Heidelberg. Ein Bundesverdienstkreuz zum Geburtstag? Physik-Professorin Johanna Stachel (67) hat dieses besondere Geschenk am Freitag im Großen Hörsaal 308 der Universität Heidelberg erhalten. Die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer überreichte die Auszeichnung nicht nur für die wissenschaftlichen Leistungen der renommierten Teilchenforscherin, sondern auch für ihren gesellschaftlichen Einsatz. Dass die Übergabe nun an ihrem Ehrentag stattfand, war für Stachel eher Nebensache: Viel wichtiger fand sie, dass ihre Gratulanten aus diesem Anlass einen spannenden Vortrag hören konnten. Und so eröffnete die Ehrung ein Fach-Kolloquium.
Prorektor Matthias Weidemüller schaltete sich per Video zu. Wie kaum eine andere Person habe sich Stachel der Wissenschaft und ihrer Vermittlung verschrieben. Eine „kompromisslose Forschungsneugier“ zeichne die Professorin aus - und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Es gebe „keine würdigere Trägerin des höchsten Ordens der Bundesrepublik Deutschland“, betonte der Prorektor.
Teilchenphysikerin
Johanna Barbara Stachel (67), in München geboren und in Mainz promoviert, ist Kern- und Teilchenphysikern.
Zu ihren wichtigsten Forschungsarbeiten gehört die „Alice“ im CERN bei Genf.
Dieses Riesen-Experiment der Teilchenphysik soll den Zustand der Materie unmittelbar nach dem Urknall simulieren (Quark-Gluon-Plasma).
Zu Stachels langer Liste von Mitgliedschaften gehört (seit 2016) jene im Vorstandsrat Deutsche Physikalische Gesellschaft und die in der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina (seit 2015). miro
Dekan Jürgen Berges freute sich ebenfalls für seine Kollegin, mit der er den Sonderforschungsbereich Isoquant in Heidelberg leitet. Das zweite Standbein hat die Wissenschaftlerin in Genf: Als Teil des „Alice“-Experiments am weltweit größten Teilchenbeschleuniger CERN studiert sie das kurz nach dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren vorhandene Quark-Gluon-Plasma, aus dem sich das Universum entwickelt haben soll, beschrieb Bauer in ihrer Würdigung.
In USA geforscht
Johanna Stachel wurde 1954 in München geboren. Sie studierte Physik und Chemie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (Schweiz) und an der Universität Mainz, an der sie 1982 auch promoviert wurde. Im Anschluss war sie dreizehn Jahre als Professorin in den USA an der State University of New York at Stony Brook tätig, ehe sie 1996 auf eine Professur für Experimentalphysik an die Universität Heidelberg berufen wurde. Die Liste der Ehrungen und Mitgliedschaften ist lang. Unter anderem stand Stachel von 2012 bis 2014 - als erste Frau im Präsidentenamt - an der Spitze der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG).
„In einer Situation, in der faktenbasierte, wissenschaftliche Erkenntnisse wichtiger denn je sind für die Bewältigung der anstehenden Aufgaben, bedürfen wir ganz besonders des gesellschaftlichen Engagements von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern“, sagte Wissenschaftsministerin Bauer.
„Sie hat gewiss erheblichen Anteil daran, dass deren Naturwissenschaften im aktuellen DFG-Förderatlas bundesweit an der Spitze liegen. Und nicht zu vergessen: Die Studierenden der Universität profitieren von ihr als inspirierender wissenschaftlicher Lehrerin“, würdigte Bauer. Vom Mitglied in der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina über eine Funktion als Vertrauenswissenschaftlerin der Alexander-von-Humboldt-Stiftung bis hin zum Gründungsaufsichtsrat and Aufsichtsrat im Karlsruhe Institute of Techology (KIT): Stachel kann auf zahlreiche Mitarbeiten und Ehrungen verweisen.
Diesmal ohne Schleifchen
„Überwältigt“ nahm Stachel das Bundesverdienstkreuz, die Blumen und ein Weinpräsent entgegen. „Fast peinlich“ seien ihr all die lobenden Worte, sagte die Physikerin sympathisch-bescheiden. Dass sie nun jenes Bundesverdienstkreuz (es gibt acht Stufen) erhielt, zu dem es als „Trage-Variante“ eine Miniatur zum Anstecken dazu gibt, fand sie „super“: Zum ersten Bundesverdienstkreuz sei ihr eine Schleifchen-Version für Frauen gegeben worden. Bei Kongressen habe sie sich kurzerhand von einem Kollegen gerne dessen zweites Minikreuz ausgeliehen. Doch schnell gab Stachel - selbst gespannt - die Bühne frei für Ulrich Platt und seinen Vortrag zu künstlich hergestellten Kohlenhydraten.
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