Heidelberg. Das könnte die endgültige Wende im seit Jahren wütenden Streit um den Alten Kohlhof in Heidelberg sein: Ein im Verfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe beauftragtes Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass ein wirtschaftlicher Betrieb einer Gastronomie an dem Standort auf dem Königstuhl nicht möglich ist. Damit hat die Familie Hofbauer, die das Anwesen im Sommer 2015 erworben hatte und dort das Sterne-Restaurant „Oben“ betreibt, in der Auseinandersetzung mit der Stadt Heidelberg von Anfang an argumentiert. Wie mehrfach berichtet, vertritt die Stadt die Auffassung, dass die Eigentümer mit dem Kauf des Alten Kohlhofs auch eine im Grundbuch verankerte Pflicht zum Betrieb einer Gaststätte übernommen und in der Folge gegen diese verstoßen haben. Ein Restaurantbetrieb sei deutlich zu spät erfolgt. Der Gemeinderat beauftragte die Verwaltung 2016 mit dem Rückkauf. 2017 reichte die Stadt Klage ein. Das Verfahren läuft noch.
Das nun erstellte Gutachten, das dieser Redaktion in Auszügen vorliegt, bekräftigt die Position der Familie Hofbauer. In der mehr als 60 Seiten umfassenden Analyse des vereidigten Sachverständigen Giancarlo Bethke wird „dem Standort trotz der historischen Bedeutung und der Lage keine erfolgversprechende Aussicht zur nachhaltigen Führung eines gastgewerblichen Betriebes zugesprochen“. Dafür würden im Wesentlichen „die bestehende Wettbewerbssituation in der nahe liegenden Stadt Heidelberg, der Ausstattungsstandard und der saisonale Nachfrageverlauf“ sprechen, so die Schlussfolgerung.
Dabei seien sowohl eine gastronomische Nutzung als À-la-carte-Restaurant beziehungsweise Ausflugsgaststätte als auch eine gastronomische Nutzung mit Beherbergungsangebot untersucht worden – und zwar unter den räumlichen Gegebenheiten, die beim Kauf im Jahr 2015 bestanden. „Hinsichtlich der zu beantwortenden Beweisfrage“ – nämlich der Behauptung der Eigentümer, dass ein Lokal nicht wirtschaftlich betrieben werden könne – „ist festzustellen, dass keine der im Nachgang der Analyse identifizierten erfolgversprechendsten Betriebsführungen ein nachhaltig wirtschaftlich tragfähiges Betriebskonzept abgibt“, heißt es.
Ermessen falsch ausgeübt?
Somit ist anzunehmen, dass die Stadt bei der Klage auf Rückkauf ihr Ermessen falsch ausgeübt hat. So zumindest hatte es ein Sprecher des OLG vor der Anfertigung des Gutachtens für den Fall des jetzt eingetretenen Ausgangs angedeutet. Auf Nachfrage bestätigt der Sprecher nun, dass das Sachverständigengutachten am 26. Januar beim OLG eingegangen ist. „Die Parteien haben jetzt Gelegenheit zur Stellungnahme“, erklärt er. Ein weiterer Verhandlungstermin sei in der Sache noch nicht bestimmt worden.
Die Eigentümer des Alten Kohlhofs sehen sich durch das Gutachten bestätigt. „Ein erstes, 2016 von uns vorgelegtes Gutachten wurde von der Stadt als Gefälligkeitsgutachten abgetan und nicht berücksichtigt. Das zweite, Anfang 2017 von uns vorgelegte Gutachten der vereidigten Sachverständigen Hogarat wurde als zu spät vorgelegt bezeichnet und ebenfalls nicht berücksichtigt. Beide Gutachten kommen zu demselben Ergebnis wie das nun vorliegende Gutachten“, sagt Michael Hofbauer auf Anfrage. „Wir hoffen deshalb sehr, dass nunmehr das Verfahren rasch abgeschlossen werden kann und die Stadt ihre Klage zurücknimmt, um weitere Kosten für die Steuerzahler zu vermeiden.“ Die Stadtverwaltung gibt mit Verweis auf das laufende Verfahren keine Stellungnahme ab.
Hofbauer versichert Fortbetrieb
Michael Hofbauer weist darauf hin, dass die umstrittene, im Grundbuch niedergeschriebene Betreiberpflicht ohnehin im Juni dieses Jahres auslaufen würde. Kritischen Stimmen, wonach das inzwischen hoch dekorierte Sterne-Restaurant „Oben“ wieder geschlossen werde, sobald sich die Möglichkeit dafür bietet, widerspricht Hofbauer. „Wir möchten betonen, dass wir aus Verantwortung unseren Mitarbeitern und Gästen gegenüber, die uns in den vergangenen fünf Jahren unterstützt haben, das Restaurant auch über den 15. Juni 2022 hinaus betreiben werden.“ Und das, obwohl der Betrieb mehr Kosten verursache, als er Einnahmen generiert.
Das Zivilverfahren um die Bewirtschaftung des Alten Kohlhofs läuft seit 2017. Im Juni 2019 gab das Landgericht Heidelberg der Familie Hofbauer in allen Punkten recht. Die Verwaltung ging nach Beschluss des Gemeinderats in Berufung.
Chronologie
Die Familie Hofbauer hat den Alten Kohlhof im Sommer 2015 erworben – laut Stadt unter der Voraussetzung, dort ein Lokal zu betreiben.
Als sich dies nicht abzeichnete, regte sich Widerstand. Der Gemeinderat beauftragte die Verwaltung mit dem Rückkauf des Anwesens, 2017 wurde Klage eingereicht.
Nach Angaben der Eigentümer ist seit Anfang 2017 das Restaurant „Oben“ in Betrieb. Es wurde unter anderem mit dem Michelin-Stern ausgezeichnet. Am Sonntag, 20.15 Uhr, ist das Lokal in der VOX-Sendung „Kitchen Impossible“ zu sehen.
In dem Zivilstreit gab das Landgericht Heidelberg im Juni 2019 der Familie Hofbauer in allen Punkten recht. Die Stadt ging in Berufung, das Verfahren landete beim Oberlandesgericht Karlsruhe.
Ein dort beauftragtes Gutachten kommt nun zu dem Schluss, dass ein wirtschaftlicher Gastronomiebetrieb im Alten Kohlhof nicht möglich ist.
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