Mindestlohn

Zollbeamte kontrollieren in Heidelberg Cafés und Geschäfte

Plötzlich ist was los am Heidelberger Uniplatz: Zollbeamte rücken an und kontrollieren Bäckereien, Geschäfte und Gastronomie: Im Mittelpunkt der Fahnder steht die Frage: Wird der Mindeslohn gezahlt?

Von 
Michaela Roßner
Lesedauer: 
Zollbeamte lassen sich in einem Café am Heidelberger Uniplatz die Betriebsunterlagen zeigen. Kontrolliert wird die Einhaltung des Mindestlohns. © René Priebe

Heidelberg. Kurz vor 9 Uhr, Heidelberger Uniplatz. Noch machen sich Touristen in der Altstadt rar. Bei Nieselregen fahren vor dem Löwenbrunnen nahezu gleichzeitig mehrere Limousinen und grün-weiße Einsatzwagen mit der Aufschrift „Zoll“ vor. Nun geht alles sehr schnell: Zollbeamte in Einsatzmontur, zum Teil bewaffnet und mit den Großbuchstaben „Z-O-L-L“ auf dem Rücken, laufen zielstrebig auf drei Geschäfte zu, verteilen sich auf zwei Gruppen und betreten eine Bäckerei und ein Studentencafé.

In ganz Deutschland sind bei Schwerpunktkontrollen Betriebe überprüft worden. Besonderes Augenmerk legten die Kontrolleure auf die Einhaltung des Mindestlohns. 

Zollbeamte in zwei Schichten unterwegs

Die Zollbeamten sind in zwei Schichten unterwegs: Von 9 bis 15 und von 15 bis 21 Uhr schauen sie in die Betriebe, sprechen mit Inhabern und Mitarbeitern und sehen sich Betriebsunterlagen an. Der Mindestlohn ist zum 1. Oktober von 10,45 Euro auf zwölf Euro angehoben worden – pro Stunde. „Wir haben schon bei Kontrollen erlebt, dass die Mitarbeiter gar nicht wissen, was sie verdienen“, berichtet Anne Deubel, beim Hauptzollamt Karlsruhe für Presse und Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

Die Dame hinter dem Glastresen mit den Backwaren erschrickt, als die Kontrolleure zu viert in den Laden kommen. Während die Verkäuferin einen aufgeregten Eindruck macht, ist alles, was nun kommt, für die Zollbeamten Routine. Sie fragen nach der Art der Beschäftigung, wie lang der Job schon ausgeübt wird – und wie die Bezahlung dafür ist. „Wir kontrollieren heute vor allem die Einhaltung des Mindestlohns, aber natürlich halten wir auch andere Verstöße fest, etwa illegale Beschäftigung oder Verstöße gegen Sozialversicherungspflichten“, ergänzt Deubel. Sind Betriebsunterlagen im Laden, werden sie durchgeschaut. Sollte sich ein Anhaltspunkt ergeben, dass nicht alles ordnungsgemäß ist, müssen die Geschäftsinhaber Informationen nachliefern. Sieben Tage haben sie dafür Zeit.

Geschäftsinhaber Tarek El Senosy findet es gut, dass es die Kontrollen gibt. © René Priebe

Bis 12 Uhr am Donnerstag hatten 14 Bedienstete der Zollverwaltung in Heidelberg zehn Arbeitgeber überprüft und 22 Personen befragt. In drei Fällen folgen weitere Prüfungen. In zwei Schichten nahmen sie zwischen 9 und 21 Uhr vor allem Betriebe im Einzelhandel und in der Gastronomie unter die Lupe. Die Läden sind zwar zufällig ausgewählt, aber das bedeutet nicht, dass sie zufällig durch die nächste Ladentür gehen. Vielmehr gibt es zu jedem Betrieb eine Akte mit Kenndaten, in die nun das Protokoll des Besuchs eingeheftet wird.

So gingen die Zollbeamten in Heidelberg vor

Die wenigen Passanten, die zu dieser frühen Stunde unterwegs sind, sind im Anblick der voll ausgerüsteten Zollbeamten verunsichert. „Gehen Sie ruhig hinein, es darf weiter eingekauft werden“, spricht ein Beamter eine Frau an, die in der Bäckereifiliale das Frühstück einkaufen will. Ein kleiner Junge presst die Nase an die Schaufensterscheibe und beobachtet gebannt die Arbeit der Kontrolleure. Später ist der Fünfjährige Zeuge, wie der Laden seines Vaters Besuch vom Zoll bekommt. Als er etwas auftaut und die Beamten ihm kindgerecht erklären, was sie gerade tun, berichtet das Kind stolz, dass es an Fastnacht gerade als Polizist verkleidet war.

Bundesweite Kontrolle

  • Mit Schwerpunktkontrollen überprüften bundesweit am Mittwoch Hunderte Zollbeamte die Einhaltung des Mindestlohns.
  • Alle 41 Hauptzollämter in der gesamten Bundesrepublik waren an der Kontrolle beteiligt.
  • Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit ließ sich unter anderem in Einzelhandel und in der Gastronomie die Papiere zeigen.
  • Heidelberg ist eine von vier Abteilungen des Hauptzollamts Karlsruhe. Es betreut ein Gebiet von Nordbaden bis zum Schwarzwald

 

Tarek El Senosy betreibt seit 20 Jahren eine Reinigungsannahme. Lange Stangen, an denen frisch gewaschene weiße Hemden hängen, begrenzen den Platz im Laden. „Darf ich bitte Ihre Betriebsgenehmigung sehen“, beginnt eine junge Zollbeamtin freundlich, ihre Fragen abzuarbeiten. Der Geschäftsmann hat alle Infos zur Hand. Mitarbeiter habe er keine, „nur meine Frau hilft manchmal aus. Und die Kinder“. Für El Senosy ist es die erste Kontrolle dieser Art. „Ich finde es wirklich klasse, dass es das gibt“, betont er glaubwürdig. „Viel zu häufig“ bekomme er mit, dass „schwarz“ gearbeitet werde – „das zahlen wir im Grunde alle“. Er selbst stehe von morgens bis abends im Laden und könne sich kaum mal ein paar Tage Urlaub bei der Familie leisten. Da empfindet er es als ungerecht, dass andere offenbar Sozialleistungen kassieren und illegal steuerfrei dazuverdienen.

Werbung um guten Nachwuchs

Die Zollprüfer sind mit ihrem Katalog durch. „Ich würde Ihnen gerne einen Kaffee anbieten – aber Sie sind zu viele“, verabschiedet sich der Geschäftsmann mit den marokkanischen Wurzeln gastfreundlich. Kaffee oder irgendetwas anderes hätten die Kontrolleure ohnehin nicht annehmen dürfen – das könnte als ein Bestechungsversuch gewertet werden.

Dass an diesem Kontrolltag Medienvertreter eine Stunde dabei sind, liegt im Interesse des Zolls: „Viele verbinden uns nur mit dem Dienst im Flughafen oder mit Paketkontrollen“, erklärt Pressesprecherin Deubel. „Aber wir haben noch viele weitere Aufgaben.“ Außerdem gehe es auch darum, potenziellen Nachwuchs für den Beruf als Zollbeamter zu interessieren.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen