Fußball

Dieser junge Mann steckt hinter dem "Ilvesheim"-Plakat beim EM-Spiel Portugal-Slowenien

Wer beim Achtelfinale der Europameisterschaft zwischen Portugal und Slowenien genau hinschaute, staunte nicht schlecht. "Ilvesheim" war da auf der Tribüne zu lesen. Der "MM" hat herausgefunden, wer dahintersteckt

Von 
Torsten Gertkemper-Besse
Lesedauer: 
Daniel und Julia Vetter mit dem Plakat, das sie im Stadion aufgehängt hatten. Es besteht aus drei einzelnen Teilen. © Marcus Schwetasch/Familie Vetter

Ilvesheim. Es ist der 1. Juli, abends gegen 23 Uhr: Im Fernsehen läuft das EM-Achtelfinale Portugal gegen Slowenien. Bisher ist noch kein Tor gefallen. Und wer es nicht gerade mit einem der beiden beteiligten Teams hält, ist geneigt, vor dem Fernseher einzuschlafen. Da vibriert das Handy, es ist die Nachricht eines Kollegen. Das Bild, das er geschickt hat, lässt sämtliche Müdigkeit vergessen. Es zeigt einen Post des Ilvesheimer Bürgermeisters Thorsten Walther, der den TV-Bildschirm abfotografiert hat. Darauf ist der portugiesische Superstar Cristiano Ronaldo beim Freistoß zu sehen, doch das Interessante befindet sich im Hintergrund. Auf der Zuschauertribüne, zwischen Unter- und Oberrang, hängt ein Plakat mit der Aufschrift „Ilvesheim“.

Die Inselgemeinde hat es also ganz offiziell ins europaweite, wenn nicht sogar ins weltweit übertragene Fernsehen geschafft. Doch wer steckt hinter dieser originellen Aktion, die innerhalb kurzer Zeit einige freudige Reaktionen in den sozialen Netzwerken hervorruft? Bei der Recherche helfen zwei vermeintlich „altmodische“ Kommunikationsmittel: das Telefon und das direkte Gespräch. Ehemalige Kollegen, örtliche Würdenträger, gut vernetzte Kommunalpolitiker - zuweilen macht es den Eindruck, als helfe ein ganzer Ort bei der Suche mit. Der entscheidende Hinweis kommt am Ende vom Ilvesheimer Gemeinderat Christian Kliebisch. Er führt den „MM“ auf die Spur der Familie Vetter, die im Norden der Gemeinde lebt. Dort könne das Geheimnis des Plakats gelüftet werden.

Cristiano Ronaldo beim Interview, links oben ist das Plakat zu sehen. © Familie Vetter

Für den „Ilvesheim“-Schriftzug war akribische Vorbereitung nötig

Und in der Tat findet der neugierige „MM“-Redakteur dort die Antwort auf all seine Fragen. Julia Vetter und ihr Sohn Daniel haben sich die Aktion ausgedacht. „Wenn man etwas Verrücktes machen will, muss man Mama fragen“, sagt der 19-Jährige zu Beginn und schmunzelt. Die Idee, das Plakat zu machen, kam ihm im Urlaub auf Mallorca. Das war nur wenige Tage vor dem Spiel, die Europameisterschaft lief bereits. „Am Ende haben wir es auf den letzten Drücker gemacht“, sagt Mutter Julia und berichtet von einem Sonntag, an dem sie mit nichts anderem als dem Plakat beschäftigt gewesen seien. Doch trotz aller Kurzfristigkeit haben die beiden nicht einfach drauflos gemalt.

Mehr zum Thema

Fußball-EM

Tränen und ein Happy End: Frankfurt erlebt die große Ronaldo-Show

Veröffentlicht
Von
Alexander Müller
Mehr erfahren

„Als erstes habe ich mich natürlich gefragt, wie groß so ein Plakat am besten ist, damit man es sieht“, sagt Daniel. Er machte Fotos des Fernsehers bei anderen Spielen, legte das Lineal an, verglich die Größe der Menschen am Spielfeldrand mit jener der Werbebande, um herauszufinden, welche Maße optimal sind. Am Ende kam er auf sechs Meter mal 1,50. Die Höhe und Breite der Buchstaben plante er am Computer. „Das half mir sehr. Denn erst da ist mir so richtig bewusst geworden, welche Dimensionen das Ganze hat“, sagt Daniel.

