Ladenburg. Ein seltenes Geschäftsjubiläum feiert Uschi Thomé: An diesem Mittwoch, 28. August, vor genau 100 Jahren hatte ihr Großvater Goswin Thomé sein „Photographiergewerbe“ in Ladenburg angemeldet. Bis heute befindet sich das Geschäft „in derselben Stadt, an derselben Stelle und in dritter Generation bei derselben Familie“. So blickt die Fotografenmeisterin zu Recht nicht ohne Stolz auf diese lange Tradition. Nimmt der Firmengründer, der damals nur 15 Jahre später allzu früh stirbt, noch Bilder auf Glasplatten auf, verwendet Sohn Walter bereits Zelluloidfilme, während dessen Tochter Uschi heute längst digital arbeitet.
Schaufenster schon seit 1988 ein Hingucker
„Das 100-Jährige ist für mich bewegend: Mir könnten die Tränen kommen“, sagt Uschi Thomé im Gespräch mit dieser Redaktion. So vieles verdanke sie ihren Eltern - und dem Großvater, den sie zwar nie persönlich kennengelernt habe, mit dem sie sich aber „liebend gerne einmal unterhalten hätte“. Seit 1988 sind ihre eigenen Schaufenster im Fachwerkeckhaus am Marktplatz ein Hingucker - für Einheimische wie Touristen gleichermaßen. Sind doch die ausgestellten Stadtansichten, die - festgehalten von ihren Altvorderen - Ladenburg und Umgebung im Wandel der Zeit zeigen, ebenso spannend wie „Aktlandschaften“. So nennt Thomé ihre ästhetischen Schwarzweiß-Fotos nackter Körper, die zu ihrem eigenen Markenzeichen geworden sind.
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Dass ihre Schaugalerie während der Sommerhitze oft weitgehend leer bleibt, erklärt sich fast von selbst: „Das erreicht bis zu 60 Grad Temperatur, wenn die Sonne drauf scheint, und da würden die Bilder kaputt gehen.“ Jedoch hätten viele schon gedacht, dass sie schließe, erzählt sie amüsiert. Damit will sich die 76-Jährige, die in diesem Haus mit der Liebe zur Kunst des Ablichtens aufgewachsen ist und wohnt, jedoch noch Zeit lassen. Aber nur ein bisschen, denn sie „würde sofort aufhören, wenn sich ein gescheiter Mieter fände“.
An ihren Großvater hat Uschi Thomé keinerlei persönliche Erinnerungen. Die 1910er und 20er Jahre waren schlechte Zeiten. „Dementsprechend ärmlich sahen die Häuser damals aus“, sagt sie. Goswin Thomé habe auch infolge von Mangelernährung oft an Tuberkulose gelitten, dennoch zusätzlich Jobs annehmen müssen und frühmorgens etwa im örtlichen Bahnhof geschuftet, um die Familie über Wasser zu halten.
Begnadeter Tüftler mit vielen Patenten
So sei der begnadete Tüftler, der viele Patente angemeldet habe, bereits mit 39 Jahren gestorben. „Das war 1940 und da ging mein Vater Walter noch in die Lehre beim damaligen Fotostudio Julius van Bosch in Heidelberg“, berichtet Uschi Thomé. Fasziniert von der Fotografie wie sein Vater, hatte Walter schon als Schuljunge täglich nach dem Unterricht Bilder gemacht. Weil er noch zu jung war, bekam stellvertretend seine Mutter Anna die Ausnahmebewilligung der Handwerkskammer.
Als Walter Thomé das Geschäft endlich hätte übernehmen dürfen, wird er zur Wehrmacht eingezogen. Doch kehrt er zurück, und das Schicksal meint es fortan besser mit der Familie hugenottischen Namens: In mehr als 40 Jahren erwirbt sich Thomé einen exzellenten Ruf als selbstständiger Handwerksmeister und Zeitzeuge, dessen Fotos die Stadtentwicklung illustrieren. Es sind völlig andere Zeiten: „Sein Fotolabor war die reinste Giftküche“, erinnert sich Uschi Thomé an die verschiedenen Mixturen für damals gebräuchliche Arbeitslösungen wie Entwickler, Fixier- und Stopp-Bad.
„Da gab es keine Gummihandschuhe oder Atemschutz“, sagt sie lachend und fügt nahtlos hinzu: „Aber es waren schöne Zeiten und damals bin ich ebenso angesteckt worden wie einst mein Vater.“ Ihr Faible für die Fotografie lässt auch sie nicht mehr los: „Wenn man so begeistert ist und zum Beruf noch Berufung und Talent hinzukommen, potenziert sich das“, sagt die Frau, die beinah so früh wie ihr Vater im Geschäft mitarbeitet: Kaum aus der Schule zurück, steht sie im Labor. Von klein auf erlernt sie Vaters Handwerk, wird Fotolaborantin, Fotografin und Meisterin.
In vielen Funktionen die ganze Welt bereist
„Es war immer klar, dass ich das Geschäft übernehme, weil mein Bruder Dieter studieren wollte“, sagt sie. Ihre Eltern stehen stets hinter der später bald alleinerziehenden Mutter einer heute 55-jährigen Tochter, die inzwischen als angestellte Fotografin bei Stuttgart lebt. Mit ihr hält sie Jahre lang die Collie-Hunde Tim und Tom, an die sich viele Kunden sicher erinnern. Ab den 90er-Jahren macht sich Uschi Thomé einen Namen, bereist als Fotokünstlerin, Ausstellungsmacherin sowie Materialtesterin für den Ausrüster Kodak und später auch als Tauchsportlerin die ganze Welt. Engagiert renoviert und modernisiert die Inhaberin eines Motorrad- und eines Bootsführerscheins bis 2014 ihr mehr als 400 Jahre altes Elternhaus so gründlich wie behutsam. Zufrieden schmunzelnd sagt sie: „Ich habe alles gemacht, was ich wollte.“
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