Tourismus - Nach Aus des „Crowne Plaza“ Kritik von Gewerkschaften / Dehoga beschreibt nach wie vor sehr ernste wirtschaftliche Situation der Hotels

Nach Aus des Heidelberger „Crowne Plaza“ Kritik von Gewerkschaften

Von 
Michaela Roßner
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Corona hat dem „Crowne Plaza“ am Adenauerplatz in Heidelberg den Rest gegeben – das Hotel an der Kurfürsten-Anlage schließt. © Philipp Rothe

Heidelberg. Keine Kongresse, stornierte Veranstaltungen - und der Städte-Tourismus gewinnt nach dem Corona-Stillstand auch nur sehr langsam wieder etwas an Fahrt: Für eine vom Fremdenverkehr lebende Stadt wie Heidelberg ist das eine Katastrophe. Die plötzliche Schließung des „Crowne Plaza“ Ende Juli, befürchten viele Beobachter, könnte erst der Anfang einer traurigen Entwicklung sein. Zumal in der gesamten Region gerade die Bettenkapazitäten stark vergrößert werden, kritisieren Gewerkschaftsvertreter.

„Hotel Heidelberg“ heißt eine erfolgreiche TV-Serie in der ARD, die seit 2016 ausgestrahlt wird. Schauspielerin Anette Frier kämpft als Hotelchefin gegen einige Schwierigkeiten - auch finanzielle. Schließlich kapituliert die „Familie Kramer“ und verkauft den Familienbetrieb.

„Marriott“ noch nicht geöffnet

Ganz real und ohne jede filmische Beschaulichkeit stellt nun die Coronavirus-Pandemie die Hotel- und Gaststättenbetriebe in Heidelberg und der Region vor existenzielle Probleme. „Heidelberg gehört zu den wichtigsten Städtereise-Zielen in Deutschland. Der Rückgang im Tourismus trifft das Heidelberger Gastgewerbe daher in der Breite sehr hart“, erklärt Melanie von Goertz, Geschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga Baden-Württemberg.

Noch nicht wiedereröffnet hat nach der Corona-Schließung das 250-Zimmer-Haus „Marriott“ am Neckar. Wo vor fast genau zwei Jahren die Fußball-Nationalkicker mit Jogi Löw für viel Wirbel sorgten und regelmäßig größere Reisegruppen abzusteigen pflegten, herrscht derzeit gespenstische Stille. Für September sind per Internet-Buchung indes Betten verfügbar - mit einem „Willkommen zurück“-Bonus.

Die Krux: Das verlorene Geschäft der Hoteliers ist nicht aufzuholen: „Die Essen, die während der Schließungszeit nicht bestellt wurden, werden jetzt nicht ,nachgeholt’ - das gilt auch für Hotelübernachtungen. Der nicht realisierte Umsatz während des Lockdown ist definitiv verloren - aber die fixen Kosten liefen in der Schließungszeit weiter“, beschreibt von Goertz die „nach wie vor sehr ernste wirtschaftliche Situation“ der Betriebe. Gesicherte Zahlen dazu lägen noch nicht vor. Bedingt durch die Corona-Auflagen könnte derzeit zudem noch nicht kostendeckend gearbeitet werden. Reserven seien aufgebraucht, die Schuldenlast wachse. Und: „Die nationale Nachfrage nach Stadthotels ist erschreckend schwach.“

Für die Schließung des „Crowne Plaza“ machen die Betreiber nicht allein das Coronavirus verantwortlich: „Ein erheblicher Investitionsstau bei dem Hotelgebäude“ sei dafür mitverantwortlich, heißt es in einer Pressemitteilung. „Verschiedene bauliche Mängel an dem Gebäude“ seien angezeigt, „jedoch nicht beseitigt“ worden. Das habe das Personal „regelmäßig vor herausfordernde Situationen“ gestellt und im täglichen Betrieb zu Mehrkosten und Einnahmeausfällen geführt.

Bitter für das Personal eines der ältesten Hotels in der Stadt: „Die 70 Mitarbeiter sind vor vollendete Tatsachen gestellt worden, dass sie den Arbeitsplatz verlieren. Mit einem Betriebsrat wäre das so nicht passiert“, betont Mirko Geiger, DGB-Kreisvorsitzender. Wie mit der Belegschaft umgegangen werde, sei nicht hinnehmbar.

Mehr Traditionshäuser

„In Heidelberg ist die Anzahl der traditionellen, im Familienbetrieb geführten Häuser größer als etwa in Mannheim“, kennt Elwis Capece, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG), die Situation sehr gut. In solchen Häusern gebe es noch weniger gewerkschaftlich organisierte Mitarbeiter als die landesweiten zehn Prozent. Mit Sorge verfolgen die Gewerkschaften den Ausbau der Bettenkapazitäten in Heidelberg und etwa fünf weiteren Städten der Region um je rund 3000. Um den Bahnhof herum entstanden und entstehen mehrere Ketten-Hotels verschiedener Preiskategorien, die zum Teil mit Dumping-Preisen der Corona-Krise zu trotzen versuchten. Das werde zu einem Preiskampf nach unten führen, befürchtet Capece, und der gehe immer zu Lasten der Beschäftigten: „Da können nicht alle Betriebe überleben.“

Laut Statistischem Landesamt brachen die Übernachtungszahlen im März auf weniger als die Hälfte der sonst weit über 120 000 Buchungen ein. Im April gab es nur ein Zehntel der Übernachtungen von 2019.

Übernachtungszahlen stark gewachsen

  • Rund 11,9 Millionen Gäste besuchen jährlich die Stadt – bisher jedes Jahr mehr.
  • In den vergangenen zehn Jahren sind die Übernachtungskapazitäten um 70 Prozent gewachsen.
  • Von 2017 bis 2022 entstehen rund 3000 neue Betten.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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