Erst wollte der BWL-Student das Plakat drucken lassen, entschied sich dann aber doch dafür, selbst mit weißer Acryl-Farbe zu malen: „Das war deutlich günstiger.“ Das Endprodukt besteht aus drei Teilen, die jeweils zwei Meter lang sind, verbunden mit einem Klettverschluss. Dabei profitierte Daniel ganz erheblich von den Näh-Fähigkeiten seiner Mutter, die so die Aktion überhaupt erst möglich machte. „Wir haben das Plakat deshalb aufgeteilt, weil es so leichter war, es ins Frankfurter Stadion zu bekommen“, erklärt Julia Vetter. Bei den Einlasskontrollen habe aber alles reibungslos funktioniert. „Wir waren wirklich sehr früh da, mit die ersten, die überhaupt ins Stadion hinein gegangen sind“, sagt Daniel. „Wir“ - das waren Daniel, sein Kindergartenfreund Leon, seine Mutter und eine Freundin von ihr. Daniels Vater Steffen war nicht beim Spiel dabei, obwohl die Familie die Karten über ihn bekommen hatte. Sie alle hatten sich bei der Uefa registriert, bei Daniels Vater hat es tatsächlich geklappt. „Wenn es ein Deutschland-Spiel gewesen wäre, wäre ich vielleicht dabei gewesen“, sagt Steffen. Aber so überließ er gerne den anderen das Feld.

Die Familie ging frühzeitig ins Stadion, um das Plakat rechtzeitig aufzuhängen. © Familie Vetter

Und für Daniel ging ohnehin ein Traum in Erfüllung, Cristiano Ronaldo ist sein Kindheitsidol. „Ich bin mit ihm aufgewachsen und ihn live zu sehen, war großartig.“ Im Gegensatz zu manchem TV-Zuschauer sei ihm beim Spiel auch nicht langweilig geworden. „Obwohl in der regulären Spielzeit keine Tore fielen, war die Stimmung toll. Und wir hatten Glück, dass das Elfmeterschießen auf unserer Hälfte des Spielfelds stattfand“, erzählt der 19-Jährige.

Daniel Vetter ist tief im Ort verwurzelt

Er hat selbst in seiner Kindheit und Jugend lange Fußball gespielt, als er vier Jahre alt war, zog seine Familie nach Ilvesheim. „Ich bin hier in den Kindergarten und in die Grundschule gegangen“, sagt er. Deshalb stand es für ihn auch außer Frage, „Ilvesheim“ auf das Plakat zu schreiben und nicht irgendetwas anderes. „Mir ging es darum zu zeigen, dass die Begeisterung für diese Heim-EM auch in den kleinen Gemeinden unseres Landes ankommt - und nicht nur in den Städten“, erklärt er. Außerdem sei der Schriftzug individuell, zugleich aber auch für eine größere Gruppe von Menschen verständlich. „Hätte ich Familie Vetter geschrieben, wäre das außer meinem engesten Umfeld niemandem aufgefallen.“

Er und seine Mutter behalten das EM-Spiel in bester Erinnerung. „Diese ganze Vorbereitung, das Bemalen des Plakats und die Vorfreude - all das macht den Stadionbesuch zu dem wunderbaren Erlebnis, an das ich immer gerne zurückdenken werde“, sagt Julia Vetter. Das Plakat wird die Familie übrigens behalten. Und vielleicht kommt es bald wieder einmal zum Einsatz. In wenigen Tagen findet im Ilvesheimer Neckarstadion der Insel-Cup statt. „Wer weiß?“, sagt Julia Vetter: „Man könnte es da ja aufhängen. Es würde auf jeden Fall gut passen.“

Redaktion Redaktion Neckar-Bergstraße, zuständig für Ilvesheim und Friedrichsfeld

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke