Heidelberg. Einen Linienbus durch den Heidelberger Stadtverkehr steuern? Bei dem Gedanken kann Christos Roufanis nur gelassen lächeln. Schließlich ist der erfahrene Busfahrer anderes gewohnt: Mehrere Jahre lang war er auf den Straßen der quirligen griechischen Metropole Athen unterwegs, eine Zeit lang hat er sogar selbst als Fahrlehrer für Busse gearbeitet.
Aber in Heidelberg eine Wohnung finden, weil man dort eine Stelle gefunden hat und nun schnellstmöglich umziehen muss? Da kann es mit der Gelassenheit schnell vorbei sein, zumal, wenn man wie Roufanis vom Ausland aus sucht. Für den Griechen, der erst am vergangenen Samstag seinen Arbeitsvertrag als Busfahrer bei der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV) unterschrieben hat, ging es trotzdem ganz schnell: Seit einigen Tagen ist er nämlich einer der ersten Bewohner des neuen Fachkräftehauses, das die Stadt Heidelberg jetzt offiziell in der Südstadt eingeweiht hat.
18 Quadratmeter mit Kochnische und geteiltem Bad
Roufanis‘ Zimmer dort ist noch recht spartanisch eingerichtet: ein Bett, ein weißes Regal, ein kleiner Schreibtisch, dazu eine kleine Kochnische und ein Kühlschrank. Das Bad wird sich der Familienvater, dessen Frau und Kinder noch in Griechenland leben, mit einem weiteren Bewohner des Fachkräftehauses teilen.
„Als wir das Objekt gekauft haben, hatte es bereits diese Struktur: immer jeweils zwei Zimmer mit einem dazwischenliegenden Bad. Da war gleich die Idee, dass sich das für studentisches Wohnen anbietet“, sagt Gerald Kraus, Prokurist bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GGH. Sie gehört zu den Gesellschaftern der MTV Bauen und Wohnen, die das ehemalige US-Areal Mark Twain Village schrittweise entwickelt. Ihr gehört auch das Gebäude in der Römerstraße, das zuletzt vom Studentenwerk als Wohnheim genutzt wurde und künftig nun Fachkräfte aus verschiedenen Branchen beherbergen soll.
Insgesamt 68 möblierte Zimmer, alle zwischen 16 und 18 Quadratmeter groß, stehen hier künftig zur Verfügung, alle ausgestattet mit einer Art begehbarem Kleiderschrank, einer Pantry-Küche und einem jeweils mit einer weiteren Person geteilten Bad. Die Warmmiete liegt bei 600 Euro, inklusive aller Nebenkosten, sagt Nadine Hülden, Geschäftsführerin der Heidelberger Dienste (HDD). Das soziale Dienstleistungsunternehmen der Stadt Heidelberg betreibt das neue Fachkräftehaus in der Römerstraße. Neben den möblierten Zimmern soll es dort künftig auch Gemeinschaftsräume geben.
Unternehmen mieten Räume für Beschäftigte an
Angemietet werden können die Räume allerdings nicht von Privatpersonen, sondern nur von Unternehmen, die sie für ihre eigenen Beschäftigten nutzen. Der Arbeitgeber von Christos Roufanis, die RNV, hat gleich zwölf Zimmer angemietet. Acht davon seien bereits mit Mitarbeitenden belegt, sagt RNV-Personalleiter Steffen Grimm. „Das ist ein weiterer Baustein, damit wir auch künftig Fahrer und Fahrerinnen für unsere Busse gewinnen.“
Weil sich auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht genügend geeignete Bewerberinnen und Bewerber fänden, rekrutiere man inzwischen regelmäßig auch im europäischen Ausland, sagt Grimm. So sei das Verkehrsunternehmen, das aktuell rund 2700 Menschen beschäftigt, im vergangenen Jahr extra mit einem Fahrschulbus nach Athen gefahren, um dort einen Bewerbertag zu veranstalten. Die Aktion sei ein großer Erfolg gewesen: „Das hat uns auf einen Schlag 35 neue Fahrer gebracht“, sagt Grimm.
Doch mit den neu rekrutierten Mitarbeitenden kam gleich die erste Herausforderung: Denn um den neuen Job in Deutschland anzutreten, braucht es hier erst einmal eine Unterkunft. „Aus dem Ausland eine Wohnung in Heidelberg zu finden, ist sehr schwierig, selbst über uns“, sagt GGH-Prokurist Kraus.
Beschäftigte aus verschiedenen Branchen leben unter einem Dach
Das neue Fachkräftehaus soll hier eine Lösung bieten – zumindest für die erste Zeit am neuen Arbeitsort Heidelberg. Das Angebot sei als Unterstützung beim Ankommen gedacht, gerechnet wird mit einer Wohndauer von vielleicht eineinhalb Jahren. Bis dahin könnten sich die Fachkräfte auf dem freien Wohnungsmarkt etwas suchen. Auch Christos Roufanis will sich bald auf die Suche nach einer größeren Unterkunft machen: Seine Frau und seine beiden Kinder wollen schon im September, zum Beginn des neuen Schuljahrs, nach Heidelberg nachkommen. Für Familien gibt es im Fachkräftehaus mit seinen Ein-Zimmer-Studios keinen Platz.
Neben der RNV haben unterdessen laut HDD-Geschäftsführerin Hülden schon viele weitere Unternehmen Interesse an Räumen im Fachkräftehaus angemeldet: mehrere Kliniken, die Wohnraum für Pflegekräfte suchen, ein Hotel, aber auch kleinere und mittelständische Handwerksbetriebe. Im Herbst sollen außerdem pädagogische Fachkräfte aus Kolumbien dort einziehen, die in Heidelberger Kitas arbeiten.
Mit dem Fachkräftehaus wolle man den Wirtschaftsstandort Heidelberg stärken und ihn für Fachkräfte attraktiver machen, unterstreicht auch Oberbürgermeister Eckart Würzner: „Wohnraum spielt dabei eine ganz entscheidende Rolle.“
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