Heidelberg. Nicht nur die Mitglieder des Hanf Verbands Rhein-Neckar werden am Montag in Feierstimmung sein: Seit fast zehn Jahren setzen sie sich für die Legalisierung von Cannabis ein. Am 1. Juli ist nun ein weiterer Meilenstein erreicht: Ab diesem Datum dürfen autorisierte Vereine („Social Clubs“) legal Haschisch abgeben. „Dürften“, so müsste man allerdings eher formulieren. Denn das Datum markiert mehr theoretisch den Start in ein neues Cannabis-Kapitel. Die Abgabevereine, die bis zu 500 Mitglieder groß sind, dürfen nun ihre Anträge stellen. Dabei gibt es offenbar noch jede Menge offene Fragen.
Wir starten sehr bewusst klein, weil noch so viele offene Fragen sind.
Am 1. April ist nach langer Diskussion das Cannabis-Legalisierungsgesetz in Kraft getreten. Der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabis-Pflanzen für den eigenen Konsum und der Besitz von 50 Gramm – 25 Gramm darf man bei sich tragen – sind nun straffrei. Doch wo soll man sich den Stoff beschaffen, wenn nicht auf dem Schwarzmarkt? Diese Lücke sollen Social Clubs schließen, die bundesweit mit Lizenzen ausgestattet werden. Kontrolliert werden hier Anbau und Abgabe. Nur die jeweiligen Mitglieder dürfen diese legale Quelle nutzen. Und auch für den Konsum gibt es strikte Regeln – etwa Abstände, die zu Schulen und anderen Einrichtungen eingehalten werden müssen, bevor inhaliert wird.
Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren
Frühestens im nächsten Frühjahr rechnet Andreas Niemöller, Vorsitzender des „Rising Flowers Social Clubs“, damit, vereinseigenes Cannabis abgeben zu können. „Wir sind gerade dabei, die Antragsunterlagen zusammenzustellen“, erzählt er Anfang der Woche. Erst seit Kurzem wisse man, wohin die ausgefüllten Formulare überhaupt geschickt werden müssen. Landesweit zuständig für die Anträge ist das Freiburger Regierungspräsidium. Es rechnet mit rund 100 Anträgen. Für das Überwachen der Anbauvereinigungen ist landesweit das Regierungspräsidium Tübingen verantwortlich.
Der Mannheimer Morgen auf WhatsApp
Auf unserem WhatsApp-Kanal informieren wir über die wichtigsten Nachrichten des Tages, empfehlen besonders bemerkenswerte Artikel aus Mannheim und der Region und geben coole Tipps rund um die Quadratestadt!
Jetzt unter dem Link abonnieren, um nichts mehr zu verpassen
„Wir möchten alles richtig machen“, betont Niemöller. Noch besteht der seit zwei Wochen offiziell beim Amtsgericht eingetragene Verein nur aus knapp einem Dutzend Gründungsmitglieder. Dabei stehen auf der Warteliste rund 1000 Interessierte. „Wir starten sehr bewusst klein, weil noch so viele offene Fragen sind“, ergänzt der Vorsitzende. Sein Stellvertreter Christoph Lehner hat mit dem Hanfverband Rhein-Neckar seit rund zehn Jahren für die Legalisierung gekämpft. Niemöller selbst geht es vor allem um die „Entstigmatisierung“ des Cannabis.
Der Altersdurchschnitt bei unseren Interessenten liegt bei 38,9 Jahren.
„Es denken viele, dass wir ab 1. Juli Cannabis abgeben“, bestätigt er. Stattdessen werde intensiv an Grundlagen gefeilt. So habe man ein ausführliches Gesundheitsschutzkonzept erarbeitet. Es beantwortet etwa die Frage, wie man auf Mitglieder zugeht, deren Cannabis-Konsum bedenklich erscheinen. Viel Verantwortung.
Unter 21-Jährige werden nicht aufgenommen. „Der Altersdurchschnitt bei unseren Interessenten liegt bei 38,9 Jahren“, weiß Niemöller. Der älteste Interessent sei 83 Jahre alt. Seit Oktober 2023 kann man das unverbindliche Anmeldeformular ausfüllen. Mehr als 1000 Stunden Planung und Vorbereitung stecken schon im Cannabis-Projekt, schätzt der Heidelberger. „Eigentlich ist das im Ehrenamt kaum zu leisten“, wird er kritisch. Der Verein darf allenfalls geringfügig Beschäftigte verpflichten. Zum Gründungsteam der „Rising Flowers“ gehören nicht nur Umwelt- und Klimatechniker und Mediziner, sondern auch eine Anwältin. Ist die Lizenz da, muss der Social Club eine Indoor-Produktionsanlage aufbauen, mit einem komplizierten Klimakonzept und LED-Beleuchtung. Auch das eine Herausforderung.
Werbeverbot für Cannabisprodukte
Eine „Tüte“ (umgangssprachlich für Haschzigarette) zu rauchen, scheint für viele Menschen inzwischen dazuzugehören: Cannabis ist die am häufigsten konsumierte bisher illegale Droge im Land. 8,8 Prozent der Bevölkerung gaben 2021 an, im vergangenen Jahr Cannabis konsumiert zu haben. Etwa die Hälfte der 18- bis 25-Jährigen bestätigten in der gleichen Studie, den Stoff schon einmal konsumiert zu haben, kritisierte das Deutsche Krebsforschungszentrum, bevor das Cannabis-Legalisierungsgesetz den Bundesrat passierte. Legal und kontrolliert wird aus therapeutischen Gründen längst Cannabis geerntet: Rund 400 bis 800 Tonnen dieses Medizin-Cannabis werden pro Jahr im Land produziert. Obwohl bereits 2017 zugelassen, ist medizinisches Cannabis indes für viele (Schmerz-)Patienten noch schwer zu bekommen, kritisieren Betroffene.
Sich groß im Internet oder in sozialen Netzwerken mit ihrem Angebot zu präsentieren, darauf sollten Social Clubs übrigens besser verzichten. Denn mit dem 1. Juli tritt auch offiziell ein Werbeverbot für Cannabisprodukte in Kraft – wie es bei Tabak schon lange gilt.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg_artikel,-heidelberg-wir-wollen-alles-richtig-machen-social-clubs-bewerben-sich-als-abgabestelle-_arid,2220423.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://risingflowers.de/unser-verein/