Ilvesheim. Ilvesheim. Die Überraschung im Ort war groß: Der Online-Supermarkt Picnic will in Ilvesheim doch keine Lagerhalle bauen (wir berichteten). Dabei war ursprünglich geplant, dass das Zwischenlager einen großen Teil des neuen Gewerbegebiets im Westen ausmacht. Darüber hinaus soll auf dem Areal ein „Handwerkerhof“ für lokale Betriebe entstehen. Der „MM“ hat bei den Gemeinderatsfraktionen und beim Bürgermeister nachgefragt, wie sie die Entwicklung bewerten. Dabei kam auch vereinzelt Kritik auf - allerdings nicht an Picnic, sondern am Investor (Grundstückseigentümer), der das Gelände entwickelt.
Freie Wähler Ilvesheim mit deutlicher Kritik
„Wir sind sehr enttäuscht über das Vorgehen des Grundstückseigentümers, weil er Verwaltung und Gemeinderat über die wahre Situation im Unklaren gelassen hat“, sagt Günter Tschitschke (Freie Wähler), der den Rückzug von Picnic bedauert. Das Unternehmen hatte auf Anfrage angegeben, sich bereits vor gut einem Jahr gegen den Standort in Ilvesheim entschieden zu haben. Bis zur Recherche des „Mannheimer Morgen“ vor wenigen Wochen war dies aber nicht bekannt.
Der Gemeinderat und auch der Bürgermeister wurden von der Rückzugsnachricht überrascht. Der Investor, die Götz Ingenieur GmbH aus Mannheim, wollte sich im November auf Anfrage nicht konkreter äußern, erklärte aber: „Wegen des ins Auge gefassten Standorts in Ilvesheim befinden wir uns derzeit mit Picnic in Abstimmung.“
Der Online-Supermarkt machte aber gegenteilige Angaben. Ein Sprecher von Picnic schrieb: „Wir hatten den Entwickler darüber informiert, dass wir das Bauvorhaben nicht weiter verfolgen werden.“ Der Entwickler habe Picnic aber nicht mitgeteilt, dass das Projekt „weiterhin in unserem Namen vorangetrieben“ worden sei, so der Sprecher weiter.
Der „MM“ bot der Götz Ingenieur GmbH in einer zweiten Anfrage Mitte Dezember an, sich zu dieser Darstellung von Picnic zu äußern - wissend, dass Götz keine genaueren Angaben zum aktuellen Stand machen möchte. Die zweite Anfrage blieb bislang unbeantwortet.
CDU Ilvesheim sieht Rückzug als "herben Rückschlag"
Die CDU bewertet den Rückzug von Picnic als „herben Rückschlag“, zumal dies bekannt geworden sei, kurz nachdem der Gemeinderat den Bebauungsplan beschlossen hatte. „Die Verwaltung und speziell das Bauamt hatte mit hohem Tempo und Ressourcenaufwand an diesem Thema gearbeitet und die Fertigstellung des Bebauungsplanes vorangetrieben“, sagt Georg Sommer.
Sarah Nick-Toma (Grüne) erklärte, ihre Fraktion habe das Projekt aus vielerlei Gründen nicht unterstützt. Allerdings sei „es keine faire Art, so spät im Verfahren zurückzuziehen“. Wer seit wann davon wusste, sei „leider nicht klar ersichtlich“. Auch sie sprach davon, getäuscht worden zu sein: „Wo die Unwahrheit Ihren Anfang nahm, wird sich hoffentlich noch herausstellen.“
Was passiert nun im Ilvesheimer Westen?
Wie geht es nun weiter? Klar ist, dass sich der Gemeinderat erneut mit dem Areal beschäftigen muss, sofern sich die künftige Nutzung ändert. Und das ist höchstwahrscheinlich der Fall. „Mögliche Abweichungen vom beschlossenen Durchführungsvertrag erfordern zwingend die Zustimmung des Gemeinderates. Es ist davon auszugehen, dass sich der Gemeinderat im Jahr 2025 erneut mit der Entwicklung des Gewerbegebietes befasst“, sagt Bürgermeister Thorsten Walther (SPD). Auch er nennt den Rückzug von Picnic „bedauernswert“.
Die Freien Wähler wünschen sich, dass kein Logistik-Betrieb mehr an die Stelle kommt. Tschitschke bekräftigt aber den Wunsch nach einem Gewerbegebiet, besonders mit Blick auf lokale und regionale Betriebe, die dringend Flächen bräuchten. Auch die CDU betont die Notwendigkeit des Gewerbegebiets.
