Rhein-Neckar. Noch immer ist vielen Menschen in der Rhein-Neckar-Region und darüber hinaus nicht bewusst, welch bedeutender Schatz vor ihrer Haustür liegt. Und womöglich war genau das der Beweggrund für den rheinland-pfälzischen Innenminister Michael Ebling (SPD), sich über zwei Tage hinweg dem jüdischen Erbe entlang der Rheinschiene zu widmen - mitsamt der Presse, die ihm folgte.
Die Anerkennung der sogenannten SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz als Unesco Welterbe liegt inzwischen drei Jahre zurück. Medial hat die Auszeichnung im Jahr 2021 große Verbreitung gefunden, aber inhaltlich ist bis heute vergleichsweise wenig bekannt, worin genau die tiefe Bedeutung der mittelalterlichen jüdischen Friedhöfe in Mainz und Worms liegt und warum der Erhalt und die Pflege des rund 900 Jahre alten jüdischen Ritualbades (Mikwe) in Speyer von enormer Wichtigkeit ist.
SchUM-Stätten: Das Jerusalem des Westens
Ebling und beispielsweise auch die Speyerer Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler (SPD) sind sich deshalb einig, dass sich die Bildungs- und Vermittlungsarbeit auf diesem Feld noch verbessern muss. Ziel ist es, noch mehr Menschen bewusst zu machen, dass aschkenasische Juden und Christen schon vor fast 1000 Jahren in den drei Städten Tür an Tür lebten und den Alltag miteinander teilten - lange bevor Antisemitismus, Pogrome und Rassenhass jüdisches Leben hier quasi auslöschten.
Der Gemeindebund SchUM war über Jahrhunderte sogar derart bedeutend, dass man vom Jerusalem des Westens sprach. SchUM war tatsächlich maßgeblich für die jüdische Existenz in Mittel- und Osteuropa. Von hier gingen Innovationen etwa in Sachen Architektur, Religionsausübung oder gesellschaftlicher Regeln aus.
Drei prominente Beispiele gibt es, die zum Teil auch in Erlassen festgehalten worden sind - etwa das Verbot der Polygamie (Vielehe). Das Briefgeheimnis findet hier ebenfalls seinen Ursprung und die Stellung der Frau wurde durch eine Reform des Scheidungsrechts gestärkt.
SchUM-Stätten: Besucher- und Informationszentren in Planung
Friedhöfe, Synagoge und Mikwe sind monumentale Zeugnisse dieser Zeit. Anhand ihres Erhalts lässt sich Geschichte lebendig erzählen und nachvollziehen. Der nächste Schritt auf diesem Weg sollen nun Besucherzentren in den jeweiligen Städten sein, die als Anlaufstellen, Lernorte oder Begegnungsstätte fungieren könnten.
Weil Speyer in der besonderen Lage ist, mit Dom und Judenhof gleich zwei Welterbestätten innerhalb von etwa 300 Metern Wegstrecke zu haben, wird hier an einer Machbarkeitsstudie für ein neues Welterbe-Informationszentrum gearbeitet. 70 000 Menschen haben sich vergangenes Jahr den Judenhof und das dort befindliche Ritualbad angeschaut.
850 000 Besucher kamen in dieser Zeitspanne in den Dom. An welchem Ort ein solches Zentrum entstehen wird und wie dieser Ort letztlich aussehen muss, entscheidet sich in den kommenden Monaten. In Worms und Mainz ist man da schon etwas weiter.
Nicht zuletzt deshalb besuchte der Innenminister als Abschluss seiner Tour den jüdischen Friedhof „Heiliger Sand“ und den Synagogenbezirk. Oberbürgermeister Adolf Kessel sagte vor Ort, dass die Restaurierung der Mikwe vorankomme - dank Unterstützung von Bund und Land.
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