Sommer-Interview

„Ladenburg erlebt Dynamik wie seit 30 Jahren nicht“

Von 
Konstantin Groß
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„In Ladenburg gibt es nur schöne Orte“: Bürgermeister Stefan Schmutz (r.) im Gespräch mit „MM“-Redakteur Konstantin Groß auf der Festwiese am Neckar in der Nähe des Landungsstegs. © Marcus Schwetasch

Sommer-Interview mit Ladenburgs Bürgermeister Stefan Schmutz (42): Die Römerstadt am Neckar ist durch die Corona-Krise ebenfalls hart getroffen, doch der Rathaus-Chef sieht ihre grundsätzlich positive Entwicklung nicht gefährdet. Neubaugebiete, Sporthalle, Wasserturm – in vielen Bereichen sei man weit vorangekommen.

Die Stelle, an der das Interview geführt wird, darf Stefan Schmutz selbst auswählen – nur schön soll sie sein. „In Ladenburg gibt es nur schöne Stellen“, pariert der Bürgermeister der Römerstadt schlagfertig. Eine der schönsten wird ausgewählt: die Festwiese am Neckar. Das Thema des Interviews ist dann naturgemäß weniger schön: die Folgen von Corona für die Stadt.

Herr Bürgermeister, wie haben Sie die Corona-Zeit bisher erlebt?

Stefan Schmutz: Also, ich habe sie sehr hautnah erlebt. Immerhin war ich gleich zu Beginn, im März, in Quarantäne. Zwei Wochen zu Hause. Das war keine einfache Zeit.

Inwiefern war dies schwierig?

Schmutz: Die Amtsgeschäfte mussten ja weitergehen, nur eben von zu Hause aus. Etwa die Organisation der Kindernotbetreuung oder die regelmäßige Abstimmung mit Gemeinderat und Verwaltung.

Ist ein Bürger der Stadt Ladenburg an Corona verstorben?

Schmutz: Wir hatten mehrere Infektionen in einer Senioreneinrichtung. Einer der Erkrankten ist im Zusammenhang mit Corona verstorben.

Hat eine Stadt von der Größe Ladenburgs in einer solchen Krise einen Handlungsspielraum?

Schmutz: Die Vorgaben kommen natürlich vom Land, aber auch wir als Stadt haben Einwirkungsmöglichkeiten. Als Bürgermeister bin ich ja Ortspolizeibehörde und kann entsprechend handeln.

Inwieweit haben Sie diesen Spielraum genutzt?

Schmutz: Unsere Stadtgesellschaft umfasst überdurchschnittlich viele ältere Bürger. Insofern habe ich den Spielraum an der einen oder anderen Stelle genutzt, um gewisse Vorgaben schärfer zu fassen. So haben wir in der Hochphase die Neckarwiesen und den Grillplatz gesperrt.

Haben sich die Betriebe, vor allem die Gaststätten, an die Vorgaben zum Corona-Schutz gehalten?

Schmutz: Wir haben zunächst einmal aufgeklärt. Denn nur wer weiß, was nicht gestattet ist, kann sich auch daran halten. Wir haben aber auch stichprobenweise kontrolliert.

Mit welchem Ergebnis?

Schmutz: 90 Prozent waren in Ordnung, zehn Prozent nicht. Also im Grunde wie sonst auch im Leben.

Haben Sie den Spielraum auch genutzt, um über Bundes- und Landesprogramme hinaus zu helfen?

Schmutz: Ja sicher. Es gab ein ganzes Paket von Maßnahmen. Ich nenne das, was mit der Notbetreuung von Kindern zusammenhängt, die Solidaritätsgutscheine für Einzelhändler, die Möglichkeit für die Gastronomie zu mehr Außenbewirtschaftung, die Rettungsbox für Vereine, die unter der Absage des Altstadtfestes leiden, sowie die Unterstützung für Kunst- und Kulturschaffende.

Welche Erfahrungen gab es in der Verwaltung mit Homeoffice?

Schmutz: Zunächst: Es gibt Bereiche, für die Homeoffice nicht sinnvoll, weil nicht möglich war und ist. Ich nenne das Bürgerbüro, den Bauhof und die Kinderbetreuung. In anderen Bereichen haben wir als eine der Möglichkeiten – etwa neben dem Schichtbetrieb – auch Homeoffice umgesetzt. Auch Videokonferenzen kamen vermehrt zum Einsatz. Diese Möglichkeiten sowie weitere Chancen der Digitalisierung wie die Bürger-App wollen wir weiter ausbauen.

Welche finanziellen Folgen hat Corona für die Stadt?

Schmutz: Alleine bei der Gewerbesteuer rechnen wir mit Mindereinnahmen von mehr als einer Million Euro, die wir durch den gemeinsamen Rettungsschirm von Bund und Land zu kompensieren hoffen. Wie sich das Einnahmeniveau, speziell bei Zuweisungen des Landes, in den kommenden Jahren entwickelt, das ist allerdings noch völlig offen.

Gibt es Vorhaben in diesem oder im nächsten Jahr, die wegen Corona aufgeschoben werden müssen?

