Was haben Liebe und Schokolade gemeinsam? Na klar, beide gibt es in bitterer und süßer Form. Wobei jeweils Endorphine ausgeschüttet werden. Und wer wüsste das besser als Tristan mit seinen zwei Isolden, die eine brillante Pareforcetour durch Tiefenpsychologie und Literatur absolvierten und im Heidelberger Karlstorbahnhof pure Begeisterung plus Beifallsstürme auslösten.
Wer das Wiener "Ilios Théâtre" noch nicht kannte, und das dürften die meisten Besucher gewesen sein, der hat sich über das kleine Theaterwunder gefreut, das Marie-Therez Lorenz und ihre Darsteller Klemens Dellacher, Viktoria Hillisch, Santo-Pablo Krappmann (Tristan), Benjamin Petermichl, Sofie Pint und Marion Steinbach entfachten.
Lorenz, gelernte Juristin und leidenschaftliche Theatermacherin, die lange in Paris lebte und jetzt in Wien eine projektbezogene Truppe zusammenstellte, brennt ein Feuerwerk an geistvoller Textcollage, Bewegungsraffinesse, spöttischen Dialogen und frecher Darstellungskunst ab. Dabei wird der Tristan-Mythos mit dem Heute verwoben, wenn einem Schokoladenfabrikanten die Pleite droht, vor dem ihn Supermann Tristan rettet. Dass der allerlei Abenteuer in aller Welt bestehen muss, gehört zu Story, zumal ihn Isolde per betörendem Gesang aus dem Gift-Tod wiederbelebt.
Voller Fantasie
Fünf Bretter genügen den sechs Darsteller plus dem passgenau zuspielenden Musikanten Markus Zahrl, um bezaubernde Verwandlungsspiele vorzuführen. Ebenso unterhaltsam wie fantasievoll zeigt sich das Ensemble von seiner Schokoladenseite und nimmt nebenbei noch die modernen Zeiten per Wirtschaftsfloskeln aufs Korn. Gleichwohl haben wir mitgelitten, bis Tristan endlich bei der richtigen Isolde landete. Eine ist nämlich liebreizender als die andere, da fällt die Entscheidung schwer.
Kurzum: zweifellos ein Favorit für den Preis der Theatertage.
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