Mannheim

Prozess um mit Antidepressivum vergiftetes Baby: „Nya kommt nie wieder“

Ein 24-Jähriger aus Viernheim ist wegen Mordes angeklagt, weil er seine 17 Monate alte Tochter vergiftet haben soll. 90 Minuten versuchte der Rettungsdienst Nya zu reanimieren. Was der Angeklagte sagt

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Agnes Polewka
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Das Schwurgericht um den Vorsitzenden Richter Gerd Rackwitz (Mitte). Der Angeklagte betrat den Raum erst, nachdem Fotografen den Saal verlassen hatten. © dpa/ Anspach

Mannheim/Viernheim. Am 20. Februar 2021 wurde Nya geboren. Ihre Eltern lernten sich im Internet kennen, ihre Mutter zog aus Norddeutschland in die Region, wurde schnell schwanger. Mit ihr, Nya. Doch zwischen den Eltern kriselte es, sie trennten sich. Nya wuchs bei ihrem Vater auf, der zurück in sein Elternhaus nach Viernheim zog. Nya ging in die Krippe, in der ihre Großmutter als Erzieherin arbeitete. Sie war gesund, ein normales kleines Mädchen. Am 10. Juli 2022 starb Nya. Sie wurde vergiftet, mit einem Antidepressivum.

Vater soll Tochter mit Antidepressivum vergiftet haben

Am Freitag hat vor dem Mannheimer Landgericht der Prozess gegen ihren Vater begonnen. Kevin G. soll seine 17 Monate alte Tochter getötet haben, indem er ihre Milch mit dem Medikament Trimipramin versetzte. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord vor.

Ich bin verantwortlich für den Tod meiner süßen Tochter
Kevin G. Angeklagter

„Ich bin verantwortlich für den Tod meiner süßen Tochter“, sagt Kevin G. am Freitag. Seine Verteidigerin Inga Berg verliest eine Erklärung, die sie gemeinsam mit ihrem Mandanten verfasst hat. Er habe ihren Tod nicht gewollt, sagt der 24-Jährige. Seine Schultern beben, immer wieder verzieht er das Gesicht.

„Alles, was ich anfasse, wird zum Desaster“, heißt es in der Erklärung weiter. Deshalb habe er am 10. Juli sein Leben beenden wollen. Mit einem Messer, das er sich aus der Küche holte und das er unter seinem Kopfkissen ablegte. Um zu verhindern, dass Nya etwas davon mitbekommen könnte, habe er ihr eine Tablette seines Beruhigungsmittels verabreicht. Eines Medikaments, das ihm helfen sollte, wieder auf die Beine zu kommen, nach der Trennung von Nyas Mama.

Rettungskräfte reanimierten Nya 90 Minuten

„Ich habe in keiner Art und Weise damit gerechnet, dass die Tablette zum Tode führen könnte“, liest Inga Berg weiter. „Ich wollte für sie ein schönes Leben.“ Doch dann habe Nya geschrien, er sei in das Kinderzimmer gerannt und habe sie in ihrem Erbrochenen liegen sehen. Er rief nach seinen Eltern, so der Angeklagte. Jemand verständigte den Notarzt.

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90 Minuten lang reanimierten Rettungskräfte den kleinen Körper von Nya. Versuchten es mit Adrenalin. Reanimierten sie weiter, während der Notarztwagen nach Mannheim fuhr. So schnell wie möglich, und so langsam wie nötig, um die Rettungsmaßnahmen nicht zu stören. Der Kinderarzt, der Nya noch in Viernheim behandelte und sie bis nach Mannheim begleitete, beschreibt vor Gericht, wie er und die anderen Einsatzkräfte versuchten, Nyas Leben zu retten, trotz Nullkurve. Vergeblich.

Das Röntgenbild des kleinen Körpers im Gerichtsaal

Nach Nyas Tod verständigte eine Ärztin die Polizei. Weil die Todesursache unklar, Nya Stunden zuvor doch noch gesund gewesen war. Kurz nach Mitternacht kamen Beamte in die Kinderklinik der Universitätsmedizin, begutachteten den Körper, sprachen mit den Ärzten, schauten sich Röntgenaufnahmen an.

Die Mediziner vermuteten eine Aspiration, mutmaßten, Erbrochenes sei in Nyas Lunge gelangt. Aber auf den Bildern konnten sie nichts erkennen. Der Vorsitzende Richter Gerd Rackwitz projiziert Nyas Röntgenbild an die Wand. Diesen kleinen Körper.

Todesursache: Vergiftung mit Antidepressivum

Dann eine Obduktion, doch weiter herrschte Unklarheit. Erst Ende August wussten die Ermittler mehr. Als das chemisch-toxikologische Gutachten da war. Die Todesursache: eine Vergiftung, mit Trimipramin. Einem Antidepressivum, das Nyas Vater wenige Monate zuvor in einer Klinik verschrieben bekam. Weil es ihm schlecht ging, er Ticks entwickelt hatte, nach der Trennung von Nyas Mama. Bei einer Hausdurchsuchung fanden Beamte ein angebrochenes Tabletten-Blister des Medikaments. Und Milchpulver.

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Weil Nya in der Mannheimer Universitätsmedizin starb, führte die Mannheimer Staatsanwaltschaft die Ermittlungen nach ihrem Tod. Deshalb wurde auch die Verhandlung am Mannheimer Landgericht verortet.

Nyas Mutter beobachtet den Angeklagten

Nyas Mutter beobachtet ihren Ex-Freund mit zusammengekniffenen Augen, hält sich die Hände vors Gesicht, als Nyas Röntgenaufnahme zu sehen ist. Sie schließt die Augen, während ein Polizeibeamter beschreibt, wie er den toten Körper des Kindes in Augenschein nahm. „Nya kommt nie wieder“, sagt sie am Rande der Verhandlung.

Im Internet gibt es eine Gedenkseite für Nya. Auf einem Foto trägt das kleine Mädchen mit den großen blauen Augen einen Teddy-Latz um den Hals, lächelt. Ein Regenbogen und ein Engel zieren ihre Todesanzeige. Und Herzen und Sterne. „Auf Wiedersehen!“, heißt es darin von Oma und Opa, Verwandten, Freunden und Bekannten. Und von ihrem Vater Kevin, der nun wegen Mordes vor Gericht steht. Sollte er deshalb verurteilt werden, kennt unser geltendes Rechtssystem nur eine Strafe: die lebenslange Freiheitsstrafe.

Redaktion

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