Region. Der „Tanz in den Mai“ steht nächste Woche an. Aber wohin, wenn das eigene Wohnzimmer zu klein ist? „Wenn man richtig Party machen will, muss man aus Heidelberg raus“, kommentierte Alina Maria, eine junge Frau, in der vergangenen Woche auf einer Heidelberger Facebook-Seite, nachdem diese Redaktion dort eine Umfrage gestartet hatte, wo man eigentlich abends in der Universitätsstadt noch bis tief in die Nacht feiern gehen kann.
Ein noch zugespitzteres Urteil kommt aus Neustadt an der Weinstraße, wo Christian Gärtner schreibt: „Hier werden um 18 Uhr die Bordsteine hochgeklappt.“ Schon vor der Pandemie waren sich in Speyer viele Menschen zwischen 20 und 40 Jahren einig: „Die Stadt ist abends tot, wenn die Restaurants schließen.“
Feiern gehen in Landau und Speyer: Clubs sind nach Corona vielfach dicht
Tatsächlich sind Weinstuben und Bistros bis 23 Uhr voll mit Menschen, die oft vor 1970 geboren sind. Die Clubs für jüngere Leute sind nach dürren Jahren hingegen vielfach dicht. Auch in der pfälzischen Unistadt Landau war zum Ende der Pandemie unter Studierenden ein leises Wimmern wahrnehmbar, weil Ausgehmöglichkeiten fehlen. Wenigstens das „Logo“ hält dort seit 30 Jahren die Fahne in der Xylanderstraße hoch, nachdem eine Rückkehr des in den 70er bis zu den 90er Jahren als legendär gefeierten Mash-Clubs zwar im Sommer 2023 diskutiert, aber bisher nicht umgesetzt wurde.
Die alternde Gesellschaft und die Verdrängung von Jugend- und Subkultur durch wohlhabende Haushalte in städtischen Quartieren (man spricht von Gentrifizierung) lassen sich links und rechts des Rheins seit Jahren in ihrer reinsten Form beobachten. Nachtleben, ja bitte, aber nicht vor meiner Haustür. Zum Beispiel Lärmbeschwerden haben Clubbetreiber mürbe gemacht. Und Corona hat dazu beigetragen, dass viele Betreiber, die seit Jahren kämpften, entgeistert aufgaben. „Schlafstädte“ schimpfen Jugendliche, die der Provinz frustriert den Rücken gekehrt haben - nach München, Hamburg oder Berlin.
Ziegler in Heidelberg geschlossen
Speyer, der Legende nach über viele Jahre bundesweit führend in der skurrilen statistischen Erhebung „Zapfhähne pro Einwohner“, hat jetzt vor allem eines - Eiscafés zwischen Dom und Altpörtel.
Als Anfang 2023 mit dem „Café Durchbruch“ in der Schustergasse der letzte richtige innerstädtische Club für Menschen zwischen 18 und 50 vorübergehend die Türen schloss, waren sogar gleich zwei Generationen von Speyerern ratlos. In Heidelberg war das Ziegler aus dem Nachtleben nicht wegzudenken, nun ist es schon dreieinhalb Jahre zu. Jetzt gibt es aber neue Hoffnung.
Auswahl an Clubs und Dancefloors in der Region
- Karlstorbahnhof (Marlene-Dietrich-Platz 3, HD)
- Halle 02 (Zollhofgarten 2, HD)
- Club 1900 (Hauptstraße 117, HD)
- Toniq (Hauptstraße 1, HD)
- Villa Nachttanz (Im Klingenbühl 6, HD)
- Basement (Carl-Theodor-Straße 7, Schwetzingen)
- MusicHall Oppau (Kirchenstraße 12, LU)
- Musikpark (Berliner Platz 1, LU)
- Walzensaal im Industriehof (Franz-Kirrmeier-Straße 19, SP)
- Café Durchbruch (Schustergasse 10, Speyer
- Halle 101 ( Am Neuen Rheinhafen 6, Speyer)
- Soku Neustadt (Winzinger Straße 10, Neustadt/Weinstraße)
- Logo (Xylanderstr. 2, Landau)
- Gleis 4 (Johann-Klein-Straße 22, Frankenthal) sal
In der Metropolregion noch Clubs zu finden, die ein relativ breites Spektrum an Musikgeschmäckern abdecken, ohne sich dabei vom Malle-Schlager zum Ibiza-Hit zu hangeln, ist nicht einfach. Vorbei sind die Zeiten, da der Heidelberger Schwimmbadclub in einem Gebäude auf drei Ebenen irgendwie vieles miteinander verband. Zigarillo, Nachtschicht - das sind Geschichten aus dem vergangenen Jahrtausend.
