Schauspiel

Partnerschaft als heiteres Schlachtfeld im Zimmertheater Heidelberg

Das Zimmertheater Heidelberg lässt es mit „Die Lüge“ von Florian Zeller turbulent angehen: Im Stück geht es um Partnerschaft und Seitensprünge, Wahrheit und Vertuschen - das Publikum hat seine helle Freude daran

Von 
Eckhard Britsch
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Paul (Peter Volksdorf, li.) und Michel (Christian Schulz), ihre Partnerinnen Laurence (Andine Pfrepper, li.) und Alice (Winnie Ricarda Bistram). © Konrad Gös

Weniger ist manchmal mehr. Wohl auch in der Partnerschaft, wenn die ewige Wahrheitssuche nur noch Unheil stiftet. Der Franzose Florian Zeller hat daraus eine ziemlich überspannte Komödie gestrickt, denn „Die Lüge“ thematisiert die Frage, ob in der Zweisamkeit nun alles bis ins letzte Herzkämmerchen ausdiskutiert, hinterfragt und psychologisiert werden sollte. Das Zimmertheater Heidelberg hat jetzt nach einigen Jahren das Erfolgsstück in der Inszenierung von Christian Schulz wieder aufgenommen und bietet dem Publikum einen vergnüglichen Abend.

Alice (Winnie Ricarda Bistram) nimmt ihren Paul (Peter Volksdorf) tüchtig in die Zange. Sie lässt nicht locker, will ganz genau wissen, ob er oder nicht. Ja was denn? Natürlich wird die Seitensprung-Frage aufgeworfen. Paul windet sich wie ein Aal, denn den Abend hat er sich anders vorgestellt. Der edle Rotwein atmet, im Backofen köchelt das Kaninchen, denn Freunde kommen zum Abendessen. Aber Alice will nicht mehr. Will aber unbedingt das eheliche Glück ergründen, oder gar ins Unglück wenden? Treu soll er sein der Partner, Zweifel einräumen oder ausräumen, auf jeden Fall: reden, reden, reden. Alice lässt nicht locker, bleibt penetrant, verdirbt zwar nicht den Lapin, aber doch den freundschaftlichen Abend mit Laurence (Andine Pfrepper) und Michel (Christian Schulz).

Kleine Zäsuren zum Innehalten

Florian Zeller schrieb ein sprachverliebtes Stück voller Umkehrschlüsse um Wahrheit und Lüge, Schweigen und Vertuschen, Offenheit und Bosheit. Der Autor treibt es zuweilen fast zum textlichen Overkill, dem aber Regisseur Christian Schulz die Überdrehtheit kappt, indem er kleine Zäsuren zum Innehalten einbaut. Zudem sind die Rollen sehr charakterisierend besetzt. Der Regisseur selbst gibt den Michel als jovialen Kumpel, der den Verständnisvollen mimt, sich nicht so tief in die Psychokiste begeben will. Andine Pfrepper spielt seine Partnerin Laurence in lockerer, lebensfroher Pose, die es aber faustdick hinter den Ohren hat. Dialogisch sehr viel zu tun haben Peter Volksdorf (Paul) und Winnie Ricarda Bistram (Alice). Sie verbindet böses Insistieren mit Charme, er pendelt zwischen Wut und Aufbegehren, verwirrenden Ausreden und nutzlosen Ablenkungsmanövern. Gegen sie hat er eigentlich keine Chance.

Die Auflösung ist ebenso banal, weil vorhersehbar, wie erfrischend heiter, denn die Paare hielten sich schadlos und paarten sich über Kreuz. Da bleiben sie gewissermaßen unter sich und alles wird – vielleicht – gut. Der nächste Braten darf vor sich hin schmurgeln, es sei denn, die unerbittliche Alice riecht wieder einmal einen Untreue-Braten. Dass sie selbst nicht untadelig ist, blendet sie souverän aus. Das Darsteller-Quartett spielt auf brav möblierter Bühne vor lichtem Hintergrund, hier können sich die Szenen konzentriert entwickeln. Im Vergleich zu 2018, als das Stück schon einmal mit weitgehend identischer Besetzung auf dem Spielplan stand, scheint in dieser Saison noch stärker der nervige Aspekt jeder „guten“ Partnerschaft im Vordergrund zu stehen.

Das Premierenpublikum hatte seine helle Freude am komödiantischen Spiel, in dem sich sicherlich das eine oder andere Besucher-Paar gespiegelt sehen mochte. Die Sympathie gilt dem Haus, das sich momentan in einer unsicheren Lage befindet, weil der Mietvertrag (noch) nicht verlängert wurde.

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