Ausstellung - Plakate, Platten und T-Shirts erinnern bis zum 7. Juni an Heidelbergs Rolle als Wiege des deutschen Hip-Hop

Rap-Forschung am Lehrstuhl?

Von 
Eduard Ebert
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Heidelberg. Im Herbst 1992 wird die Heidelberger Hip-Hop-Gruppe Advanced Chemistry in ganz Europa bekannt. Kurz nach den rassistischen Ausschreitungen in Rostock veröffentlichen die Musiker das Lied „Fremd im eigenen Land“, mit der die Rapper Toni Landomini („Toni-L“) und Frederik Hahn („Torch“) nicht nur einen Nerv treffen, sondern auch den Hip-Hop nach Deutschland bringen. Nun feiern die gebürtigen Heidelberger mit einer Ausstellung ein Vierteljahrhundert deutsche Rapgeschichte im Café Leitstelle im Kultur- und Kreativwirtschaftszentrum „Dezernat 16“ – mit mehr als 100 Exponaten, darunter Shirts, Platten und Plakate.

Differenzen mit Stadt

Die Ausstellung sei nur ein Puzzlestück in einem größeren Bild, erzählt Landomini. Ursprünglich soll der Rapper Torch im Jahr 2011 die Idee eines Hip-Hop-Archivs ins Spiel gebracht haben, als seine Sammlung von mehreren Stiftungen und Museen angefragt wurde. Nachdem der Gemeinderat beschlossen hatte, die Idee weiterzuverfolgen, verliefen die Pläne zunächst im Sand. Es gab zu viele Differenzen zwischen der Stadt und den Rappern. Acht Jahre später geht für Letztere ein Traum in Erfüllung: Die Sammlung soll bald an das Stadtarchiv übergeben werden, um die Exponate vor dem Verfall zu schützen.

Das sei „ein wesentlicher Schritt zur Wertschätzung von Hip-Hop in Heidelberg“, sagt der schweizerisch-kanadische Sprachwissenschaftler Bryan Vit, der die Ausstellung organisiert und gestaltet. Vit ist selbst Rapper und beschäftigt sich unter anderem in seiner Doktorarbeit mit dem Thema. 2014 hat er Torch und Toni-L zu einer Hip-Hop-Ringvorlesung an die Universität Bern eingeladen. Das Archiv sei nur Teil einer größeren Reise, die in einem Museum münden könnte. Dazu gebe es allerdings noch keine konkreten Pläne: „Das Museum ist Zukunftsmusik, aber wir wollen in diese Richtung arbeiten.“ Vit hofft, dass auf Basis des Archivs nicht nur ein Museum errichtet werden kann, sondern auch ein Forschungs- und Bildungsinstitut mit eigenem Lehrstuhl. „Das wäre ein Weg, um mehr Wertschätzung zu zeigen.“

Mehr als Wissen vermitteln

Als Ort für das Institut käme zwar für die Grünen der Karlstorbahnhof in der Altstadt infrage, der demnächst in die Südstadt umzieht. Bryan Vit verneint dies jedoch auf Nachfrage: „Wir müssen erst mal sehen, welche Museen auf uns zukommen. Das Museum muss nicht mal in Heidelberg sein.“ Einen konkreten Eröffnungszeitpunkt gebe es ebenfalls noch nicht.

Mit dem Archiv möchten die Rapper mehr als bloß Wissen vermitteln. Vit sieht seine Verantwortung als Wissenschaftler darin, Wissen erfahrbar zu machen. Daher laute die Idee hinter dem Institut, Fähigkeiten zu vermitteln – beispielsweise Gefühle auszudrücken, Texte zu schreiben, zu verinnerlichen und vorzuführen. Für die Szene sei dies sowohl eine Möglichkeit, „urbane Geschichtsschreibung“ festzuhalten, als auch ein Raum, um Kinder- und Jugendarbeit zu betreiben.

Die Schau

  • Die Ausstellung findet vom 25. Mai bis zum 7. Juni im Café Leitstelle im Kultur- und KreativwirtschaftszentrumDezernat 16“ in der Emil-Maier-Straße 16 statt.
  • Das Café Leitstelle ist werktags ab 10 Uhr geöffnet.
  • Präsentiert werden Shirts, Plakate und Platten aus drei Jahrzehnten von verschiedenen Rappern des Labels „360˚ Records“.
  • Das Label wurde 1994 von Torch und Toni-L mitbegründet, die sich in ihren Liedern unter anderem mit ihrer Identität als Deutsche mit Migrationshintergrund beschäftigt haben.
  • Dazu werden fast täglich weitere Veranstaltungen wie beispielsweise Workshops und Live-Beatsets angeboten. Am Samstag, 1. Juni, gibt es ab 16 Uhr „Hip Hop Studies“ mit Frederik Hahn (Torch) und Bryan Vit. Der Eintritt ist frei.
Kultur

Hip-Hop Ausstellung in der Leitstelle

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Freier Autor Stipendiat der Journalisten-Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung Frührechercheur bei der Deutschen Presse-Agentur

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