Frankenthal. Ein tragischer Vorfall in Neustadt beschäftigt das Landgericht Frankenthal. Für die tödlichen Schläge gegen einen Jobcenter-Mitarbeiter im September 2023 muss sich seit heute ein 30-Jähriger verantworten. Dem Mann werden außerdem Diebstahl, Sachbeschädigung, Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen.
Das Medieninteresse ist groß, als der Angeklagte den Saal 20 des Landgerichts betritt. Die Handschellen muss er anbehalten. „Sie sollen in der Zelle nicht unbedingt nett gewesen sein“, begründete Mirtha Hütt die Maßnahme. Die Richterin hat den Vorsitz in dem Prozess, für den acht Verhandlungstage vor der Ersten Großen Strafkammer angesetzt sind.
Tod durch Hirnblutung, Hämatome an Bauch, Unterkiefer, Auge und Lippe
Der Hauptvorwurf gegen den 30-Jährigen wiegt schwer, der Kausalverlauf ist ungewöhnlich: Am 14. September soll der Angeklagte einen Jobcenter-Mitarbeiter in Neustadt so schwer verletzt haben, dass dieser kurz darauf starb. Laut Anklageschrift sei der Mann aus einem Hauseingang in der Hohenzollernstraße getreten und habe das spätere Opfer „an der Schulter touchiert“. Einem Wortgefecht sei ein „Frontkick“ in die Gesäßgegend gefolgt, darauf mindestens ein Faustschlag ins Gesicht. Hämatome an Bauch, Unterkiefer, Auge und Lippe habe die Tat hinterlassen.
„Er sah schlimm aus“, berichtete die damalige Lebensgefährtin. Von seinem Arbeitsplatz aus habe sie der Jurist angerufen und das Erlebte geschildert, woraufhin sie ihn am Bahnhof in Schifferstadt abholte. Im Marienkrankenhaus Ludwigshafen sollte ihr Freund untersucht werden – im Wartebereich zur Computertomographie brach er zusammen. „Seitdem war er nicht wieder ansprechbar“, erinnerte sich die sichtlich betroffene Hinterbliebene. Eine Hirnblutung führte drei Tage nach der Tat zum Tod des Opfers.
Blutgefäße bereits geschädigt, zweite Diagnose Leukämie
Der Befund der Ärzte brachte jedoch ein überraschendes Ergebnis: Bereits zuvor seien die Blutgefäße im Gehirn des 57-Jährigen beeinträchtigt gewesen. Die zweite Diagnose lautete Leukämie. Neben dem Einfluss der unentdeckten Vorerkrankungen stellt sich in dem Prozess die Frage nach der Beziehung zwischen Täter und Opfer. „Er kannte ihn nicht“, sagte die Ex-Freundin unter Bezugnahme auf das Telefonat kurz nach der Tat. Dennoch sei das Gebäude, aus dem der Angreifer getreten sei, als „Hartz-IV-Haus“ bekannt gewesen. Auch habe ihr Lebensgefährte Ordnungswidrigkeiten-Verfahren gegen Bewohner des Hauses bearbeitet.
Den Täter habe der Geschädigte als „jungen Mann mit Migrationshintergrund, dunklen Haaren und ausrasiertem Nacken beschrieben“ – Attribute, die auf den Angeklagten zutreffen, der auch in Videoaufnahmen einer Überwachungskamera zu erkennen ist.
Für die Annahme eines Zufallsopfers spricht die Aussage einer Zeugin, die sich zur Tatzeit auf dem Weg zu ihrem Auto befand. „Der Mann hat nur auf sein Handy geschaut und ist mit mir zusammengestoßen“, so habe es ihr der Verletzte noch erzählt. Sie selbst habe vorher beobachtet, wie beide sich auf der Straße stritten. Dann sei der Angreifer dem 57-Jährigen nachgelaufen, habe ihm zunächst einen Tritt und dann einen Faustschlag auf die linke Gesichtshälfte verpasst.
Angeklagter schweigt zu Tötungsdelikt, räumt aber weitere Vorwürfe ein
Während sich der Angeklagte zu dem Tötungsdelikt nicht einlässt, hat er die weiteren Vorwürfe eingeräumt. Über seinen Verteidiger Thomas Dominkovic aus Mannheim ließ er eine Erklärung verlesen: Demnach habe er am 15. September Kopfhörer in einem Elektromarkt gestohlen und am 27. Oktober im Haus seiner Großeltern randaliert, wodurch Sachschaden in Höhe von 4000 Euro entstand. Bei seiner Festnahme habe er Widerstand geleistet. Am gleichen Tag habe er bereits einen Zivilpolizisten beleidigt, den er zufällig in der Stadt getroffen und über den er sich geärgert habe.
„Voll drauf“ sei er an diesem Tag gewesen – in seinen Geburtstag habe er intensiv hineingefeiert: mit Kokain und Amphetaminen. Die Drogen bestimmten sein Leben, räumte der 30-Jährige ein, der in der JVA Frankenthal „nicht gut klarkommt“. Mit 13 habe er erstmals Cannabis konsumiert, mit 18 wechselte er zu härteren Substanzen.
Eine Berufsausbildung und eine Fortbildung hat er trotz guter Noten nicht abschließen können, zu seinen drei Kindern besteht kein Kontakt. In der Strafhaft möchte der mehrfach vorbestrafte Mann zukünftig arbeiten. Im Raum steht auch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Das Verfahren wird am 31. Mai um 9 Uhr fortgesetzt. Mit einem Urteil ist spätestens am 17. Juli zu rechnen.
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