habe sie selbst dabei auch Gutes erlebt: „Man erfährt, was Kinder in der Schule so alles leisten, und die Kinder lernen, selbst mehr Eigenverantwortung zu übernehmen“, findet Jeannette Friedrich und stellt fest: „Es gab auch Tränen und Streit, aber so ist das halt manchmal im Leben.“

Freier Autor Peter Jaschke ist freier Mitarbeiter seit 1997 und macht überwiegend regionale Berichterstattung, nimmt aber auch Sport- und Kultur-Termine wahr.

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