Anwohner der Ladenburger Kirchenstraße leben auf geschichtsträchtigem Grund. Das bestätigt sich dieser Tage im Umfeld der frühmittelalterlichen Keimzelle der Stadt wieder: Archäologen legen derzeit menschliche Knochen und Skelette frei. Das ist jedoch keine große Überraschung, denn schon im Winter 1993/94 stießen Archäologen in einer Privatbaugrube an der Mauer zum Bischofshof auf eine Befunddichte, die selbst in der alten Römerstadt „fast ohne Vergleich“ sei, wie es damals hieß.
Mauerreste aus der Römerkastellzeit und ein römischer Backofen kamen vor 28 Jahren ebenso zum Vorschein wie Teile eines Grubenhauses und eines spätmittelalterlichen Gebäudes. Ein bisschen gruselig zwar, aber so ist Stadtgeschichte bisweilen eben, schnitten die älteren Gebäudefundamente eine Vielzahl mittelalterlicher Gräber auch in der Kirchenstraße.
Friedhof an der Mauer
Jetzt könnte es erneut manchen Nachbarn schauern lassen, wenn er an die Toten im Untergrund denkt, deren Überreste bei den Arbeiten zur Belags- und Kanalsanierung an der Ummauerung östlich des Bischofshofs zutage treten. Erstaunlich, dass die Gräber von links und rechts vorbeilaufenden Gas- und Wasserleitungen nicht gestört worden sind. Fachleute der Firma Südwest-Archäologie, die die Bauarbeiten im Auftrag des Landesamts für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart begleiten, legen die nicht allzu tief liegenden menschlichen Gebeine frei.
„Ja, das ist ein Friedhof, der im Zusammenhang mit früheren Funden in diesem Bereich gesehen werden muss“, bestätigt auf Anfrage dieser Redaktion Britta Rabold, die Leiterin der archäologischen Ausgrabungen in Ladenburg.
Historische Friedhöfe
- Ein Hauptfriedhof im Süden der antiken Stadt wird an der Alten Römerstraße nach Heidelberg vermutet.
- Ein weiterer wurde wohl zusammen mit der einst nach Nordwesten führenden Fernstraße vom Neckar abgeschwemmt.
- Ein römisches Gräberfeld kam beim Bau der Landwirtschaftsschule in der Trajanstraße zum Vorschein.
- Christliche Friedhöfe des Mittelalters lagen um die Pfarrkirchen wie u. a. St. Sebastian.
- Da zur Merowingerzeit auch eine St. Martinskirche existierte, hat der heutige Friedhof eine mehr als 1500-jährige Belegungstradition.
Aber auch weitere Funde römischer Gebäudeteile dokumentiere man für nachfolgende Generationen. Seit 1994 sei in diesem Bereich in Sachen Ausgrabungen nichts mehr passiert. Mehr lasse sich derzeit noch nicht sagen, so Rabold. Bereits 1972 hatte der legendäre Ladenburger Archäologe, Gründer des Lobdengau-Museums und spätere Stadtbildpfleger, Berndmark Heukemes, nördlich des Turms der ehemaligen bischöflichen Hofkapelle St. Sebastian, also nahe der jüngeren Fundstellen, eine gemauerte Grabkammer des achten Jahrhunderts mit Deckplatte freigelegt.
Dieser Tage staunen die jungen Ausgräber nicht schlecht bislang über rund 20 Verstorbene verschiedenen Alters, die außerhalb der Kirchhofmauer begraben liegen. Erste Hinweise geben Anwohner, bei denen sich der damalige Chefarchäologe C. Sebastian Sommer schon 1994 für ihre Geduld als Bauherren bedankt hatte: Er vermutet in seinem damaligen Beitrag für das Jahrbuch „Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg“, dass es sich um „Teile des anscheinend ursprünglich nicht gegen die eigentliche Stadt abgegrenzten Friedhofs um St. Sebastian handelt“.
Unklar sei, wann die heute noch bestehende Mauer um den Bischofshof errichtet und damit der östliche Teil des Friedhofs aufgegeben worden sei.
Was kommt noch alles?
Ebenso erhellend wirkt ein Aquarell von Jean-Louis Petit mit Ansicht der heutigen Kirchenstraße und der Sebastianskapelle von 1856. Dessen heutiger Besitzer, der Ladenburger Sammler und Stadtforscher Hermann Dunda, beschreibt es im Heimatbund-Jahrbuch von 2019. Sind doch alte Grabsteine abgebildet, die wohl aus dem Friedhof entnommen und „für heutige Augen etwas gewöhnungsbedürftig“ straßenseitig an die Mauer gelehnt wurden.
Stadtrat Uwe Wagenfeld weist die Ausgräber am Freitag darauf hin, dass man beim Bau der nahegelegenen Apotheke auf mittelalterliche Fluchtgänge gestoßen sei, die die gesamt Altstadt durchziehen sollen.
Man darf gespannt sein, was noch alles kommt. Bereits zu Beginn der Tiefbauarbeiten im Herbst 2020 war ein größeres Stück römischen Wandputzes zutage getreten. Kurz darauf fanden die Archäologen Monumentales aus antiker Zeit wie Türschwelle, Türgewände und Sturz eines repräsentativen Römerbaus.
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