Heidelberg. Im ehemaligen Paulusheim, dem früheren Kinderheim von Stift Neuburg, hängen noch von Kinderhand gebastelte Drachen an der Wand. Ansonsten sieht es in dem Gebäude aus wie in einem Messi-Haushalt. Die Decken hängen herab, in den Wänden wächst der Schimmel. Gerümpel liegt kreuz und quer herum. Durch die zentimeterdicken Spalte in den Mauern der denkmalgeschützten Scheune fällt Sonnenlicht. Und die Efeuzucht – einstmals weltberühmtes Forschungsobjekt von Botanikern aus aller Welt – ist ein trauriger Schatten ihrer selbst. Die Mönche des Klosters bei Heidelberg-Ziegelhausen haben vor gut einer Woche die Landwirtschaft von den Ex-Pächtern zurückerhalten, mit denen sie zwei Jahre vor Gericht gestritten haben. Jetzt betreiben Claudia Rhein und Mathias Braun, die beiden Geschäftsführer der neu gegründeten Ökonomie Stift Neuburg GmbH eine Bestandsaufnahme der Hinterlassenschaften.
Gaststätte wohl erst nächstes Jahr
„Bis auf die Gastronomie ist alles übergeben worden“, berichtet Claudia Rhein beim Rundgang über das Gelände. Doch nachdem das Oberlandesgericht in Karlsruhe dem Unterpächter einen Aufschub der Räumung versagt hatte, gehen Braun und Rhein davon aus, dass auch diese Übergabe nicht mehr lange auf sich warten lässt. Allerdings rechnen die beiden nicht mehr mit einer Neueröffnung des Biergartens noch in diesem Jahr. Erst müsse der Zustand der Gaststätte geprüft werden. Und sehr wahrscheinlich sei auch eine gründliche Sanierung erforderlich.
Überhaupt haben jetzt Gutachter und Architekten die Aufgabe, den Bestand zu sichten und einen Gesamtplan für das Kloster aufzustellen. Denn vor allem geht es um den Erhalt des Klosters. Die elf Mönche mit einem Durchschnittsalter von 73 Jahren brauchen dringend junge Verstärkung, wenn Stift Neuburg überleben soll. Und deshalb setzt Abt Winfried Schwab neben Wissenschaft und Kultur – mit der Nähe zur Universität – nun auch auf Landwirtschaft, Hofladen und Gastronomie als zusätzliche Anreize für jüngere Benediktinermönche. Schließlich ist es eines der obersten Ordensprinzipien, nicht nur zur beten, sondern auch zu arbeiten („ora et labora“).
Das neue Konzept sieht unter anderem die Viehzucht von Nutztierarten vor, die vom Aussterben bedroht sind – nach Meinung der Betreiber auch ein lohnendes Objekt der Forschung. Die ersten Ankömmlinge, acht Waldschafe, gewöhnen sich gerade an ihre neue Heimat. Sie bekommen nach und nach Zuwachs von Thüringer Waldziegen, Alt-Württemberger Pferden, mehreren Hühnerrassen und Forellen. Sicherlich werde es auch einen kleinen Streichelzoo geben. Doch darauf liegt nicht der Schwerpunkt. „Wir wollen keinen Jahrmarkt, sondern ein Kloster mit ruhiger Landwirtschaft“, skizziert Rhein die Pläne.
Was aus der Scheune wird, dem denkmalgeschützten, größten Gebäude im Ensemble, ist offen. Als Stall sei sie gar nicht mehr genehmigungsfähig, weiß Braun. Ihm schwebt ein Ausstellungs- oder Veranstaltungsraum vor. Aber auch das müsse ins Gesamtkonzept passen.
Klar ist auch, dass der Hofladen wieder öffnet und Produkte aus der eigenen Landwirtschaft anbieten will. Die Palette soll von eigenem Brot über Ziegenkäse, Wurst, Schnaps bis hin zu Honig und Gelee Royal von klostereigenen Bienenvölkern reichen, dazu auch Kloster-Devotionalien wie Kreuze, Tauf- oder Kommunionkerzen.
Nach wie vor gibt es auch das Klosterbier. Die Klosterbrauerei war nie in den langwierigen Rechtsstreit involviert und wird auch weiterhin aus Heidelberger Quellwasser ihr beliebtes Bier brauen. Und an Weihnachten soll es auch den Weihnachtsmarkt geben – mit Blick von der Terrasse auf den Neckar.
Info: Fotostrecke unter morgenweb.de/heidelberg
Stift Neuburg
- Die Abtei bei Heidelberg-Ziegelhausen wurde 1130 als Filiale des Klosters Lorsch gegründet.
- Sie hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich, war zwischendurch Heimat von Benediktinierinnen und Zisterzienserinnen, wurde säkularisiert, dann den Jesuiten übertragen und ging 1804 erneut in Privatbesitz.
- Das Kloster wurde Zentrum der Heidelberger Romantik. Es waren Persönlichkeiten wie Carl Maria von Weber, Johannes Brahms, Joseph von Eichendorff, Clemens Brentano, Hermann Hesse, Rainer Maria Rilke und Klaus Mann zu Gast.
- 1926 wurde das Kloster vom Benediktinerorden neu gegründet. Ihm gehören elf Mönche an. Das Durchschnittsalter liegt bei 73 Jahren. bjz
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