Oppauer Music Hall eine der ältesten Diskotheken in der Region
Das Loft in Ludwigshafen war auch ein Ort, an dem vieles möglich war. Es schloss unter großem Schluchzen im Oktober 2020 seine Türen für immer zu. Acht Monate zuvor hatte in der Neustadter Turmstraße die Musikwerkstadt (Muwe) in den früheren Räumen der einstigen Kult-Diskothek Madison dicht gemacht.
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Im Norden Ludwigshafens liegt die Oppauer Music Hall, die mit ihrem über 40-jährigen Bestehen eine der am längsten existierenden „Diskotheken“ in der Region darstellt. Am vergangenen Freitagabend hat dort mal wieder eine Depeche-Mode-Party mit 80er-Jahre Synthie-Pop stattgefunden, und es sind mehr als 150 Gäste gekommen. Jürgen Wolff, der Betreiber, kann sich auf sein Publikum verlassen. Zwar zwangen ihn die Nachbarn schon vor rund 30 Jahren, Live-Musik bleiben zu lassen, aber in der Sparte Rock und Pop ist die Music-Hall in Oppau eines der letzten Überbleibsel aus dem vergangenen Jahrtausend. „Wir sind nach wie vor relevant“, sagt Wolff mit Blick auf die Besucherzahlen und das geschätzte Durchschnittsalter des Publikums, das zwischen 40 und 55 Jahren liegt.
Im suburbanen Industriehof wird wieder gefeiert und getanzt
In der Schwetzinger Innenstadt hat Marcel Kästel im September 2023 das Basement eröffnet, das sein Heil vorwiegend in der House- und Techno-Szene sucht. Seltener finden hier Ü30-Partys statt. Kurzum: Die Zeiten, in denen es in jeder größeren Stadt in der Region mehrere Optionen gab - sie sind vorbei. Ausdruckstänzerinnen, Pogo-Enthusiasten oder Headbanger haben die Dancefloors meist lange verlassen. Techno regiert wieder - wie Anfang der 90er.
Umso überraschender und hoffnungsvoller mutet das Konzept der Speyerer Eventagentur Foonax an. Ein Teil des Unternehmens hat sich tatsächlich der musikkulturellen Bereicherung des Nachtlebens in der Domstadt verschrieben - und der Anfang fühlt sich ganz okay an.
Im suburbanen Industriehof unweit des Rheinufers wird seit rund neun Monaten an Wochenenden nachts wieder gefeiert und getanzt. René Neumann (29) leitet den Walzensaal - so heißt die die alte Montagehalle. Freitags und samstags ist die Bude meist voll, und es sind immer unterschiedliche Alters- und Geschmacksrichtungen, die sich angesprochen fühlen dürfen.
Wenn DJ Flö bei „Babbel und Zabbel“ auflegt, unterscheidet sich das sehr grundlegend vom Techno-Set des 19-jährigen Glen Banks, der auch schon „Das Zimmer“ in den Mannheimer Quadraten zur Extase gebracht hat. Rock, Techno, Disco, Hip Hop, Indie - jeder bekommt ein- bis zweimal im Monat seinen Abend, und meistens gehen die rund 200 Gäste recht zufrieden nach Hause. Ein Vorteil ist der direkt neben dem Walzensaal gelegene Industriehofgarten. Hier legen an Wochenenden mit schönem Wetter schon am Nachmittag DJs Musik auf. Der Übergang in den „Club“ , gestaltet sich dann im Optimalfall geradezu fließend. Am Freitag heißt es dort ab 20 Uhr „Bock auf Rock“? Es könnte ein vorgezogener Tanz in den Mai sein, wenn ansonsten Totentanz in den Innenstädten herrscht...
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