Kein Nachmieter

Nach fast 50 Jahren schließt der "Unishop" im Neuenheimer Feld

Besonders begehrt waren die frisch und auf individuellen Wunsch belegten Brötchen: Nach 50 Jahren schließt der "Unishop" im Neuenheimer Feld am Freitag. Das sind die Hintergründe

Von 
Michaela Roßner
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Getränke, Lebensmittel und viel Nervennahrung: Der Unishop hat fast 50 Jahre Studierende und Mitarbeiter versorgt. An diesem Freitag schließt er. © Michaela Roßner

Heidelberg. Er ist gar nicht so leicht zu finden inmitten des Neuenheimer Feldes in Heidelberg , im Erdgeschoss des großen blau-grauen Betongebäudes „Theoretikum“. Doch den „Uni-shop“ kennt ohnehin jeder, der hier studiert hat oder arbeitet. Seit 50 Jahren gibt es den Kiosk mit Imbissangebot. Am heutigen 22. Dezember schließt er. Die bisherige Inhaberin geht in den wohlverdienten Ruhestand. Einen Nachfolger gibt es bislang nicht. Eine Online-Petition für den Erhalt des Ladens hatten bis Donnerstagabend mehr als 3500 Menschen unterzeichnet. Der Hauseigentümer, das Land, sucht nach einem neuen Mieter.

„Mate ist aus“, ruft die Mitarbeiterin lächelnd einer Gruppe von Studierenden zu, die gerade in den überschaubaren Laden im Erdgeschoss des Theoretikums geschlendert kommen. „Ooch, echt?“ entgegnet einer entäuscht. Die Mitarbeiterinnen hier kennen den Geschmack ihrer Kunden genau. „Ohne Uni-shop gibt’s keine leckeren Brötchen mehr“, verweist ein Unterstützer auf der Seite der Online-Petition auf die Spezialität des Ladens. Der schnelle Snack zwischen zwei Vorlesungen wurde hier frisch belegt - auf Wunsch und mit Rücksicht auf eventuell anvertraute Lebensmittelunverträglichkeiten.

Mehr als 3500 Unterstützer hat eine Online-Petition gesammelt. © Roßner

Montags bis freitags von 8.30 bis 17.30 Uhr war der Unishop geöffnet. Evelyn Schneider hat die Petition für den Erhalt des Shops gestartet. „Der Unishop stellt die alltägliche Minimalversorgung auf dem Campus sicher. Durch seine zentrale Lage reicht auch eine Fünf-Minuten-Pause aus, um sich zu stärken“, begründet sie die Initiative. Es gälten „für alle Personen die gleichen, niedrigen Preise - auch für Gäste oder Menschen, die noch keinen Studi-Ausweis besitzen“.

Einige Regale sind schon leergeräumt, es herrscht Auszugsstimmung. Der Charme des kleinen, überbordenden Ladens ist aber zwei Tage vor der Schließung noch zu spüren. Fast 50 Jahre sind seit der Eröffnung vergangen. Dabei war das Geschäft im Vorlesungsgebäude gar nicht von Anfang an mitgeplant. Aber nach Fertigstellung des Theoretikums blieb ein kleiner, etwas verwinkelter Raum ungenutzt - perfekt für die Einrichtung eines Kiosks, der über die Jahre so viel mehr wurde.

Echter Familienbetrieb

1974 ist der Mietvertrag unterschrieben worden, bestätigt Gabriele Thiel, die den rund 100 Quadratmeter großen Laden in den vergangenen 32 Jahren führte. Davor waren zuerst ihr Vater, dann ihre Mutter die Inhaber gewesen. Dass nun Schluss ist, findet sie traurig. „Der Bedarf ist da“, weiß sie. Eine Interessentin für die Nachfolge hatte sie zwar, doch die zog zurück, weil die Konditionen aus ihrer Sicht deutlich verschlechtert würden. Sie selbst, erzählt Thiel, habe vor 30 Jahren 100 000 Mark (heute umgerechnet 50 000 Euro) in den Laden investiert. „Das würde ich heute niemandem guten Gewissens raten.“ Denn die Zeiten für das Lädchen seien schwieriger geworden. Erst durch den Neubau des Mathematikons an der Berliner Straße, in dem Discounter, Supermarkt und Bäcker die Kunden versorgen.

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Auch, dass die Menschen weniger im Geldbeutel haben, sei zu spüren: „Man kann es sich nicht unbedingt noch leisten, jeden Morgen ein Frühstück zu kaufen - sondern bringt sicher eher etwas von daheim mit“, vermutet Thiel. Das war vor der Pandemie anders: 2016 berichtete die Studierendenzeitung „Ruprecht“: „Die enorme Nachfrage hat dafür gesorgt, dass heute insgesamt 14 Mitarbeiter bis zu 1800 Brötchen pro Tag verkaufen.“ Die Zeit der Corona-Infektionen erinnert Geschäftsfrau Thiel als „gruselig“: Die Studierenden und viele Mitarbeiter im Homeoffice, der Unishop zwei Wochen ganz zu: „Ich musste alle Mitarbeiter entlassen“, erinnert sie sich an die schwere Zeit der Pandemie. Danach ging es mit eingeschränkten Öffnungszeiten weiter. Thiel schmiss den Laden allein mit einer Mitarbeiterin.

Jeden Morgen um 5 Uhr aufstehen, immer gut 50 Wochenarbeitsstunden - das wird Thiel nicht vermissen. Wohl aber ihre Kundschaft, die sie oft so viele Jahre begleiten durfte. Neulich sei wieder ein Student vor ihr gestanden. „Kennen Sie mich noch?“ habe er gefragt und seine Tochter an der Hand gehabt. 2004 war er Student gewesen.

Eine Kundin, die seit 1989 täglich hier einkaufte, bedauert die Schließung sehr: „ Hatte ich mal mein Vesper, Getränk oder sonst was vergessen, so war der Unishop war immer Retter in der Not. Mal schnell eine Geburtstagskarte oder Pralinenschachtel für den Geburtstag einer Kollegin - auch das war hier zu finden! Schnell die benötigten Lebensmittel und Getränke für eine anstehende Konferenz? Auch dies konnte hier besorgt werden.“

Land sucht Nachmieter

Der Hauseigentümer, das Land Baden-Württemberg, möchte den Kiosk erhalten und würde wohl auch in die Bausubstanz investieren. „Wir suchen nach einem Nachmieter und freuen uns über Angebote mit guten Konzepten“, betont Marco Grübbel, Leiter des Amtes Vermögen und Bau Mannheim-Heidelberg. Eine warme Küche könne hier aus baulichen Gründen aber nicht angeboten werden.

Vielleicht kann Gabriele Thiel eines Tages doch noch - als Kundin - im Laden vorbeischauen und vielleicht sogar bekannte Gesichter treffen. Mit einem Produkt indes hat sich Thiel in all den Jahren nicht anfreunden können: Mate. „Das schmeckt gruselig“, kann sie die Nachfrage nach diesem Trend-Getränk so gar nicht verstehen. Dass Mate nun aus ist, entlastet sie: „Sonst hätte ich die Kisten noch daheim in den Keller transportieren müssen.“

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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