Justiz - Im „Likör-Prozess“ vor dem Heidelberger Landgericht sagt Ehemann aus / Schlafmittel im mitgebrachten Lieblingsgetränk

Opfer belastet Noch-Ehefrau schwer

Von 
Christoph Rehm
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Schlaftabletten im Likör setzten das Opfer außer Gefecht. Anschließend sollten ihm die Pulsadern durchtrennt werden. © Simone Jakob

Heidelberg/Angelbachtal. Dass Martin P. (alle Namen von der Redaktion geändert) zupacken kann, sieht man ihm auch im Saal des Heidelberger Landgerichts an. Der Endfünfziger ist groß gewachsen, wirkt kräftig, trägt Jeans mit kurzärmligem Hemd. Natürlich werde er aussagen, gibt er zu Beginn zu Protokoll. Den gelernten Stuckateur scheint so schnell nichts aus der Bahn zu werfen. Doch als ihn der Vorsitzende Richter Jochen Herkle auf den Überfall vom 10. Mai 2020 anspricht, hat der Mann aus Angelbachtal mit den Tränen zu kämpfen. Immer wieder schüttelt er bei seiner Aussage den Kopf, zuckt mit den Schultern – so, als könne er noch nicht begreifen, was sich an diesem Abend abgespielt hat.

Am Muttertag des vergangenen Jahres soll Martin P. Besuch von seiner Noch-Ehefrau bekommen haben, der 36-jährigen Laura P. Das Paar lebte zu dieser Zeit in Trennung. Es habe ihn gewundert, weshalb ihm die Mutter seiner Tochter etwas zu Essen mitgebracht habe, wie er vor Gericht schildert. Hunger hatte er keinen, den Kartoffelgratin mit Frankfurter Würstchen stellte er unberührt in den Kühlschrank. Das kleine Likörfläschchen, ebenfalls Teil des Gastgeschenkes, nahm er hingegen zum Verzehr mit in den Garten. Wie sein Lieblingslikör aus Spanien würde er schmecken, soll Laura P. das Getränk angepriesen haben.

In den Rückständen des Magenbitters fanden die Ermittler unter anderem Lorazepam und Oxazepam – beides Arzneistoffe mit sedierender und anxiolytischer Wirkung. Einfacher ausgedrückt: Schlafmittel. Vermutlich die Ursache der Kopfschmerzen, über die Martin P. schon nach dem zweiten Glas klagte. Nach dem dritten Likör sei ihm zunehmend schwindelig geworden, er habe sich nur noch mühevoll auf den Beinen halten können, so der 59-Jährige bei seiner Aussage vor dem Landgericht Heidelberg. Laura P. habe ihm noch geholfen, ins Bett zu kommen. An mehr könne er sich nicht erinnern.

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Was sich anschließend in der 5000-Seelen Gemeinde Angelbachtal abgespielt hat, ist bislang noch unscharf. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft soll Laura P. vor Verlassen des Hauses ein Fenster im Badezimmer geöffnet haben. Durch dieses habe sich einige Zeit später ihre mutmaßliche Komplizin Brigitte K. Zutritt verschafft. Mit einer Rasierklinge soll die Hilfskrankenschwester dem betäubten Ehemann ihrer Freundin einen 15 Zentimeter langen Schnitt entlang der Pulsader zugefügt haben, um ihn verbluten zu lassen. Vermutetes Motiv der mutmaßlichen Selbstmordinszenierung: das Vermögen des 59-Jährigen.

Der schmerzende Arm habe ihn aufwachen lassen, erläuterte Martin P. vor Gericht. In Panik sei er anschließend durch das Haus geirrt, versuchte zu telefonieren, wollte erst durch die Garage fliehen, dann durch die Haustür. Als er in Unterhose seinen Nachbarn aus dem Bett klingelte, habe dieser zunächst an einen Alkoholexzess geglaubt. Schließlich brach er in der Hofeinfahrt zusammen, konnte von dem kurz darauf eintreffenden Notarzt aber am Leben gehalten werden.

An den ersten Verhandlungstagen hatten sich beide Angeklagten gegenseitig belastet. Sie habe sich aus Angst und falsch verstandener Loyalität an dem Überfall beteiligt, bekannte Brigitte K., machte gleichsam ihre Mitangeklagte als Drahtzieherin aus. Laura P. ließ daraufhin durch ihren Anwalt eine Erklärung verlesen, in der sie jedes Mitwissen abstritt und Brigitte K. als alleinige Täterin benannte.

Für Martin P. steht eine Tatbeteiligung seiner Ehefrau hingegen außer Frage. Sie habe um sein Vermögen gewusst, sich zudem immer wieder eifersüchtig gezeigt. Auch direkt nach der Tat hatte der 59-Jährige gegenüber der Polizei einen entsprechenden Verdacht geäußert.

Freier Autor Politikwissenschaftler und Historiker, M.A.

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