Instandhaltung

Röntgenblick ins Innenleben der Heidelberger Bergbahn

Die Heidelberger Bergbahnen fahren derzeit nicht: Sie werden einer gründlichen Revision unterzogen. Was das heißt, verrät der Blick hinter die Kulissen.

Von 
Joachim Klaehn
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Die beliebte Heidelberger Bergbahn wird derzeit einer gründlichen Revision unterzogen. © Jegliche Verwendung ist honorarpflichtig und nur zu journalistischen/publizistischen Zwecken gestattet.

Heidelberg. Der Blick fällt unter den Wagen der modernen Bergbahn, die in der Station Molkenkur an Stahlträgern, Halterungen und Kettenzügen hängt. Das „normale“ Leergewicht eines Wagens der unteren Bahn beträgt 13,95 Tonnen – noch „schwebt“ dieser in der Luft. Doch das Chassis wird an diesem kühlen Februartag seine Seiltrommel und die beiden voneinander getrennten Fahrwerke zurückerhalten. Dafür müssen vier Spezialisten des Schweizer Seilbahn-Weltmarktführers Garaventa, acht Mitarbeiter der für die beiden Bergbahnen zuständigen Stadtbetriebe Heidelberg und ein Kranführer der Schwerlastfirma Karl Scholl GmbH ganze Arbeit leisten. Ein Höchstmaß an Konzentration ist unabdingbar.

Heidelberger Bergbahnen

Betriebsführung: Heidelberger Straßen- und Bergbahn GmbH;

Betreiber: Stadtbetriebe Heidelberg; Betriebsleiter Bergbahnen: Damian Kampka

Zuständige Fachfirmen bei Revisionsmaßnahmen: Frey AG Stans (elektrische Steuerung); Garaventa, Tochter von Doppelmayr (Mechanik); Carvatech GmbH (Kabinenbau)

Daten: Länge Molkenkurbahn: 471 Meter/Königstuhlbahn: 1020 Meter; Steigungen : Bis zu 43/41 Prozent; Leergewicht : 13,95 Tonnen/7,5 Tonnen; Seildicke : 47 mm mit Kupferkern/30 mm; Geschwindigkeit : 5 m/s - 18 km/h/2 m/s - 7,2 km/h

Große Revision 2025: 7. Januar bis 28. März; voraussichtliche Wiedereröffnung: 29. März

Webseite: www.bergbahn-heidelberg.de. jog

Wir haben einen Exklusivtermin. Hinter die Kulissen schauen zu dürfen, ist stets spannend. Erst recht, wenn es sich um eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten von Heidelberg handelt, die aus dem Stadtbild ähnlich wie etwa das Schloss, die Alte Brücke, Markt- und Universitätsplatz nicht wegzudenken ist. Zwischen dem 7. Januar und dem 28. März steht die Bergbahn länger still, denn zyklisch findet derzeit deren große Revision statt. Alle sechs Jahre wird die untere, alle zehn Jahre die obere historische Seilbahn akribisch untersucht. Im 30-Jahre-Rhythmus fallen die Termine zusammen – so wie 2025 eben.

Revision der Heidelberger Bergbahn: Jeder Handgriff muss sitzen

Szenenwechsel, Station Schloss: Seiltrommel, Fahrwerkteil eins und zwei werden der Reihe nach x-fach gesichert und von der Lkw-Ladefläche auf die Gleise gesetzt. „Guat“, „a bissli nach links, gäll“, ruft die junge Schweizerin ihrem Auszubildenden zu. Viel ist vom schwyzerdütschen Dialekt nicht zu verstehen, doch die Kommandos und Fingerzeige sind klar. Jeder Handgriff muss sitzen. „Bei einer Seilbahn dürfen keine Fehler passieren“, sagt Damian Kampka, seit Juli 2023 Betriebsleiter der Bergbahnen, „wir tragen alle eine große Verantwortung und tun alles, um die Sicherheit hochzuhalten.“

Das Fahrwerk der neuen unteren Bahnen, die mittlerweile 20 Jahre alt sind, wurde in der Schweiz inspiziert und überholt. Mit LKW und Kran ging jetzt der Rücktransport auf die Schienen am Berg oberhalb der Haltestelle Schloss über die Bühne. © Jegliche Verwendung ist honorarpflichtig und nur zu journalistischen/publizistischen Zwecken gestattet.

Safety first! Dem wird in Deutschland alles untergeordnet. Einmal im Jahr kommt das Regierungspräsidium Freiburg in Heidelberg zur Stippvisite vor Ort vorbei. Auflagenkontrollen, Sicherheitschecks und Abnahmeprotokolle zählen zum Portfolio, das Regierungspräsidium ist für die Einhaltung des Landesseilbahngesetzes Baden-Württemberg zuständig. Die Heidelberger Bergbahnen gelten als topzuverlässig, befinden sich laut Behörden im „betriebssicheren Zustand“.

