Heidelberg. Er ist wie beim Meer und dem Himmel: Der neue „Energie- und Zukunftsspeicher“ der Heidelberger Stadtwerke ist blau, aber das Blau sieht immer anders aus. Mal zartes Hellblau, mal Azurblau, mal fast ein Grau: Je nach Licht und Wetter verändert der mit Tausenden Litern heißem Wasser gefüllte Eisenturm scheinbar sein Äußeres. Voraussichtlich Ende 2022 soll die riesige Thermoskanne zum Kaffeetrinken einladen. Dann öffnen nämlich in rund 55 Metern das öffentliche Café und das Restaurant.
Oberbürgermeister Eckart Würzner, Michael Teigeler, Geschäftsführer der Stadtwerke Heidelberg Energie, sowie Projektleiter Heiko Faulhammer haben jetzt Medienvertretern die bisherigen Fortschritte beim Aufbau des Dachs am Energie- und Zukunftsspeicher vorgestellt.
Schillerndes Bauwerk
Übersehen kann man das Bauwerk längst nicht mehr. Selbst aus dem Neckartal und aus Rohrbach kann man den blauen Turm erkennen. „Blau“ kommt übrigens vom Althochdeutschen „blao“. Das steht für „schimmernd und glänzend“. Und schillernd soll der Pfaffengrunder Turm, der an der Stelle des 1985 abgerissenen Gasspeichers gebaut wurde, spätestens mit der netzartigen Fassade sein, an die Metallplättchen geknüpft sind.
Gerade einsteht die „Krone“, an der sowohl das Netz als auch eine frei schwingende Wendeltreppe aus Metall aufgehängt wird – für all diejenigen, die schwindelfrei sind und vor dem Kaffeetrinken noch eine Bewegungseinheit absolvieren wollen. Die „Krone“ hat schon 15 von 16 „Zacken“: Jede dieser Stahlstützen ist zwischen elf und 15 Meter lang. Seit August werden sie in 40 Metern Höhe montiert – die Techniker werden jeweils mit einem Kran an ihren Arbeitsplatz gehievt. Nun fehlt nur noch eine Stahlstütze.
Engpässe auf dem Baumarkt haben für Verzögerungen beim Bau der Außenfassade und des Dachs gesorgt. „Wir freuen uns nun sehr, dass die Arbeit vorangeht“, sagt Teigeler. „Viele Interessierte aus dem Pfaffengrund und darüber hinaus fragen uns immer wieder, wann das Gebäude für die Allgemeinheit öffnet.“
Thermoskanne mit Krone
Die Hülle des Warmwasserspeichers besteht aus je zehn Meter langen und 3,20 Meter breiten Stahlplatten – insgesamt wiegt 800 Tonnen.
Der Turm fasst 20 000 Kubikmeter Wasser – das entspricht einer Badewannenfüllung (125 Liter) für jeden der rund 160 000 Heidelberger.
Auf dem Dach entsteht gerade eine „Krone“: Die Stahlträger, an denen die Netzfassade aufgehängt wird und das Stahlgerüst für das Restaurant wiegen 260 Tonnen, der Stahlbau der Helixtreppe weiteren 100 Tonnen.
An dem Stahlaufbau wird schon gearbeitet. Der Bau der Aufzugschächte steht als Nächstes auf dem Programm. Im Februar sollen die Lifte fertig sein, die auch nicht Schwindelfreie nach oben bringen. Für das Frühjahr wird die netzartige „zweite Haut“ des Zylinders erwartet. Voraussichtlich noch in diesem Jahr verankern Fassadenkletterer über dem 25 Meter breiten Turm die Befestigungen dafür.
Das Restaurant solle „das zweite Wohnzimmer“ der Pfaffengrunder werden und auch mal den Ausblick gewähren, ohne dass der Besucher gleich etwas konsumieren müsse. Die Ausschreibung für den Gastronomiebetrieb sei kurz vor der Veröffentlichung.
Größerer „Bruder“ in Mannheim
Der Bau ist einzigartig. „So ist auch die Krone, die ein Teil des Gewichts vom Seilnetz tragen wird, eine große statische Herausforderung“, sagte Projektleiter Faulhammer. „Daher ist es gut, dass wir einen der besten Statiker für die Umsetzung gewinnen konnten.“ Knut Stockhusen von „schlaich bergermann partner (sbp)“ aus Stuttgart hat schon Preise für sehr spezielle internationale Projekte erhalten; zuletzt für das Stadion Wanda Metropolitano in Madrid sowie für das Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro. Der Fassadenentwurf stammt vom Berliner Tobias Walliser, Professor für Architektur in Stuttgart, er hatte den Architekturwettbewerb für sich entschieden.
Maximal 199 Personen werden aus Sicherheitsgründen gleichzeitig auf der Plattform den Blick in die Ferne schweifen lassen dürfen. Die Öffnungszeiten entsprechen denen der Gastronomie.
Rund zehn Millionen Euro hat das städtische Tochterunternehmen bereits bis 2019 in den Stahlturm investiert. Der Heidelberger ist der „kleine Bruder“ eines Mannheimers: Während das Wärmedepot dort – ein 36 Meter hoher und 40 Meter dicker Stahlbehälter – aber am Rheinufer ein wenig „versteckt“ wird, ist der neue Speicher in Heidelberg stolz vorgezeigter Baustein der „Energiekonzeption 2020/2030“ der Stadtwerke. 100 Meter weiter wird gerade das Fundament gelegt für eine KWK-Anlage (Kraft-Wärme-Kopplung).
Von oben wird bis zu 115 Grad heißes Wasser eingefüllt, von unten etwa 65 Grad warmes Wasser aus der „Kaltzone“ abgepumpt. Die riesige „Thermoskanne“ soll Zeiten abfedern, in denen (aus regenerativen Quellen) mehr Strom gewonnen als verbraucht wird. Spätestens wenn die Mannheimer Fernwärme wie vorgesehen ausschließlich aus regenerativer Energie besteht, wäre auch der blaue Turm schließlich sogar richtig schön „grün“.
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