Neben dem Bedarf der lokalen Betriebe weist Georg Sommer auch auf finanzielle Aspekte hin: „In jeder Haushaltssitzung sprechen wir von der Notwendigkeit, unsere Erträge steigern zu wollen. Mit diesem zwar kleinen Gewerbegebiet hätten wir nun die Chance, zusätzliche Gewerbesteuereinnahmen zu generieren und auch Arbeitsplätze zu schaffen.“
Ilvesheimer Gemeinderäte sehen den Investor in der Pflicht
Bei der Frage, was statt Picnic auf das Areal im Ilvesheimer Westen kommt, sieht Sommer den Investor in der Pflicht. Rolf Sauer (SPD) teilt diese Einschätzung: „Sollten die Vorgaben des Bebauungsplanes nicht umgesetzt werden können, hat der Investor das Risiko und muss erneut in die Planungs- und Vermarktungsphase gehen.“
Bis dahin müsse der Gemeinderat die neuen Vorschläge abwarten. Laut Sauer wird die SPD auch dann genau prüfen, welche Auswirkungen die neue Lösung für Ilvesheim hat - zum Beispiel hinsichtlich der Nahversorgung, der Verträglichkeit zur nahen Wohnbebauung und der Verkehrssituation.
Die Grünen hoffen auf weniger Flächenversiegelung in Ilvesheim
Die Grünen-Fraktion (die das Vorhaben grundsätzlich ablehnt) hofft darauf, dass es jetzt keine Flächenversiegelung geben wird. „Hier bietet sich Raum für Ausgleichsmaßnahmen - ortsnah für andere Entwicklungsflächen“, erklärt Sarah Nick-Toma. Die Flächenversiegelung, die gemessen an der kleinen Gemarkungsgröße sehr hoch sei, „könnte fürs Erste abgewendet sein“.
Mit der Position, dass kein Gewerbegebiet kommen soll, ist die Fraktion weitgehend allein. Alle anderen Fraktionen und auch der Bürgermeister hoffen weiter auf das Gewerbegebiet. Die Verwaltung hoffe, dass „ein für die Gemeinde akzeptabler Gewerbebetrieb als Ersatz für die nun freigewordene Gewerbefläche gefunden werden“ könne, sagt Bürgermeister Walther.
Die Gemeinde Ilvesheim lässt sich juristisch beraten
Die Gemeinde befindet sich aktuell in Gesprächen mit dem Entwickler des Areals, man warte auf konkrete Vorschläge des Investors, so Walther. Nach seinen Angaben sei der Investor weiterhin „gewillt, den beschlossenen Bebauungsplan und Durchführungsvertrag trotz Rückzugs des Ankermieters (Picnic, Anm. d. Red.) in Kraft treten zu lassen“. Die Gemeinde lässt sich in dieser Sache auch juristisch beraten.
Das Areal im Ilvesheimer Westen sowie der Bebauungsplan „Ober dem Engelwasser“ sind bereits seit längerer Zeit ein Thema. Obwohl die Gemeinde selbst nicht direkt für die Entwicklung der Fläche verantwortlich ist, hat sie bisher viel Arbeit damit gehabt. Es gab zum Beispiel mehrere Beteiligungen der Öffentlichkeit.
Investor hat in Ilvesheim bereits viel Aufwand betrieben
Darüber hinaus holte der Vorhabenträger zahlreiche Gutachten von Fachbüros ein. Diese betrafen unter anderem die Bereiche Schallschutz, Artenschutz, Verkehrsbelastung, Auswirkung auf andere Lebensmittelhändler in der Umgebung sowie Ausgleichsmaßnahmen für die später durch das Gewerbegebiet versiegelten Flächen.
Ein Grund für diesen Aufwand liegt in der Vorgeschichte. In den vergangenen zehn Jahren gab es verschiedene Bebauungspläne - aus unterschiedlichen Gründen kam es immer wieder zu Verzögerungen. Mit dem neuen Bebauungsplan sollte (erstens) Rechtssicherheit geschaffen und (zweitens) die Entwicklung neu angetrieben und forciert werden. Der Rückzug von Picnic hat dem zweiten Ansinnen einen Strich durch die Rechnung gemacht - zumindest vorläufig.
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