Kulturwissenschaft

Völkerkundemuseum in Heidelberg bekommt neuen Direktor

Ein Ethnologe übernimmt im Januar die Leitung des Heidelberger Völkerkundemuseums. Nach öffentlichen Streitigkeiten soll das Museum nun als An-Institut der Universität in die Zukunft gehen

Von 
Michaela Roßner
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Das Völkerkundemuseum ist im Palais Weimar untergebracht. Die anstehende Sanierung des Hauses wird eine Aufgabe des neuen Direktors. © Philipp Rothe

Heidelberg. Er wechselt von Bern nach Heidelberg: Alban von Stockhausen (41, kleines Bild) leitet ab Januar 2023 das Heidelberger Völkerkundemuseum. Axel Michaels vom Südasien-Institut der Universität, Oberbürgermeister Eckart Würzner und Wissenschaftsministerin Theresia Bauer haben den Nachfolger von Margareta Pavaloi jetzt vorgestellt. Der Ethnologe ist aktuell Kurator am Historischen Museum in Bern.

Der in der Nähe von Stuttgart geborene von Stockhausen studierte Ethnologie, Religionswissenschaft und Ostasiatische Kunstgeschichte an der Universität Zürich und wurde mit einer Arbeit zu ethnologischen Fotosammlungen promoviert. Nach mehrjährigen Forschungsprojekten und Feldforschungsaufenthalten in Asien sowie Stationen in Zürich, Kathmandu, London und Wien ist er seit 2015 Kurator für die Ethnografische Sammlung am Historischen Museum in Bern.

Zum 1. Januar kommenden Jahres übernimmt Alban von Stockhausen die Leitung des Völkerkundemuseums. © Philipp Rothe

Dort betreut er die umfangreichen Bestände zu Asien, Ozeanien, Altägypten und Europa und kuratierte zuletzt die erfolgreiche Sonderausstellung „Mythos Samurai. Die Sammlung Ann und Gabriel Barbier-Mueller“, teilt Axel Michaels, Seniorprofessor am Centre for Asian and Transcultural Studies (CATS)/Südasien-Institut der Universität Heidelberg sowie Vorsitzender des Kuratoriums der Josefine und Eduard von Portheim-Stiftung für Wissenschaft und Kunst, mit. „Neben seinen wissenschaftlichen Qualifikationen sowie breiten Erfahrungen im Ausstellungs-, Vermittlungs- und Publikationsbereich überzeugt Dr. von Stockhausen auch mit umfassenden Erfahrungen im Bereich der Digitalisierung von Museumssammlungen und deren multimedialer Vermittlung“, begründet Michaels die Entscheidung. Der neue Direktor sei sich der Herausforderung bewusst und freue sich darauf, heißt es weiter.

Neuanfang nach Dissonanzen

Die Finanzierung der Museumsarbeit, aber auch Dissonanzen im Kuratorium hatten die überregional bekannte Einrichtung über mehrere Jahre auch bundesweit in die Schlagzeilen gebracht - und eine bewegte Geschichte liegt ohnehin hinter der einzigartigen Sammlung der Portheim-Stiftung, die Träger des Museums ist.

Nach öffentlichen Streitigkeiten um das Kuratorium und die Finanzierung des Hauses in den vergangenen Jahren gab es im Frühjahr einen Neuanfang: Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos) und OB-Kandidatin und noch Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) sind seitdem Teil des Kuratoriums. „Die Sammlung ist so wertvoll und bedeutend wie Stuttgarter Sammlungen. Wir müssen dafür sorgen, dass dieses Haus ein attraktives, modernes Museum wird“, betonte Bauer. Auch Würzner sieht im Völkerkundemuseum eine „Perle der Museumslandschaft“. Nach den Querelen hatte die Stadt den jährlichen Zuschuss auf 200 000 Euro angehoben.

Palais Weimar

  •  Das Völkerkundemuseum im Palais Weimar (Hauptstraße 235) geht auf das Jahr 1921 zurück; die erste Ausstellung war 1924 zu besichtigen.
  • 1921 kaufte Victor Goldschmidt das zwischen 1700 und 1714 für den Heidelberger Stadtkommandanten erbaute Palais, das später dem Adelsgeschlecht Sachsen-Weimar-Eisenach zugefallen war.
  • Die jüdische Familie Goldschmidt gründete 1919 die Josefine und Eduard von Portheim-Stiftung, die bis heute das Museum führt. 

Die Stiftung ist 1919 von Victor Goldschmidt und seiner Frau Leontine gegründet worden - einer Geborenen von Portheim. Das kinderlose Paar stammte aus zwei wohlhabenden jüdischen Familien. Seine mit zwei Millionen Goldmark ausgestattete Stiftung konzipierte es als Verbund von Forschungseinrichtungen in Ergänzung zur Universität.

Diese Nähe soll nun organisatorisch wieder stärker betont werden: Das Völkerkundemuseum soll als An-Institut der Universität in die Zukunft gehen. Der Bankierssohn Goldschmidt lebte ab 1887 als freier Wissenschaftler in Heidelberg, machte sich als Kristallograph (Wissenschaftler, der Kristalle erforscht) einen Namen, bereiste vor allem Asien und hinterließ 200 Schriften.

Sammlungsteile verschollen

Neben dem Ethnographischen Institut hatte es private Institute für Mineralogie und Kristallographie gegeben. Auch das Sinologische und das Slawische Institut gehen auf Goldschmidt zurück. Unter den Nationalsozialisten wurden die Institute geschlossen. Sammlungsbestandteile gingen verloren, nach denen heute noch geforscht wird. Ab 1945 blieb nur das Ethnographische Institut (das heutige Völkerkundemuseum) in Trägerschaft der Stiftung.

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Viel Geld floss nach dem Krieg in den Unterhalt des Museums. Doch das Palais Weimar am Neckar ist weiter sanierungsbedürftig. Die Asmat-Sammlung von Ursula Konrad, die seit den 1980er-Jahren als Dauerleihgabe in Heidelberg gezeigt wird, sollen dem Berliner Humboldt-Forum übergeben werden. In Heidelberg war für sie eigens ein Anbau errichtet worden.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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