In der Schweiz wurden die Fahrwerke bis ins allerkleinste Bauteil zerlegt

Warum? Seit dem Umbau 2004/2005 mit den neuen Wagen der Molkenkurbahn und den renovierten Wagen der Königstuhlbahn sind die Abläufe der großen wie kleinen Revisionen klar geregelt. Betriebsleiter, drei stellvertretende Betriebsleiter und vier Maschinisten kennen jedes Detail. Bei der Generalüberholung der unteren Bahn wurden die Fahrwerke beider Wagen separiert und zur Überprüfung zu Garaventa, einem Tochterunternehmen von Doppelmayr, transportiert. In der Schweiz werden sie bis ins allerkleinste Bauteil zerlegt. Mit induktiven Magnetmessungen und Spezialgeräten wird alles millimetergenau gescheckt. Roststellen, Haarrisse, Lack- oder Stahlschäden – der Röntgenblick ins Innenleben der Bergbahn-Fahrwerke aus Heidelberg ist ein Muss.

Betriebsleiter Damian Kampka erläutert, was geschieht. © Jegliche Verwendung ist honorarpflichtig und nur zu journalistischen/publizistischen Zwecken gestattet.

Zurück hoch zur Station Molkenkur: Die Beherrschung der technologischen Parameter rücken Betriebsleiter Damian Kampka sowie die Stellvertreter Martin Grünfeld, zuständig für den mechanischen Part, und Thaddäus Kotzar, verantwortlich für die elektronische Steuerung, in den Vordergrund. Wenngleich die Molkenkurbahn (5 Meter/Sekunde) und insbesondere die Königstuhlbahn (2 Meter/Sekunde) mit 18 beziehungsweise 7,2 Stundenkilometern den Berg auf einer Strecke von rund 1,5 Kilometern gemütlich erklimmen, so sind dennoch die Bremssysteme und die Seile von zentraler Bedeutung.

Warum für den Bremsentest bei der Heidelberger Bergbahn Sandsäcke nötig sind

Die normale Betriebsbremse ist zwischen dem Motor und Getriebe eingebaut. Sie wird ständig getestet, gemessen und feinjustiert. „Wir beladen die Bahnen voll mit Sandsäcken und dann stellen wir die Bremse exakt ein“, berichtet Damian Kampka. Zusätzlich gibt es eine Sicherheitsbremse, die mit dem riesigen Antriebsrad gekoppelt ist. „Das ist gewissermaßen die letzte Instanz. Bei einem Schlaffseil würde die Fangbremse mit ihren Backen auf der Keilkopfschiene sofort und extrem greifen“, ergänzt Thaddäus Kotzar. Das über eine halbe Tonne schwere Standseil liege stets auf Rollen, werde mit dreieinhalb Umdrehungen um die Seiltrommel, im Fachjargon auch „Poller“ genannt, herumgewickelt und halte bei guter Wartung ewig.

Das Fahrwerk der neuen unteren Bahnen wurde in der Schweiz inspiziert und überholt. Mit LKW und Kran ging jetzt der Rücktransport auf die Schienen am Berg oberhalb der Haltestelle Schloss über die Bühne. © Jegliche Verwendung ist honorarpflichtig und nur zu journalistischen/publizistischen Zwecken gestattet.

Wenn die Mitarbeiter des Bergbahnbetriebs über ihr Tagesgeschäft erzählen, dann spürt man – neben all der Planung und Präzision – eine hohe Identifikation mit diesem historischen Fortbewegungsmittel (1890 eröffnet), das unverändert eine optimale Versorgung des öffentlichen Nahverkehrs leistet. Schneller, sicherer, attraktiver und romantischer geht’s nicht hoch zum Panoramablick auf den Königstuhl. „Sowohl die Technik als auch das gesamte Drumherum der Bergbahnen sind eine permanente Herausforderung“, sagt der Betriebsleiter, Technikmeister und studierte BWL’ler Kampka aus Mannheim, „sie ist etwas Einzigartiges – Erlebnis und Touristenattraktion in einem.“

Technik aus drei verschiedenen Jahrhunderten

Sinnbildlich stehen die Heidelberger Bergbahnen für Zuverlässigkeit beim Reisen, Beherrschung von Technik aus drei verschiedenen Jahrhunderten und letztlich für Entschleunigung pur. Die Rückkehr nach der großen Revision 2025 ist gewiss. Noch diese Woche kommen Fahrwerke und Seiltrommel des zweiten Wagens der moderneren Molkenkurbahn vom eidgenössischen „TÜV“ zurück. Mit den historischen Wagen der Königstuhlbahn, die komplett zu den Schweizer Firmen transportiert wurden, ist Mitte März zu rechnen. Und Ende des Frühlingsmonats werden sie wie seit jeher wieder auf den originalen Keilkopfschienen auf ihren Spurkranz- und Walzenrädern laufen.

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