Schmutz: Nein, das gilt vor allem für die Fertigstellung der Neubaugebiete. Die Baubranche ist einer der Bereiche, die unter Corona nicht leiden. Wegen der Krise von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, haben wir im April die Erschließung der Nordstadt für 1500 Neubürger und im Mai die der Martinshöfe für 350 Neubürger abgeschlossen. Insgesamt wird die Bevölkerung unserer Stadt durch die Neubauquartiere in den kommenden fünf Jahren um 20 Prozent auf etwa 14 000 Einwohner ansteigen.

Wie ist der Sachstand in puncto Bau einer neuen Sporthalle?

Schmutz: Bei diesem Thema sind wir inzwischen so weit wie noch nie zuvor. Wir haben den Grundsatzbeschluss dafür und den Standort. Noch in diesem Jahr werden wir die europaweite Ausschreibung auf den Weg bringen. Wenn alles nach Plan geht, wird die Halle 2023 stehen.

Der Wasserturm hinter uns ist eingerüstet. Wie geht es damit weiter?

Schmutz: Auch hier laufen die Arbeiten planmäßig. Die Spitze des Turms ist, wie jedermann sehen kann, zwar weg, aber keine Sorge: Die kommt nach der Restaurierung natürlich wieder hin. Die Arbeiten werden nächstes Jahr beendet. Und angesichts der Bedeutung des Bauwerks hoffen wir, es dann auch mit einem großen Fest einweihen zu können. Denn es soll ja laut Aussage des Mäzens auch öffentlich zugänglich sein.

Es hat keinen Sinn, Sie nach dem Namen des Mäzens zu fragen?

Schmutz: (lacht) Nein, das hat es nicht. Denn wir haben mit dem Mäzen vereinbart, dass Form und Zeitpunkt der Bekanntgabe seines Namens von ihm gewählt werden.

Was ist aus der Online-Petition für den Bau einer Mensa geworden?

Schmutz: Ich wiederhole, was ich schon damals gesagt habe: Ich bin in dieser Frage völlig offen. Allerdings macht eine Mensa für eine einzige Einrichtung keinen Sinn. Es bedarf daher einer darüber hinausgehenden Konzeption. Diese zu erarbeiten, hat derzeit jedoch angesichts der Rahmenbedingungen, Stichwort: Corona, weder bei den Schulen noch bei der Stadt oberste Priorität.

Keine schöne Überraschung war ja der Beschluss von ABB, 2022 den Standort Ladenburg aufzugeben. Was wird nun aus dem Gelände?

Schmutz: Für uns ist wichtig, frühzeitig eingebunden zu werden. Besonders gilt es, den Konflikt zwischen Gewerbe und Wohnen in den Blick zu nehmen.

Was heißt das konkret: Gewerbeflächen oder Neubaugebiet?

Schmutz: Baugebiete haben wir derzeit genug. Aber sicher bietet die Fläche mittelfristig große Chancen für die weitere Stadtentwicklung.

Auf dem Corona-Höhepunkt gab es eine Auseinandersetzung um Xavier Naidoo. Sind Sie froh, dass wegen Corona sein Auftritt auf der Neckarwiese nicht stattfindet?

Schmutz: Ehrlich gesagt: Ich habe und hatte Wichtigeres zu tun, als mich um einen Künstler zu kümmern, der sich um sich selbst dreht.

Wird es 2021 wieder ein Musikfestival auf der Neckarwiese geben?

Schmutz: Ich habe gesagt: Wir halten diese Möglichkeit für den Veranstalter offen. Allerdings kam aus der Mitte des Gemeinderates der Wunsch, bei der Auswahl der Künstler mit einbezogen zu werden. Und diesem Wunsch fühlen wir uns als Verwaltung verpflichtet.

Xavier Naidoo ist dabei wohl nicht Ihr Wunschkandidat?

Schmutz: Ich kann es mir nicht vorstellen.

Was steht in der zweiten Jahreshälfte an?

Schmutz: Wie bereits gesagt: das Thema Turnhalle, dazu der Bebauungsplan für den Kindergarten Weststadt sowie die Diskussion um die Zukunft des ABB-Geländes.

Sie sind also guter Dinge?

Schmutz: Ja, auf jeden Fall. In Ladenburg wird kräftig investiert. Die Stadt erlebt eine dynamische Entwicklung wie seit 30 Jahren nicht mehr.

Zur Person

  • Geboren: 13. Januar 1978 in Mannheim. Großvater: Stadtrat Paul Schmutz (SPD).
  • Ausbildung: Studium der Politik- und Erziehungswissenschaften, Uni Mannheim. Für ein Projekt 2007 Ehrung durch Ex-US-Präsident Jimmy Carter.
  • Berufliche Laufbahn: 2010 Leiter der Abteilung Bildungsplanung und Schulentwicklung, Stadt Mannheim. 2013 parlamentarischer Berater der SPD-Fraktion im Stuttgarter Landtag. 2016 Abteilungsleiter Qualitätsentwicklung Tageseinrichtungen für Kinder, Stadt Mannheim. Seit 3. April 2017 Bürgermeister von Ladenburg.
  • Familienstand: Verheiratet, zwei Kinder.
  • Wohnort: der Mannheimer Stadtteil Käfertal

Autor

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