Neustadt. Besard H. schüttelt am Mittwochmorgen energisch den Kopf, seit Ende Mai muss er sich wegen des tragischen Todes eines Jobcenter-Mitarbeiters in Neustadt vor dem Frankenthaler Landgericht verantworten. Wegen Körperverletzung mit Todesfolge und weiterer Delikte hat ihn die Schwurgerichtskammer nun zu vier Jahren und acht Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
H. schnauft, während die Vorsitzende Richterin Mirtha Hütt das Urteil begründet. Mit jedem ihrer Sätze wird sein Gemurmel lauter. „Entweder Sie sind still oder Sie gehen raus“, sagt Hütt. „Dann gehe ich lieber“, Besard H. springt auf und verlässt mit den Wachtmeistern den Saal.
Mirtha Hütt fährt mit der Rekonstruktion des Verbrechens fort, das Besard H. vor Gericht geführt hat. Es geht um den 14. September 2023. An diesem Tag lief ein Jobcenter-Mitarbeiter in seiner Mittagspause an den Bahnhof in Neustadt, um ein Zugticket zu kaufen, so die Vorsitzende Richterin. Auf dem Rückweg stieß der 57-Jährige laut Gericht mit einem Mann zusammen, der aus einem Hauseingang kam und den Blick auf sein Handy gerichtet hielt.
Zwischen dem Jobcenter-Mitarbeiter und seinem Gegenüber kam es laut Gericht zum Streit, offenbar, weil der Jobcenter-Mitarbeiter verärgert darüber war, dass sein Gegenüber sich nicht wegen des Remplers entschuldigte. Dann trafen den 57-Jährigen unvermittelt ein Tritt im Bereich des unteren Rückens und mindestens zwei Faustschläge - links an der Schläfe und im Bereich des Unterkiefers. Nur wenige Tage später starb der 57-Jährige an einer Hirnblutung, die wahrscheinlich von einem der Faustschläge rührte. In Verbindung mit einer bis dahin unentdeckten Leukämie und vorgeschädigten Blutgefäßen führte die Blutung zum Tod des Mannes.
Angeklagter: „Ich war es nicht, ich habe nichts damit zu tun“
Der komplette Prozess kreiste vor allem um eine Frage: War Besard H. der Täter? Während des Ermittlungsverfahrens und zum Ende des Prozesses hin betonte der Angeklagte seine Unschuld. „Ich war es nicht, ich habe damit nichts zu tun“, sagte er noch am Montag nach den Plädoyers. Weiterführende Angaben zum 14. September 2023 machte er vor Gericht allerdings nicht, nur gelegentlich machte er spontan Angaben zu ausgewählten Details.
„In diesem Prozess gab es nicht den einen Beweis, der die Täterschaft belegen oder widerlegen konnte“, sagt die Richterin am Montag. Doch nach der Gesamtbetrachtung aller Indizien sei die Kammer überzeugt davon: Besard H. war der Täter. Worauf stützen die Frankenthaler Richterinnen ihr Urteil? Nach Angaben der Kammer kamen nur drei Hauseingänge in Betracht, vor denen sich der Vorfall zugetragen haben könnte. In einem der Häuser bewohnte Besard H. damals eine Dachgeschosswohnung. Und nach dem Vorfall hat eine Sicherheitskamera H. wenige Minuten nach der Tat im Bild eingefangen, allerdings läuft er auf der Aufnahme in die falsche Richtung.
Nach dem Übergriff verständigte das Opfer seine Lebensgefährtin, berichtete ihr von dem Übergriff durch einen Mann mit Migrationshintergrund, beschrieb ihr dessen Aussehen - dunkle Haare, ausrasierter Nacken, südländischer Typ. Eine Personenbeschreibung, die auch auf den Angeklagten passt. Obwohl keiner der Zeugen während des Prozesses Besard H. sicher wiedererkannte, habe die Kammer „keine ernsten Zweifel, dass er es war“, so Hütt.
„Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand des gleichen Phänotyps mit der gleichen Kleidung aus diesem Hauseingang kommt?“ Und: Der Angeklagte sei sehr wandelbar, während er auf der Videoaufnahme sehr gepflegt und gestylt ausgesehen habe, habe er in der Verhandlung nur wenig Ähnlichkeit mit seinem Konterfei vom 14. September, das die Sicherheitskamera einfing.
Eine Zeugin gab indes vor Gericht an, sie könne den Angeklagten als Täter ausschließen. Allerdings habe sie die schlechteste Sicht auf die Tat gehabt. Die Aussage der Frau - für das Gericht „nicht belastbar“. Immer wieder geht ein Raunen durch die Reihen, in denen H.s Familie sitzt, eine Frau weint.
„Wir haben alle Aspekte geprüft und abgewogen, viel hinterfragt und Nachermittlungen angeordnet“, sagt Mirtha Hütt. Im Prozess sei ein besonders tragischer Fall aufgearbeitet worden. Beide Männer hätten großes Pech gehabt, täglich gebe es zahlreiche Vorfälle dieser Art, die mit blauen Flecken enden. Und doch wisse jeder, dass der Kopf der empfindlichste Körperteil eines Menschen sei. „Man hat kein Anrecht auf ein gesundes Opfer und einen glücklichen Ausgang.“
Verteidiger will Revision gegen das Urteil einlegen
Der Verteidiger des Mannes, der Mannheimer Rechtsanwalt Thomas Dominkovic, kündigte nach dem Verfahren an, Revision gegen das Urteil einlegen zu wollen. „Ich bin sehr enttäuscht über diese Entscheidung“, sagt er.
Dominkovic hatte auf Freispruch plädiert, die Staatsanwaltschaft hatte sechs Jahre Haft gefordert - wegen der Körperverletzung mit Todesfolge und weiterer Delikte - darunter Diebstahl, Beleidigung und Sachbeschädigung. Die Vorwürfe hatte der Angeklagte zu Beginn des Verfahrens eingeräumt.
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