Heidelberg. Die „Söhne Mannheims“ spielten sich hier für eine bundesweite Karriere warm, Boulevard Bou mit seiner „Strictly Urban Sound“-Reihe sorgte zwei Jahrzehnte für Partystimmung und Generationen von Musik- und Tanzfans aus der Stadt und dem Umland verbrachten hier heiße Nächte und Wochenenden. Doch vor fünf Jahren machte die „Nachtschicht“ in Heidelberg-Bergheim zu. Nun gibt es Gerüchte um eine Wiedereröffnung. Ist da etwas dran?
Das Gerücht, die „Nachtschicht“ könne wiedereröffnen, nährte eine Studierende beim Empfang für den frisch wiedergewählten Oberbürgermeister Eckart Würzner im Städtischen Theater Mitte Dezember 2022. Öffentlich bedankte sie sich für die Bemühungen der Stadt um die Clubkultur, und nannte explizit die „Nachtschicht“ im Zusammenhang mit einem Neuanfang.
Tanzschule zieht sich zurück
Bemüht sich die Stadt um eine Interims-Lösung des leerstehenden Gebäudes als Treffpunkt für junge Menschen? „Das ist ein Privatgebäude und wir haben dazu keine Infos“, erteilt ein Stadtsprecher der Nachfrage dieser Redaktion eine Absage.
Vor der Corona-Pandemie hatte es Pläne der Tanzschule Nuzinger gegeben, hier einzuziehen. Doch eine Erweiterung der benachbarten Tanzschule Nuzinger wird es in den seit Ende 2017 leerstehenden Räumen definitiv nicht mehr geben, bestätigt Geschäftsführer Ingo Schneckenberger dieser Redaktion auf Nachfrage. Der Auflösungsvertrag für die Anmietung sei bereits 2021 mit dem Eigentümer unterzeichnet worden. Es habe zuvor Verhandlungen mit dem Landfried-Besitzer gegeben, man sei aber zu keiner Einigung gekommen. Die Tanzschule plante, im ehemaligen Club unter anderem ein Restaurant und eine Zigarren-Lounge im Stil der 1920er-Jahre einzurichten.
Clubkultur
- Seit Jahren wird in Heidelberg besonders – aber auch anderswo – ein Sterben von Musikclubs beobachtet.
- Die Pandemie hat den Effekt verstärkt: Discos und Clubs waren die ersten, die schließen mussten und durften als letzte wieder öffnen.
- Seit zehn Jahren vertritt „EventKultur Rhein-Neckar“ die Interessen der Clubbetreiber, Livemusik-Spielstättenbetreiberinnen und Veranstalter in der Metropolregion.
- 2018 gab der Verein eine Analyse der Clubkultur in der Region in Auftrag.
Anfang 2018 hatte die Tanzschule in den aufwendig sanierten und denkmalgeschützten Räumen eines Sportstudios direkt neben der „Nachtschicht“ eröffnet und dafür nach damaligen Angaben 600 000 Euro investiert – zusätzlich zu den Aufwendungen der Eigentümer, die damals mit 1,1 Millionen Euro angegeben wurden. Doch bald kam die Corona-Pandemie, die Tanzschule musste vorübergehend schließen und Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Zwar laufe der Tanzstundenbetrieb inzwischen wieder gut an – „aber uns fehlen zwei Jahrgänge“, verweist Schneckenberger auf weiter schwierige Zeiten.
Nachtschicht - ein Ort, an dem Wahlsiege gefeiert werden
1998 feierte Beate Weber hier ihre Wiederwahl als Stadtchefin, 2006 tanzte Eckart Würzner nach seiner ersten OB-Wahl. Als Ende Dezember 2017 die allerletzte Party in der „Nachtschicht“ stieg, wollten viel mehr dabei sein als durften: Rund 1500 Menschen schickte die Polizei aus Sicherheitsgründen weg. Das Ende der „Nachtschicht“, für die der Mietvertrag nicht verlängert wurde, reihte sich ein in die Schließung anderer Musikclubs wie dem „Zieglers“ und „Schwimmbad Music Club“.
In sozialen Netzwerken existiert die „Nachtschicht“ indes noch: Auf „Facebook“ ist ein Kurzvideo zu sehen, das am 24. Januar 2018 eingestellt wurde und viel Staub zeigt und schwere Hammer schwingende Personen. „Der Rückbau der ,Nachtschicht’ neigt sich dem Ende zu“, heißt es dazu im Kommentar, „Erinnerungen verschwinden als Staub“. Doch was ist dran an dem Gerücht? Der Eigentümer der Location, die P. J. Landfried Immobilien, schüttelt jedenfalls mit dem Kopf: Eine „Nachtschicht“ in den bekannten Dimensionen werde es an dieser Stelle Bergheims ganz sicher nicht mehr geben, betonte ein Sprecher. Das ginge schon allein wegen der Parkplätze nicht, die man für eine solche Nutzung nachweisen müsste.
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Landfriedenkompklex ist Kleinod in Bergheim
Der Landfriedkomplex hat sich gerade in den vergangenen fünf Jahren zu einem Kleinod in Bergheim entwickelt. Noch in den 1980er-Jahren teils eine Industrieruine, haben hier inzwischen neben der Tanzschule Nuzinger mit ihrem öffentlichen Restaurant „Cottage Club“ und weiteren gepflegten Gastroangeboten das Interkulturelle Zentrum mit dem Ausländeramt der Stadt und das Jüdische Zentralarchiv in stilvoll modern-alt gehaltenen Sanierungen im Landfried ihre Adresse bekommen. Die SAP zog mit ihrem „App-Haus“ ein, eine private Kindertagesstätte freut sich über die zentrumsnahen Räume und das Taeter-Theater führt hier Inszenierungen auf.
1810 hatte der Geschäftsmann Philipp Jacob Landfried das Tabakunternehmen gegründet und zunächst einen Laden mit Lager in der Hauptstraße eröffnet. Doch der Kolonialwarenhandel florierte und bald auch der Handel mit heimischem Tabak. Um 1910 vergrößerte sich das Unternehmen auf dem Landfried-Areal – damals lag es noch vor den Toren der Stadt. Neben Zigarren wurde Rauch- und Kautabak hergestellt.