Stückemarkt - Schauspiel Leipzig überzeugt mit „White Passing“ von Sarah Kilter im Theater Heidelberg

Wenn Barbie über Deutschland plappert

Von 
Eckhard Britsch
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Das Bühnenbild erinnert an eine Handtasche. © Tom Schulze

Die Welt ist schrill, zumindest in der Sicht der Regisseurin Thirza Bruncken. Sie lässt die drei Spielerinnen Meriam Abbas, Julia Preuß und Bettina Schmidt in Sarah Kilters Stück „White Passing“ aufeinander los. Zwar nicht feindselig, aber voll verrätseltem Sprech in Sachen Deutschland. Wie man sich fühlt, wenn die eine einen nordafrikanischen Hintergrund hat. „Woran erkennt man einen Deutschen, der nichts gegen Ausländer hat? - Er wird es dir sagen“ palavern sie einander mit (künstlich) hochgeschraubten Stimmen um die Ohren. Ihre Sinnsuche geht über Songs zwischen Lady Gaga und Patrick Hernandez ab, sie fläzen sich auf kleinen Hüpfburgen und scheinen nicht genau zu wissen, was sie eigentlich tun oder vom Leben wollen.

Die Inszenierung spielt mit Klischees, wenn etwa der Barbie-Look als Konsum-Gen herhält, oder Lebensgefühl als Disco-Power mit schrägen Vorbildern zitiert wird. Immer wieder Bushido, jener ins Gerede gekommene und mehrfach verurteilte Rapper, der die Sinne benebelt und befeuert.

Eine hat eigentlich Geburtstag, will aber allein sein, und sucht den Ort ihrer Jugend auf. Aber den gibt es nicht mehr. Ihre Freunde warten und werden zu Spiegelungen eines verwirrenden Daseins, wo jede und jeder den Platz im Leben sucht.

Schrill ist auch die Ausstattung von Christoph Ernst, der den Bühnenraum in ein kleinteilig-helles Webmuster wie eine Pixel-Wand kleidet, vor dem die Spielerinnen mit ihren aufgeblasenen Liegestätten hantieren, wo sie die teils aggressive Musik mit locker-skurrilen Bewegungen illustrieren. Dabei gibt ein kaum unterbrochener Strom an hintersinnigen oder absurden Thesen und Reflexionen dem Publikum zu denken. Barbie plappert? Oft witzig, manchmal Nonsens, meist aber ambitioniert, denn die Autorin Sarah Kilter will dem pseudo-liberalen Bürgertum auf den selbstgefälligen Zahn fühlen, wo es doch irritierende Gegenwelten und Lebensentwürfe zu entdecken gilt. Die versuchen die drei Spielerinnen mit locker-intensiver Kunst aufzudröseln.

Sicherlich, wir wüssten gerne mehr über uns, übers „Deutschsein“, über das Land, über Befindlichkeiten und Identitäten. „White Passing“ von Sarah Kilter, im letzten Jahr uraufgeführt, gibt dazu quasi „im Vorübergehen“ viele Hinweise, doch in der Inszenierung von Thirza Bruncken maßt sich dieses Schauspiel keinesfalls Ergründung an. Dazu wird viel zu aufmüpfig-frech gespielt. Das passt schon. Ein eher junges, eher weibliches Publikum applaudiert heftig.

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