Heidelberg. Der „Heidelberger Zuckerladen“ in der Altstadt ist eine Institution: Seit fast 40 Jahren gibt es hier Süßigkeiten aus aller Welt und auch ein echtes Einkaufserlebnis in kurioser Dekoration. Doch nun suchen die Inhaber Marion und Jürgen Brecht Nachfolger. Ihr Lebenswerk soll erhalten bleiben. Seit sich das herumgesprochen hat, steht das Telefon nicht mehr still: „Es gibt viele Interessierte, aber wir wollen sicherstellen, dass die Übergabe langfristig gelingt“, beschreibt Marion Brecht.
Den Betrieb in absehbarer Zeit aufzugeben, fällt beiden nicht leicht. Aber Jürgen Brecht ist im Oktober 80 Jahre alt geworden und hat gesundheitliche Probleme. Seine 17 Jahre jüngere Frau will und kann nicht allein weitermachen. Es ist das Lebenswerk der beiden gebürtigen Bremer, die vor 36 Jahren in Heidelberg ihren Laden öffneten. Er hatte bereits einen Süßwarenladen im Norden, als ihn die in Speyer geborene Psychologin kennenlernte. Das Paar fand ein Ladenlokal in der Plöck - nur ein paar Hundert Meter von der aktuellen Geschäftsadresse entfernt. Zweieinhalb Jahre später bot sich die Gelegenheit, sich in der Plöck 52 zu vergrößern.
Zuckerladen betreiben ist harte Arbeit
„Ich war im siebten Monat schwanger“, erinnert sich Marion Brecht an die Eröffnung. Selbstbedienung gab es von Anfang an nicht. „Wir legen Wert darauf, dass die Kunden sich die Ware aussuchen, und wir bedienen.“ Nun suchen die Brechts nach mindestens zwei Inhabern, die den „Heidelberger Zuckerladen“ in ihrem Sinne weiterführen. „Alleine ist das einfach nicht zu schaffen.“ Der Zuckerladen bestehe schließlich nicht nur aus dem Verkauf: „Jeden Morgen werden die Bestände in den Regalen geprüft und aufgefüllt, es wird geputzt und bestellt“, gibt die Inhaberin einen Einblick in die weniger „süßen“ Seiten der Arbeit, die sie mindestens zehn Stunden und derzeit sechs Tagen in der Woche im Zuckerladen hält.
Die Weichen für die Zukunft sind gestellt, der Vermieter ist einverstanden, der Name geschützt und ein Online-Shop bereits installiert. Im Übernahmepaket bieten die Brechts den neuen Besitzern eine Begleitung über die ersten Wochen an. Außerdem gibt es einen treuen Kundenstamm weit über die Stadt hinaus. Der hat das Geschäft auch in der Pandemiezeit gestützt. Ob Brausestange oder Nougattrüffel aus dem Piemont, ob Schokoladenhobel oder Torte aus bunten Zuckergebilden: Das Sortiment ist riesig und verändert sich ständig.
Wer von der Plöck in der Altstadt in das Geschäft kommt, den empfängt ein sensationeller Duft aus Frucht und Schokoladigem. Die Kundschaft ist so bunt gemischt, wie es die Produkte in den großen Vorratsgläsern sind. „Bei uns wird jeder gleich behandelt“, widmet sich das Paar genauso gerne einem Kind mit zwei Euro Budget wie dem Erwachsenen, der im großen Stil einkauft. Eines erleben alle gleich: Nach dem Bezahlen lädt Jürgen Brecht alle zu einem kleinen Würfelspiel ein. Zu gewinnen gibt es eine kleine Süßigkeit.
Basketballkorb im Geschäft - keine gute Idee
„Wir wollten die Kunden nach dem Bezahlen nicht einfach gehen lassen“, erinnert sich der Inhaber an die Idee. Und so habe zunächst ein Glücksrad auf der Theke gestanden. „Aber das hat so viel Platz weggenommen.“ Dann gab es einen Basketballkorb im Geschäft - jeder Treffer eine Belohnung. Doch herumfliegende Bälle waren mit Blick auf das Glasregal keine wirklich gute Idee. „Und dann haben wir das Würfeln angefangen.“
Ein anderes Markenzeichen steht im Schaufenster: der alte Zahnarztstuhl, daneben Utensilien und Zahnplastiken. Den schweren Behandlungsstuhl, den ein Bekannter nach einer Praxisauflösung aufgetan hatte, wuchteten damals vier Männer in die Auslage.
Warum steht Zahnarztstuhl im Schaufenster?
Immer wieder wurde der Stuhl umdekoriert, auch gerne mal gruselig. Es sollte eine ironische Antwort auf allzu kritische Blicke sein: „Als wir anfingen, begann gerade eine Zeit, in der Süßigkeiten unter dem Aspekt der gesunden Ernährung sehr negativ bewertet wurden“, erinnert sich Marion Brecht. Dass der Laden zwischen zwei Schulen liegt, sei keinesfalls Berechnung gewesen, sondern Zufall. Trotzdem: Um nicht zu viele Naschkatzen im Vorbeilaufen zu verführen, verzichteten die Brechts auf Süßes im Fenster. Dafür mahnte der Zahnarztstuhl ununterbrochen.
Dass Süßes in kleinen Mengen - bei ausreichender Zahnhygiene - nicht verteufelt werden sollte, dazu stehen die beiden Inhaber. Sie gönnen sich selbst hin und wieder ein Stückchen, sind aber schlank und den süßen Düften im Laden gegenüber mehr oder weniger „immun“: „Das ist so, wenn man sich den ganzen Tag zwischen den Regalen bewegt.“
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