Denkmalschutz

Zuhause für junge Familien

Viele Jahre dämmerte der Thann’sche Hof mitten in Heidelberg-Rohrbach im Dornröschenschlaf vor sich hin. Nun begleiten Experten die Sanierung und den Umbau des Hofs in Rohrbach zum Wohnquartier

Von 
Michaela Roßner
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Der Thann’sche Hof in Rohrbach nebst barockem Herrenhaus und Remisen wird derzeit saniert und zu Wohnungen umgebaut. © Philipp Rothe

Heidelberg. Viele Jahre dämmerte der Thann’sche Hof mitten in Heidelberg-Rohrbach im Dornröschenschlaf vor sich hin. Dann erfüllte sich eine Eigentümergemeinschaft den Traum vom Wohnen mit Respekt für die Baugeschichte. Sie realisierte – unter Begleitung des städtischen Bauamts und der Denkmalschutzbehörde – ein neues, kleines Wohnquartier, in das die ersten Familien bereits eingezogen sind.

Denkmalschutz besitzt bei Eigentümern nicht immer das beste Image – tritt der Schutz von historischem Stil oder besonderer Substanz doch häufig als „Verhinderer“ auf. Das wissen auch Thomas Apfel, Zuständiger für Denkmalschutz der Stadt Heidelberg, und Jörg Hornung, der Leiter des Amts für Baurecht und Denkmalschutz. Beim Thann’schen Hof sei es anders gewesen: Der Denkmalschutz habe möglich gemacht, was lange kaum vorstellbar schien.

Reihenhäuser in der Remise

Heidelberg sei für seine Bau- und Kulturdenkmäler bekannt, betont Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck, gleichzeitig sei es eine Stadt mit enormem Wachstum: „So sind wir auch für Veränderungen und Modernisierungen offen – solange die historische Substanz der Denkmäler bewahrt bleibt.“ Wo ganz früher Kutschen geparkt und Schweine, Pferde und Hühner gehalten wurden, ist Wohnraum um einen idyllischen Hof entstanden. Thomas Kochhan ist seit vielen Jahren Nachbar. Als der Architekt gefragt wurde, ob er das verwaiste und heruntergekommene Ensemble aus seinem Dornröschenschlaf wachküssen wolle, zögerte er kurz – und nahm die Herausforderung an.

Heute ist Kochhan selbst Miteigentümer. „Die Ställe wurden mehr als 50 Jahre nicht genutzt“, zeigt er in die Richtung, in der nun kleine Häuschen stehen, die im Erdgeschoss die scheunen- und stalltypische rustikale Sandsteinmauer haben und oben mit Holz getäfelt sind. So bleibt die Erinnerung an die einst landwirtschaftlich genutzten Gebäude, die nun innen modern ausgestattet sind. Mit rund 90 Quadratmetern auf drei Etagen sind die Fünf-Zimmer-Häuschen gegenüber in der Remise auch für eine junge Familie noch erschwinglich gewesen.

Thann’scher Hof

  • Der Thann’sche Hof im Kern des Heidelberger Stadtteils Rohrbach wurde im Jahr 1478 erstmals urkundlich erwähnt.
  • Der Gutshof in seiner heutigen Form wurde 1700 unter Eberhard Friedrich von Venningen umgebaut zu einem typischen Dreiseithof.
  • Größe und Anzahl der Gebäude sind nicht vergleichbar mit typischen regionalen Bauernhöfen, sondern lassen auf eine früher feudale Anlage schließen.
  • Im 18. Jahrhundert befand sich das Anwesen im Besitz der Familie von und zu der Tann. Das in barocken Formen errichtete Herrenhaus steht unter Denkmalschutz.
  • In Heidelberg gibt es mehr als 3500 geschützte Einzeldenkmäler. Fasst man geschützte Straßen oder Gebäudegruppen zusammen, sind es 2900 Denkmale. miro

Alles war an dieser Baustelle wohl anders als auf einer herkömmlichen: 2015 begann das Projekt. Es galt, 27 Erben aus drei Generationen zusammenzubekommen, erinnert sich Kochhan. Neun Grundstücksparzellen waren zu berücksichtigen. 2017 und 2018 wurde das Projekt intensiv entwickelt, 2019 der Bauantrag gestellt. Doch bald darauf wurden die Arbeiten ausgebremst: Anwohner hatten ihr Veto eingelegt, weil sie viel Verkehr in der Junkergasse befürchteten. Schon in dieser frühen Phase habe die Stadt den Bauwilligen zur Seite gestanden. Nun ist die Zufahrt aus der Heidelberger Straße organisiert, neun Pkw-Stellplätze wird es in einer Parkscheune geben und vier unter freiem Himmel, rechnet Kochhan vor. Wäre das Areal von einem großen Bauträger erworben und entwickelt worden, wären diese Dimensionen vermutlich deutlich größer ausgefallen, ergänzt er.

Das barocke Herrenhaus, das noch komplett Baustelle ist, hielt einige Überraschungen für die Investoren bereit. So ist der Dachstuhl komplett aus Eiche gebaut. Da das Holz über die Jahrhunderte müde wurde, nimmt ihm künftig ein neuer Dachstuhl die Last ab. „Die alte Balkenkonstruktion bleibt komplett erhalten und sichtbar“, beschreibt Kochhan den Kompromiss, der zwischen Denkmalschutz und Funktionserfordernissen gefunden wurde.

Kostbares Tapetenstück

In einem der vermutlich als Gesindezimmer genutzten Räume unter dem Dach sicherten die Experten ein Stück Tapete, das nicht – wie zunächst geschätzt – aus dem Jugendstil, sondern aus der Zeit der Französischen Revolution 1780/90 stammt und ursprünglich wohl eines der herrschaftlichen Zimmer in den unteren Etagen schmückte.

Die Baustelle war auch ein großes Baustofflager. Das Material wurde nach Möglichkeit recycelt. „Das Holz des alten Scheunentors ist nun Teil der Fassadenverkleidung, die Pflastersteine wurden neu verlegt, und jede Wohnung hat eine Mauer mit einem Trog aus Sandstein als Terrassenabschluss bekommen.“

Nicht jede Idee begrüßte der Denkmalschutz. Gauben auf den ehemaligen Ställen und außen angehängte Balkone am Barockhaus etwa wurden nicht genehmigt. Aber Gaubenbänder in Anlehnung an Tabakscheunen und eine Dachloggia als Freisitz – damit können Eigentümer und Denkmalschützer leben.

Info: Bilderstrecke unter mannheimer-morgen.de

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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