Nach Bauverzögerungen

Neue Wendeltreppe: Heidelberger "Thermoskanne" bekommt einen Henkel

Der Energie- und Zukunftsspeicher der Heidelberger Stadtwerke hat nun eine frei hängende Wendeltreppe bekommen. Die Gastronomie auf dem Speicher könnte ab Sommer öffnen

Von 
Michaela Roßner
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Erstbegehung der Helix-Treppe am Energie- und Zukunftsspeicher: Stadtwerke-Geschäftsführer Michael Teigeler (l.) und Oberbürgermeister Eckart Würzner. © Thomas Tröster

Der Energie- und Zukunftsspeicher der Heidelberger Stadtwerke ist um einen Hingucker reicher: Um den blauen, 55 Meter hohen Speicher schlängelt sich jetzt eine spiralförmige Metalltreppe, die aufs Dach führt. Knapp 280 Treppenstufen sind es, bis man in 50 Metern Höhe an der Plattform angekommen ist, an der später ein Veranstaltungsraum und Gastronomie den Besucher empfangen.

Oben angekommen, öffnet sich der Blick ins Neckartal und in die gesamte Rheinebene: Bis in den Taunus im Norden sowie im Süden den Schwarzwald und das Elsass kann man schauen. Dabei muss man für diesen großartigen Ausblick sogar weniger Stufen erklimmen als für das Heidelberger Schloss, das 330 Treppenschritte einfordert - wenn man nicht die Bergbahn nimmt.

Das neue Wahrzeichen im Pfaffengrund mit der Gastronomie auf dem Dach soll im Sommer fertig werden. Heißes Wasser ist schon seit Monaten drin. © Thomas Tröster

„Gigantisch“, meint Oberbürgermeister Eckart Würzner, auch Aufsichtsrat der Stadtwerke Heidelberg, die den Speicher im Stadtteil Pfaffengrund bauen. „Die Treppe ist eigentlich eine Brücke, denn sie ist nur an zwei Punkten befestigt: oben und unten“, erklärt Michael Teigeler, Stadtwerke-Geschäftsführer, der am Mittwoch mit dem Stadtchef die Treppe freigab. Vorerst indes dürfen nur Baustellenmitarbeiter die Stufen hinauf- und hinuntergehen: Die Plattform auf dem Dach des Speichers ist noch eine Baustelle. Im Sommer, so die vorsichtigen Prognosen nach mehreren Bauverzögerungen, könnte die blaue „Riesen-Thermoskanne“ fertig werden und die Gastronomie im Oberstübchen öffnen.

Metallplättchen fehlen noch

Die Außenhülle wird bereits von einer Seilkonstruktion umspannt, in die später 11 000 rautenförmige und bewegliche Metallplatten eingearbeitet werden. Diese werden dem Speicher - je nach Lichtsituation und Wind - eine sich ständig verändernde Fassade geben. Die Ausschreibungen für diesen Teil der Gestaltung laufen noch.

Doch auch wenn die Außenhaut sowie die Gastronomie auf der Plattform oben noch nicht fertiggestellt sind: Seit eineinhalb Jahren ist der Wärmespeicher bereits in Betrieb, erklärt Teigeler. Von oben wird bis zu 115 Grad heißes Wasser eingefüllt, von unten etwa 65 Grad warmes Wasser aus der „Kaltzone“ abgepumpt. Die riesige „Thermoskanne“ federt Zeiten ab, in denen (aus regenerativen Quellen) mehr Strom gewonnen als verbraucht wird - also eher nachts. Und er stellt die Energie - in Form von im Wasser gespeicherter Wärme - bereit, wenn viel los ist in der Stadt - also eher tagsüber.

Große Wärmekanne

  • Der 55 Meter hohe Energie- und Zukunftsspeicher im Stadtteil Pfaffengrund ist mit heißem Wasser gefüllt.
  • Rund 20 000 Kubikmeter bis zu 115 Grad heißes Wasser können gespeichert werden.
  • Auf dem Dach des Energiespeichers entsteht eine begehbare Aussichtsplattform, darunter ein Restaurant inklusive Lounge und einem Veranstaltungsraum.
  • Die Stadtwerke haben den Turm nach einem Architekturwettbewerb umgesetzt.
  • Es war eines der Bauprojekte, die die Internationale Bauausstellung (IBA) begleitete.

Andere Speicher - zum Beispiel in Mannheim - sind eher dezent versteckt. Der Heidelberger Speicher soll bewusst als Symbol sichtbar sein für eine Zukunft ohne fossilen Energieverbrauch, betont Würzner. Früher stand an dieser Stelle ein Erdgasspeicher.

Rund zehn Millionen Euro hatte das städtische Tochterunternehmen bereits bis 2019 in den Stahlturm investiert. Der Heidelberger ist der „kleine Bruder“ eines Mannheimers: Während das Wärmedepot dort - ein 36 Meter hoher und 40 Meter dicker Stahlbehälter - aber am Rheinufer ein wenig „versteckt“ wird, ist der neue Speicher in Heidelberg stolz vorgezeigter Baustein der „Energiekonzeption 2020/2030“ der Stadtwerke.

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Die Stadtwerke lobten für die Gestaltung einen Wettbewerb aus - und entschieden sich gerade wegen der Helix-Treppe für den Siegerentwurf des Berliners Tobias Walliser, Professor für Architektur in Stuttgart, er hatte den Architekturwettbewerb für sich entschieden. Statiker Knut Stockhusen von „schlaich bergermann partner (sbp)“ aus Stuttgart hat schon Preise für sehr spezielle internationale Projekte erhalten; zuletzt für das Stadion Wanda Metropolitano in Madrid sowie für das Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro. Er hatte knifflige Fragen zu klären. Denn die Treppe und das Dach konnten nicht einfach am Wärmespeicher angeschraubt werden. „Er hat sehr dünne Wände und ist vergleichbar mit einer Cola-Dose“, erklärt Teigeler. Die Treppe sei daher von oben an das aufgesetzte Dachpodest gehängt. Die Last trüge die Seitenwand der Cola-Dose - oder besser: der Thermoskanne.

Die 20 000 Kubikmeter heißes Wasser können die gesamte Stadt für ein Wochenende mit Wärme versorgen. Und: „Der Speicher kann auch zum Kühlen verwendet werden“, verweist Würzner auf einen weiteren Aspekt des Klimawandels. Apropos: Aktuell sehe alles danach aus, dass der Monat der wärmste Oktober seit Aufzeichnung der Wetterdaten wird, verweist Teigeler erleichtert auf die prognostizierte Energieknappheit im Winter. Appelle an die Bürger, möglichst Energie zu sparen, hätten zudem bereits gefruchtet. In den wenigen kühlen Septembertagen sei deutlich weniger geheizt worden als zum Herbstbeginn der Vorjahre.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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