Wohnungsbau

Saarländischer Ex-Bürgermeister König: Hirschberg soll innen statt außen wachsen

Neubau oder Innenentwicklung? Der frühere Bürgermeister aus dem saarländischen Illingen reist durch die Republik - und fordert auch in Hirschberg einen Wandel in der Flächenpolitik.

Von 
Hans-Jürgen Emmerich
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Im Bereich „Rennäcker“ im Hirschberger Ortsteil Leutershausen könnte ein Neubaugebiet entstehen. © Thomas Rittelmann

Hirschberg. Seit 15 Jahren reist Armin König durch die Republik und wirbt angesichts des demografischen Wandels für einen Paradigmenwechsel bei der Flächenpolitik: Innenentwicklung vor Neubaugebieten im Außenbereich lautet das Credo des heute 68-Jährigen, der von 1996 bis 2023 Bürgermeister der saarländischen Gemeinde Illingen war.

König befasst sich schon seit Jahren mit dem Thema nachhaltige Siedlungsentwicklung. Die Ausgangssituation in den Kommunen ähnelt sich, sagt er. Kaum gingen die Einwohnerzahlen zurück, setzten die Kommunen auf Neubaugebiete, vor allem im Außenbereich. Sie seien oftmals einfacher zu entwickeln, als innerörtlich etwas auszuweisen. Zudem gelten sie laut König als sehr lukrativ.

Illingen setzt auf „mehr Dorf für weniger Menschen“

Illingen, die Illtalmetropole, liegt im Landkreis Neunkirchen, hat sechs Ortsteile und zählt heute knapp 16.000 Einwohner, 2006 waren es noch rund 18.000. Genauere Zahlen nennt die Bertelsmann-Stiftung im Wegweiser Kommune. Während die Bevölkerung in Hirschberg seit 2011 um 7,3 Prozent gestiegen ist, ist sie in Illingen im gleichen Zeitraum um 5,6 Prozent gesunken. Auch finanziell haben sich beide Kommunen ganz unterschiedlich entwickelt. Die Pro-Kopf-Verschuldung aus dem Kernhaushalt stieg in Illingen 2019 auf einen Höchststand von 3.700 Euro und lag noch 2023 bei fast 2.200 Euro. Hirschberg kann hier hingegen durchweg auf eine Verschuldung von unter 500 Euro verweisen.

Zu seiner Bürgermeisterzeit in Illingen wurde König konkret mit dem Thema Einwohnerentwicklung befasst. 2005 machten Studenten den damaligen Bürgermeister von Illingen im Rahmen einer Diplomarbeit auf das Thema Leerstände im Ort aufmerksam: „Wir hatten etwa 80 bis 100 Leerstände. Und jetzt lautete die große Frage, was wir machen.“ Die Gemeinde entwickelte 2006 ein eigenes Konzept. Sie nahm an einem bundesweiten Modellprojekt teil und erarbeitete Ideen und Leitlinien der Illinger Gemeindeentwicklung unter der Überschrift „Illingen 2030“. Ein zentrales Ziel darin lautet: „Mehr Dorf für weniger Menschen.“ Ein zweites: „Keine Neubaugebiete mehr im Außenbereich, sondern die Mitte stärken.“ König verfasste hierzu auch eine Doktorarbeit an der Uni in Speyer mit dem Titel „Bürger und Demografie“.

König hält Neubaugebiete für zweischneidiges Schwert

Für König sind Neubaugebiete im Außenbereich ein zweischneidiges Schwert, denn der Ortskern werde dadurch noch mehr geschwächt, der Wert der Häuser verringert. Wie andere Kommunen, so unterliege auch Hirschberg dem Irrtum, dass sich junge Familien im Außenbereich in den Neubaugebieten ansiedeln würden: „Die Häuser sind so teuer, das kann sich doch kaum jemand leisten. Hinzu kommt die teure Infrastruktur, die am Ende alle Einwohner zahlen müssen.“

So könnte das umstrittene Neubaugebiet „Rennäcker“ in Hirschberg aussehen. © MESS Stadtplaner

Was unternahm Illingen nun in Sachen Leerstand? Zum einen suchte die Kommune den Kontakt zu den Erben beziehungsweise Eigentümern. „Wir haben einen Leerstandsmanager eingestellt und die Leute quasi genervt“, erinnert sich König. Mit der Wirtschaft und mit den Eigentümern und durch die vielen Ideen der Bürger sei es gelungen, für 40 Häuser eine Lösung zu finden. Die Gemeinde erwarb in diesem Zusammenhang auch Grundstücke. Ein Leerstandskataster, das in Hirschberg erstellt wurde, sei zwar okay, man dürfe es aber nicht dabei bewenden lassen, sondern müsse permanent am Ball bleiben, betont König.

„Wer soll sich diese Häuser leisten können“

Hirschbergs Argument mit dem Wohnungsbedarf zweifelt der Kommunalpolitiker an. Laut dem MORO-Projekt (Modellvorhaben der Raumordnung) sollen in Ilvesheim, Ladenburg und Hirschberg 900 bis 1.000 Wohnungen entstehen: „Wer soll denn die Häuser bezahlen?“, fragt König. Auch ökologisch sei dieses Vorhaben „höchst bedenklich“, weil das Ziel des Projekts das flächensparende Bauen sei. Der Nachbarschaftsverband befürwortet das Neubaugebiet in Leutershausen. Sein Geschäftsführer Martin Müller begründet das mit einer starken Nachfrage an der Ausweisung neuer Wohngebiete sowie dem langfristigen Bevölkerungswachstum. Einzig und allein auf die Innenentwicklung zu setzen, reiche nicht aus.

Das Hilfeleistungszentrum der Gemeinde Hirschberg am Ortsrand von Leutershausen. Im Umfeld ist das Baugebiet „Rennäcker“ geplant. © Hans-Jürgen Emmerich

König widerspricht diesen Aussagen und fordert einen Paradigmenwechsel bei der Flächenpolitik. „Aber da ist eben permanente Überzeugungsarbeit gefragt.“ Zweifelhaft ist für den saarländischen Kommunalpolitiker auch die Zahl, wonach es in Hirschberg einen Bedarf von 412 Wohnungen gibt. Dies war das Ergebnis einer Strukturanalyse: „Ich weiß nicht, wie die zu den Zahlen gekommen sind“, sagt er, will sie aber nicht weiter kommentieren. Andere Gemeinderatsfraktionen wie die Grüne Liste Hirschberg teilen diese Ansicht und sehen Klärungsbedarf.

Im Vorfeld des Bürgerentscheids hat die BI gegen Flächenverbrauch den früheren Bürgermeister zu einem Vortrag eingeladen. Er spricht am Donnerstag, 30. Oktober, um 18.30 Uhr im Hilfeleistungszentrum Hirschberg-Leutershausen, Galgenstraße 1. In dessen Nachbarschaft soll nach dem Willen der Ratsmehrheit das Neubaugebiet „Rennäcker“ entstehen.

Redaktion Aus Leidenschaft Lokalredakteur seit 1990, beim Mannheimer Morgen seit 2000.

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