Heidelberg/Washington.. Der frühere und vielleicht künftige US-Präsident Donald Trump reckt kämpferisch die rechte Faust in die Luft, auf seiner Wange sind Streifen von Blut zu sehen: Dieses Bild geht nach einem Attentat bei einer Wahlkampfveranstaltung um die Welt. Welche Wirkkraft kann so ein Foto entfalten? Und steckt dahinter vielleicht sogar Kalkül? Das haben wir einen intimen Kenner der amerikanischen Zeitgeschichte gefragt. Jakob Köllhofer (kleines Bild), langjähriger Direktor des Deutsch-Amerikanischen Instituts (DAI) in Heidelberg und aktuell Programmverantwortlicher, beobachtet, dass Trump nicht nur ein Machtmensch ist, sondern vor allem ein Kenner und Nutzer der Medien-Spielregeln.
Ein 20-Jähriger soll am Samstag bei einer Wahlkampfrede im Bundesstaat Pennsylvania auf den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Trump geschossen und ihn am Ohr verletzt haben. Der mutmaßliche Attentäter ist von Sicherheitskräften sofort getötet worden. Über ein mögliches Motiv des jungen Amerikaners ist bislang nichts bekannt.
Sekunden nach den Schüssen scheint Trump sich den Security-Experten, die sich vor ihn stellen und von der Bühne retten wollen, entwinden zu wollen. Er sucht mit den Augen die Menge, reckt die rechte Hand hoch. Köllhofer möchte nicht ausschließen, dass es sich dabei „um eine eingeübte Pose“ handelt: „Die Öffentlichkeit und die Wahl-Jury sind da, das ist zu nutzen“, versetzt er sich in den Kandidaten. Beispiele von Attentaten, die politisch genutzt wurden, gebe es gerade in den 1920er- bis 1940er-Jahren auch in Europa. „Den Nazis genügte ein Kader von 25 000 Menschen, um das gesamte Land zu stürzen“, geht er auf die Bedeutung medialer Bilder ein. Und so muss sich Trump vielleicht vor einer Sängerin fürchten: Popstar Taylor Swift, die das Männer-Gehabe Trumps öffentlich anprangert, habe schließlich 78 Millionen Follower im Netz.
Brillant findet Köllhofer, wie Präsident Joe Biden in seiner Rede an die Nation reagiert habe. Er mahnte zu Sachlichkeit und erinnerte an die Grundregeln der Demokratie, zu denen es eben auch gehöre, gewählt oder nicht gewählt zu werden.
Symbolik erinnert an die Bibel - und passt zur Skrupellosigkeit
Zwei rote Streifen auf Trumps Wange, das Blut von der Verletzung am Ohr, erinnern an eine Kriegsbemalung. Ein Bild, das geeignet ist, haften zu bleiben, im individuellen und im Gedächtnis der Gesellschaft. „Er ist ein Gezeichneter“, diese Symbolik verweise auf die Bibel und knüpfe an das Bild von Jesus an: „Ich bin der, der sich für die Demokratie opfert“ sei die Grundaussage des Bildes. „Alles, was ihm dient, nimmt er an“, verweist Köllhofer auf andere Beispiele von Trumps Skrupellosigkeit. Wer sich entgegenstelle, werde „weggebissen“.
Wird das Foto, das während des Attentats entstand, Trump bei der Wahl helfen? „Es ist noch viel Zeit bis dahin“, wägt Köllhofer ab. „Ich glaube, dass die versöhnlicheren Töne am Ende wirksamer sein werden.“ Und den USA sei zu wünschen, dass sie wieder stärker zu den Werten ihrer Demokratie, der Gleichheit aller Amerikaner und dem Leben in Freiheit, zurückfinden. (Bild: Sarina Chamatova)
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