Warntag

Bundesweiter Warntag: Sirenen heulen, Handys piepsen - aber alle bleiben gelassen

Ist es Gelassenheit oder Gleichgültigkeit? Beobachtungen am Warntag in der Mannheimer Innenstadt - und warum es in Heidelberg ruhiger blieb

Von 
Peter W. Ragge
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Ob an Stadtbahnhaltestellen, hier auf den Mannheimer Planken, oder per Handy – überall kamen die Informationen zum Warntag an. © Christoph Blüthner

Metropolregion. Wenn dieser laute Ton nicht wäre – ja, dann wäre alles wie immer an diesem Vormittag. Aber so vibriert plötzlich das eigene Handy, es gibt ein lautes, durchdringendes Signal von sich und dann gleich noch eines, während ringsum auch andere Geräte zu hören sind und zudem ein laut an- und abschwellender Heulton. Es ist Warntag, aber für großes Aufsehen sorgt dieser Tag nicht.

"Dieser Screen warnt und informiert"

Die digitalen Werbetafeln an den Stadtbahnhaltestellen auf den Mannheimer Planken stimmen schon mal darauf ein. „Dieser Screen warnt und informiert“ steht da, versehen mit den Logos der Werbefirma Wall und des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Das hat den Warntag angesetzt, um die Technik einer Belastungsprobe zu unterziehen und die Bevölkerung mit vielen verschiedenen Möglichkeiten vertraut zu machen, wie vor Unglücksfällen und Naturkatastrophen gewarnt wird. Dazu zählen eben nicht nur Sirenen, Nachrichten aufs Handy sowie per Hörfunk und Fernsehen, sondern auch Anzeigen an ausgewählten, stark frequentierten Haltestellen – denn nur die können elektronisch angesteuert und so die Werbung durch Warnung ersetzt werden.

Online-Umfrage

  • Über eine Online-Umfrage vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe können Bürger ihre Erfahrungen zu den verschiedenen Warnkanälen teilen, um die Abläufe zu verbessern. Die Umfrage läuft bis zum 21. September 2023.
  • Die Teilnahme ist online unter www.warntag-umfrage.de möglich.
  • Die Umfrageergebnisse werden wissenschaftlich ausgewertet und sind sie die Basis für die Vorbereitungen zum vierten bundesweiten Warntag am 12. September 2024. 

Das passiert gegen 11 Uhr – fast – alles gleichzeitig. Das Handy legt bereits um 10.59 Uhr los, ausgelöst über Cell Broadcast, jenes in diesem Jahr neu eingeführte Warnmittel, bei dem unmittelbar alle eingeschalteten, mit moderner Technik ausgestatteten Smartphones angesteuert werden können. Gleich darauf machen sich beide Warn-Apps, NINA und KatWarn, bemerkbar, und aus Richtung Wasserturm dröhnt eine Sirene mit dem Heulton herüber.

Gelassenheit oder Gleichgültigkeit?

Und was passiert? Nichts. Auf den Planken fahren und parken wie immer Lieferdienste und Handwerker, ein Mann rennt zur Stadtbahn, ein anderer isst gemütlich ein Brötchen, noch einer hat Kopfhörer auf, und aus manchen Geschäften ist Musik zu hören. Und auch wenn in vielen Jacken und Taschen Handys schrille Laute von sich geben – es lässt die Leute völlig ungerührt. Praktisch keiner greift deshalb zu seinem Gerät, überall ist sehr viel Gelassenheit – oder Gleichgültigkeit? – zu beobachten. Alles läuft wie immer.

„Die Leute wissen Bescheid“

Nicht ganz. Am Eingang der Planken haben sich gleich drei Streifenwagen der Polizei postiert. „Normale Präsenz“, sagen die Beamten – und dass sie niemand wegen des Warntags angesprochen habe. „Die Leute wissen Bescheid“, bekräftigt ein Kriminalbeamter. Der hat sich vor einer Bank postiert, um mit zwei Kollegen vor Betrugsmaschen zu warnen, etwa dem Enkeltrick. „Finde ich super, bringe ich meinen Eltern mit“, sagt eine Frau und deckt sich mit Broschüren ein. Der Warntag, die lauten Töne von Handys und Sirenen – irgendwie kein Thema.

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„Bei uns haben alle Handys und Ipads vibriert und getönt“, sagen drei junge Damen, die am Paradeplatz versuchen, Werbung für eine Mitgliedschaft in einer DGB-Gewerkschaft zu machen. Sie wussten, warum das so ist – und haben in dem Moment der Warnung auch keinerlei Verunsicherung bei Passanten oder sonstwo beobachtet. „Die Leute sind gut informiert, die wissen Bescheid“, heißt es ebenso im Container der Tourist Info am Paradeplatz. Fragen zu Mannheim bekomme sie hier oft gestellt, so die Mitarbeiterin, aber zum Warntag, zu Sirenengeheul? Keine einzige Frage.

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Aber alle wissen dann doch nicht Bescheid. Ein Passant erzählt, dass in seiner Physiotherapiepraxis jemand erschrocken sei, als plötzlich alle Mobilgeräte einen Ton von sich gegeben hätten. Er habe einen Computerausfall oder Hackerangriff vermutet – und konnte schnell aufgeklärt werden. Aber es ist ein Einzelfall. Beim Mannheimer Feuerwehr-Notruf meldet sich jedenfalls niemand, als plötzlich die Sirenen heulen. 65 sind es seit 2017 in Mannheim, bis Ende 2024 sollen weitere Geräte in den Neubaugebieten dazukommen – die Standorte der neuen Sirenen werden gerade geprüft.

Neues Sirenennetz in Heidelberg

In Heidelberg ist es am Warntag dagegen deutlich ruhiger geblieben. Hier wurden, wie in fast allen Städten und Gemeinden, nach Ende des Kalten Krieges die alten Sirenen abmontiert. Doch derzeit investiert Heidelberg rund 500 000 Euro, um ein neues Sirenennetz zu knüpfen. Für die 25 hochmodernen Hochleistungssirenen plant die Feuerwehr Heidelberg einen flächendeckenden Test nach Abschluss aller Arbeiten voraussichtlich im November. Die Inbetriebnahme des Heidelberger Sirenennetzes ist Ende 2023 geplant.

Bis dahin setzt Heidelberg, wie viele andere Kommunen auch, nur auf Warn-Apps, Nachrichten aufs Handy, die Medien sowie die Social-Media-Kanäle. Handy-Warnungen funktionieren aber nur, wenn ein modernes Betriebssystem installiert, das Gerät eingeschaltet und nicht im Flugmodus ist.

Redaktion Chefreporter

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