Nachhaltigkeit

Ehepaar aus Ilvesheim will nach Urlaub in Kolumbien die Welt verbessern

Erst war es nur ein Sabbatjahr, nun ist es der Lebensinhalt. Marion und Klaus Lohnert haben ein nachhaltiges Projekt in Kolumbien angestoßen - und suchen nun Mitstreiter

Von 
Stephan Alfter
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Körperlich wieder in Ilvesheim, mit dem Kopf aber noch sehr in Kolumbien: Klaus und Marion Lohnert sprechen Menschen und Firmen in der ganzen Metropolregion an – in der Hoffnung auf Unterstützung. © privat

Ilvesheim. Wenn alle Menschen so positiv engagiert wären wie Marion und Klaus Lohnert aus Ilvesheim, dann wäre der Planet vermutlich ein besserer Ort. „Wir sollten Dinge loslassen, die keine Zukunft haben“, ist so ein Satz, der zunächst nach dem großen Mahatma Gandi klingt, den sich aber der 53-jährige Energiewirtschaftler in Diensten der SAP zur Maxime gemacht hat. Der Mann, der von seinen Freunden nur „L“ genannt wird, hat zuletzt zumindest mal seine eigene Komfortzone „losgelassen“ - und dabei viel gelernt.

Als Freidenker-Zeit bezeichnet er diese Monate im Rückblick, die seine Frau und ihn für einige Zeit in ärmere und weniger urbane Regionen dieser Welt geführt haben. Zum Beispiel nach Mittel- und Südamerika. Dafür hat er sich bei seinem Arbeitgeber ein Sabbatjahr genehmigen lassen. Wer es gerne pathetisch mag: Für eine Reise zurück zur Frage, wie wir eigentlich auf dieser Welt zusammenleben wollen.

Herausgekommen ist zum Start eine Art Leuchtturmprojekt, das mit jungen Bäumen und jungen Menschen in Kolumbien zu tun hat. „Zusammenarbeit ohne Grenzen“ nennen die Lohnerts das Vorhaben, das im Kleinen zeigen soll, was im Großen möglich wäre. Eigentlich ist es angesichts der globalen Folgen von Klimakatastrophen und Armut sogar konkrete Friedenspolitik, von der man in Kolumbien und in Deutschland gleichermaßen profitieren könnte.

Unterschiede zwischen Kolumbien und Deutschland

Es geht in letzter Instanz um nichts geringeres als die wichtigsten Themen dieser Zeit - nämlich um Energiewende, Fachkräftemangel und Klimaschutz. In politischen Zielformulierungen klingt das so: Dekarbonisierung, Digitalisierung und Demografie. Die Ausgangssituationen auf der Erde seien verschieden, hat das Ilvesheimer Ehepaar mit eigenen Augen festgestellt. Auf der einen Seite gebe es Länder (etwa Deutschland), die gerade ganz konkret eine Energiewende vollziehen wollten und müssten. In diesen Ländern klage man über einen massiven Fachkräftemangel.

Andererseits gebe es Länder wie Kolumbien, die noch ganz am Anfang einer Energiewende stünden, in absehbarer Zeit Fachkräfte benötigten, aber heute kaum Ausbildungsplätze hätten. Diese unterschiedlichen Bedarfe müsse man sich zunutze machen, ist Klaus Lohnert überzeugt. Allein bis 2026 fehlen 240.000 Fachkräfte in Deutschland, berichteten Medien jüngst. Zum Vergleich: In Kolumbien stieg die Jugendarbeitslosigkeit nach Angaben von Statista zwischen 2015 und 2021 von 16,7 auf 25,9 Prozent.

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Von
Valerie Gerards
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Chancen für Jugendliche ermöglichen

Zu diesen Zahlen passt ein Erlebnis der Lohnerts vor Ort. „Kannst Du mich hier rausholen?“, habe ihn ein Schüler des Colegio Fervan per Google-Übersetzer gefragt. So empathisch wie Lohnert das erzählt, so sehr ahnt man, dass dieses Ereignis ein entscheidender Faktor für sein jetziges Engagement ist. „Wer dort die Schule verlässt, landet entweder bei den Drogen oder irgendwo in Bogota“, weiß Klaus Lohnert von Monica. Er nennt nur den Vornamen der Lehrerin, die am Colegio Fervan der Brückenkopf nach Deutschland ist. Ihr Ziel: „Ich möchte den Kindern und Jugendlichen in meiner Heimat Chancen ermöglichen.“ Sie habe während ihrer Studien- und Arbeitszeit in Deutschland erlebt, dass Nachhaltigkeit möglich sei.

Nicht nur sie ist mit im Boot, sondern die beiden Ilvesheimer haben auch den Mannheimer Verein Starkmacher e.V. an Bord. Nicolas Bosch ist dort Stellvertretender Vorsitzender, Netzwerker und Impulsgeber. Er sagt: „Gerade in der globalen Zusammenarbeit gibt es noch viele ungenutzte Potenziale.“

Klaus Lohnert auf dem Schulhof in Kolumbien. © privat

Auftaktprojekt soll für mehr Bäume sorgen

Ganz konkret geht es Lohnert um die Frage, ob ein gemeinsames Projekt etwa dazu führen könnte, dass die kolumbianische Schule - das Colegio Fervan - mit einem Unternehmen aus der Metropolregion vernetzt wird. Schüler von dort könnten Praktika und Ausbildungen hier absolvieren und als ausgebildete Kräfte in ihr Land zurückkehren. Und dort weitergeben, was Nachhaltigkeit bedeutet. Die Lohnerts haben vor Ort beobachten können, dass es mit dem Umweltschutzgedanken in Kolumbien mancherorts nicht sehr weit her ist.

Unter dem Stichwort Sustainable Development Goals („Nachhaltige Entwicklungsziele“) sollen sich mehrere Vorhaben entwickeln, die diesen Zustand ändern - und die dann möglichst oft multipliziert werden. Eine Wunschliste ist schon formuliert und reicht vom Aufbau und Betrieb einer Biogasanlage bis zur Entwicklung einer App zur Steigerung effizienter Nutzung von Wasser, Strom und Wärme. Diese Dinge sollen mit Hilfe finanzieller Unterstützung aus Deutschland in den Lehrplan der Schulen übergehen. Praxis und Theorie sollen besser miteinander verbunden werden.

Marion und Klaus Lohnert wollen mit ihrem Gang an die Öffentlichkeit Firmen zum Mitmachen bewegen. Um die Ernsthaftigkeit und die Professionalität ihres Tuns zu betonen und sichtbar zu machen, ist eine eigene Website unter fre.energy entstanden. Dort ist auch das Auftaktprojekt beschrieben, das sich mit der Pflanzung von 1000 Bäumen beschäftigt. 400 Schulkinder übernehmen Patenschaften für einen Baum. „Sie lernen Aufzucht, Hege und Bedeutung der Wälder für uns und unser Klima“, sagen die Lohnerts, die ihr Sabbatjahr beendet haben, aber deren Engagement gerade erst begonnen hat.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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