Ausbildung

Wie Einzelhändler mit Ladendieben umgehen sollten

Die angehenden Einzelhandelskaufleute an der Julius-Springer-Schule in Heidelberg haben allesamt schon Erfahrungen mit Ladendieben gemacht. Die Polizei erklärt ihnen nun, wie sie richtig mit Langfingern umgehen sollen

Von 
Michaela Roßner
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Polizist Jürgen Spieß erläutert angehenden Einzelhandelskaufleuten, wie sie mit dem Thema Ladendiebstahl umgehen können. © Philipp Rothe

Waren lagern, Mengen kalkulieren, Werbung konzipieren, auf Kundenwünsche reagieren: All das gehört zum Berufsalltag von Einzelhandelskaufleuten und Verkäuferinnen. Doch wie gehen die Mitarbeiter von Geschäften und Märkten mit Ladendieben um? Azubis bekommen in der Julius-Springer-Berufsschule in Heidelberg dafür Tipps von der Polizei. Schulleiter Ulrich Liebler ist für diese Kooperation sehr dankbar.

„Sie werden ein Auge und ein Gefühl dafür bekommen, wenn sie es mit einem Ladendieb zu tun haben“, verspricht Jürgen Spieß. Der Erster Polizeihauptmeister arbeitet im Polizeirevier Süd in Heidelberg. Die Springer-Schule gehört zum Zuständigkeitsbereich des Reviers. Spieß ist mehrmals in der Woche in Schulen, um Präventionsarbeit zu leisten, etwa zu Mobbing im Netz. Heute hat er den gesamten Unterrichtsvormittag, um über Diebe und die Rechte und Pflichten von Mitarbeitern und Zeugen zu sprechen.

Erfahrung haben alle gesammelt

Die Schülerinnen und Schüler sind im zweiten Lehrjahr. Erfahrungen mit Ladendiebstahl haben sie fast alle schon in ihren Betrieben gesammelt: Der Tankstellenverkäufer weiß, wie gerne etwa die kleinen Alkoholfläschchen heimlich eingesteckt werden, und eine Parfümerie-Mitarbeiterin berichtet gar davon, dass bei einem Diebstahl ein Messer im Spiel gewesen sei - was juristisch nicht mehr als einfacher Diebstahl, sondern als räuberischer Diebstahl zu werten ist. „Das kommt relativ häufig vor“, erzählt eine angehende Einzelhandelskauffrau, die in einem Schuhladen arbeitet. „Bei uns ist das sehr, sehr selten“ erzählt hingegen eine Heranwachsende, die bei einem Lebensmitteldiscounter angestellt ist.

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Nicht immer sind die Fälle so spektakulär wie am vergangenen Montag in Schriesheim. Dort überführte ein 40-jähriger Ladendetektiv in einem Lebensmittelmarkt eine Ladendiebin. Sie wollte gerade mit einer Sporttasche voll Diebesgut aus dem Geschäft flüchten. Der Mitarbeiter verfolgte die Tatverdächtige, die sich losriss und einen ihr augenscheinlich bekannten Mann zu Hilfe rief. Dieser rannte auf den Ladendetektiv zu und schlug ihm ins Gesicht. In einem Gerangel gelang es dem 40-Jährigen noch, die Tasche mit dem Diebesgut an sich zu bringen. Dann flohen die beiden Tatverdächtigen in einem Wagen.

Fast fünf Milliarden Euro Schaden durch Ladendiebstahl pro Jahr

Fast fünf Milliarden Euro Schaden (3,3 Milliarden Warenwert plus Sachschaden) entstehen jedes Jahr in Deutschland durch Ladendiebstahl, nennt Jürgen Spieß Zahlen. Schaut man sich an, auf welche Weise Waren aus Lager und Sortiment verschwinden, ist bei mehr als der Hälfte des Warenschwunds Ladendiebstahl die Ursache, gefolgt von Verlust durch Beschäftigte (21 Prozent) und Fehlern in der Logistik (20 Prozent).

Ladendiebstahl ist keine Seltenheit. Sobald jemand unbezahlte Ware in die Tasche steckt, ist der Straftatbestand erfüllt. © dpa

Diebstähle nehmen zu - auch vor dem Hintergrund steigender Preise und der Inflation, erklärt Spieß den Auszubildenden. Das lasse sich auch an der Kriminalstatistik vor Ort ablesen: 2020 wurden in Heidelberg noch 1221 Diebstähle aktenkundig, zwei Jahre später waren es schon 1700 Fälle. Von der klassischen Mutprobe bis zur organisierten Kriminalität sind die Täter sehr unterschiedlich. 122 Kinder, 234 Jugendliche und 89 Heranwachsende sind 2022 wegen Diebstahls angezeigt worden - aber Rentner mit schmalem Geldbeutel oder schwangere Frauen könnten genauso Täter sein, die in den Regalen etwas einstecken. 60 Prozent der Diebe seien Männer, 40 Frauen, berichtet Spieß von einer erstaunlichen „Gleichberechtigungstendenz“ bei diesem Delikt - in anderen Kriminalitätsbereichen sind in der Regel männliche Täter deutlich in der Überzahl. Mit 95,4 Prozent sei die Aufklärungsquote bei Ladendiebstählen zwar sehr hoch; gleichzeitig müsse man aber davon ausgehen, dass mehr als 90 Prozent der Ladendiebstähle nicht angezeigt beziehungsweise gar nicht bemerkt werden.

Wann fängt der Diebstahl an?

„Sobald sich jemand etwas in die Taschen steckt“, erklärt Spieß. Denn dann begehe er einen „Gewahrsamsbruch“, der Ladeninhaber hat sein Eigentum nicht mehr unter Kontrolle - selbst wenn der Dieb noch im Laden ist und später behaupten könnte, er habe die Dinge noch an der Kasse zahlen können.

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Festhalten oder Durchsuchen dürfen die Ladenmitarbeiter den Verdächtigen nicht - das darf nur die Polizei. Kommt er freiwillig mit ins Büro und gibt seine Personalien an, kann der Diebstahl sogar registriert werden, ohne dass die Polizei gerufen werden muss. Flieht ein Täter, sollen sich die künftigen Einzelhandelskaufleute möglichst viele prägnante Details merken und an die Polizei für die Fahndung geben. Sich selbst gefährden sollen sie sich indes nicht: „Keine Ware der Welt ist es wert, dass sie abends nicht mehr gesund nach Hause kommen“, warnt der erfahrene Polizeibeamte.

Praktische Infos

Dass sie in der Berufsschule Tipps von der Polizei bekommt, worauf sie bei möglichen Ladendieben achten sollte, findet Larissa „sehr gut“: Nicht Theorie, sondern praktische Infos nimmt sie aus dem Unterricht mit. „Es fördert auch den Kontakt zur Polizei“, sieht sie einen weiteren positiven Nebeneffekt. Ihre Klassenkameradin Maryam nickt: „Ich finde das auch sehr gut.“ Jawad, der in einem Schuhladen arbeitet, bekommt auch bei seinem Arbeitgeber eine Schulung im Umgang mit Ladendieben, „aber ich habe hier noch Neues gelernt“. Und für ihn ist eine sehr wichtige Erkenntnis: Ladendiebe sehen nicht unbedingt so aus. „Es können auch sehr schick angezogene Kunden sein, die etwas stehlen.“

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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