Heidelberg. Die Ermittlungen im Zusammenhang mit mutmaßlich antisemitischen Vorgängen bei der Burschenschaft Normannia dauern an. Das hat Thomas Bischoff, Erster Staatsanwalt in Heidelberg, dieser Redaktion auf Nachfrage am Mittwoch bestätigt. Es werde weiter dem Verdacht der gefährlichen Körperverletzung und der – antisemitischen – Beleidigung nachgegangen.
Mehrere Verfahrensbeteiligte seien bereits vernommen worden. Wann die Ermittlungen abgeschlossen werden könnten, sei noch nicht absehbar. Aus dem ausgewerteten Handy-Chat soll möglicherweise erkennbar sein, dass das Opfer unter der Prämisse eingeladen worden sei zur Fete, dass er „gegürtelt“ werde. Das Opfer, der an dem Abend leicht verletzt wurde und wohl keine bleibenden Schäden davontragen wird, weist zurück, von dieser „Einladung“ gewusst zu haben – und damit auch keinesfalls einverstanden gewesen zu sein.
Wie berichtet, hatte der 25-jährige Gast des Burschenschaftsfestes Anzeige erstattet, weil er in dem Anwesen der Normannia in der Nacht auf den 29. August wegen seiner jüdischen Vorfahren beleidigt, mit Münzen beworfen und mit Gürteln geschlagen worden sein soll. Acht Personen – sieben Männer und eine Frau – waren ins Zentrum der Kripo-Ermittlungen gerückt.
Gürtel und Handys sichergestellt
„Zahlreiche Beweismittel wurden beschlagnahmt und zum Teil auch schon ausgewertet“, ergänzte Bischoff. Dabei handele es sich im Wesentlichen um Unterlagen, die Aufschluss über die Beteiligten geben könnten, und um mögliche Tatwerkzeuge: Gürtel.
„Außerdem wurden Mobiltelefone verschiedener Verfahrensbeteiligter beschlagnahmt und die auf ihnen gespeicherten Daten ausgewertet“, fügte der Sprecher der Anklagebehörde hinzu. Weitere Beteiligte würden im Moment nicht mehr gesucht: „Wir gehen derzeit davon aus, die während der Tatzeit auf dem Verbindungshaus anwesenden Personen ermittelt zu haben.“ Bischoff konkretisierte auf Nachfrage auch eine Formulierung aus einer früheren Pressemeldung, wonach es sich abgezeichnet habe, „dass es sich bei dem Schlagen mit den Gürteln, der sogenannten ,Gürtelung’, um ein gängiges Ritual der tatverdächtigen Personen handeln soll“.
Burschenschaftsexperte Dietrich Heither hatte im Interview mit dieser Redaktion angegeben, noch nichts von einem solch einem Ritual gehört zu haben. „Soweit die Geschichte der Studentenverbindung erhellt werden konnte, konnten zwar in der Tat keine Erkenntnisse gewonnen werden, dass es sich bei dem ,Gürteln’ um ein verbreitetes Verbindungsritual handelt. Wohl aber gibt es Ermittlungserkenntnisse, die dafür sprechen könnten, dass das Schlagen des anderen mit einem Gürtel im Rahmen ,geselliger’ Veranstaltungen unter den konkret beteiligten Studenten nicht zum ersten Mal stattgefunden haben könnte“, betonte der Staatsanwalt nun.
Chat-Verkehr ausgewertet
„Der gesicherte und ausgewertete ,WhatsApp’-Verkehr zwischen einem Mitglied der Burschenschaft und dem Verletzten im Vorfeld der Tat könnte zudem möglicherweise den Schluss zulassen, dass dieser unter der Prämisse zu der Veranstaltung im Verbindungshaus der Normannia eingeladen wurde, dass er damit einverstanden sei, in diesem Rahmen von den Gastgebern ,gegürtelt’ zu werden“. Der Verletzte bestreite indes freilich, die „Whats-App“-Nachrichten des Burschenschafters so verstanden zu haben, dass ihm Schläge drohten, geschweige denn, dass er mit diesen einverstanden gewesen sei.
Der Vorfall hatte bundesweit für Reaktionen gesorgt. Unter anderem gab es am Freitag auf dem Heidelberger Universitätsplatz eine Solidaritätskundgebung für den 25-Jährigen, die das Junge Forum der Deutsch-Israelitischen Gesellschaft organisierte. Universität und Studierende der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg verurteilten den antisemitischen Angriff auf einen Studierenden „auf das Schärfste“.
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