Architektur

Leimen: Denkmalschützer wollen Eternit-Werk erhalten

Von 
Jasper Rothfels
Lesedauer: 

Heidelberg/Leimen. Markant ragen die „Sägezahndächer“ des Eternit-Werks zwischen Heidelberg und Leimen in die Höhe. Die grauen Fabrikhallen waren in den 1950er Jahren von dem Bauhaus-Schüler und -Lehrer Ernst Neufert (1900-1986) entworfen worden, einem renommierten Architekten. Eternit produzierte hier Faserzementplatten und -rohre, zuerst mit, dann ohne Asbest, einem Mineral, das Krebs erregen kann, wenn es freigesetzt und aufgenommen wird. 1993 wurde es bundesweit verboten. Die Eternit-Produktion wurde 2017 ins Ausland verlegt. Nun sind die leeren Hallen auf dem fast ungenutzten Betriebsgelände wieder Gesprächsthema.

Denn das Areal liegt genau in dem Bereich, in dem Heidelberg und Leimen gemeinsam auf freiwerdenden Flächen ein 99 Hektar großes Gewerbegebiet für Platz suchende Firmen planen. „Das ist ein Eldorado“, sagt Horst Althoff, Geschäftsführer des eigens gegründeten Zweckverbandes Interkommunales Gewerbe- und Industriegebiet Heidelberg-Leimen. Die Etex Germany Exteriors GmbH, wie die Eternit GmbH heute heißt, würde die Hallen deshalb und aus anderen Gründen gern abbauen. Denkmalschützer sehen das anders. „Nach umfassenden Recherchen (…) wurden die ältesten und qualitätsvollsten Bauten als Kulturdenkmale ausgewiesen“, teilt das Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart (LAD) mit. Und am Erhalt von Kulturdenkmalen bestehe öffentliches Interesse. Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen.

Der Heidelberger Architekt Till Schweizer hatte nach eigenen Angaben im Dezember Abbauarbeiten an der „Architekturikone“ bemerkt und daraufhin das LAD alarmiert. „Neufert ist ein Name mit großem Gewicht“, sagt er. Neufert war jung Bau- und Büroleiter bei Bauhaus-Gründer Walter Gropius geworden, der als ein Pionier des modernen Bauens gilt. Diese Phase habe ihn geprägt, sagt Architekturprofessor Udo Gleim von der Hochschule Darmstadt.

Nach einer Professur an der 1930 von NSDAP-Minister Wilhelm Frick geschlossenen Staatlichen Bauhochschule Weimar veröffentlichte Neufert 1936 die „Bauentwurfslehre“ mit Angaben zu allen möglichen Maßen, laut Gleim „das mit Abstand bekannteste, wahrscheinlich erfolgreichste Architektur-Buch der Welt“. Im NS-Staat wurde er 1938 Beauftragter für Normungsfragen, vieles trägt heute noch seine Handschrift, etwa die Mauerziegel-Maße. 1946 folgte die Professur an der TH Darmstadt, zudem arbeitete er als Industriearchitekt – auch für Eternit in Leimen, wo 1954 der Grundstein für das Werk gelegt wurde – mit dem als modern geltenden Asbestzement als Baustoff.

Als Kulturdenkmale hat das LAD unter anderem die Eternit-Produktionshalle mit Büros und Kantine sowie das Werkstatt- und Sozialgebäude ausgewiesen. Gleim, der 2011 eine Neufert-Schau mit realisierte, hält die Bauten wegen ihrer „Bedeutung für die bundesrepublikanische Industrie-, Produkt - und Baukultur der Nachkriegszeit“ für erhaltenswert. Nach Schweizers Ansicht könnten sie dem Gewerbegebiet ein Gesicht geben. Als Nutzer seien etwa Start-Ups denkbar. Die CDU-Ratsfraktion will prüfen lassen, ob hier ein Teil des Straßenbahn-Betriebshofs unterkommen könnte.

Etex hingegen will in einer „Riesen-Sanierungsaktion“ an allen Standorten weltweit asbestzementhaltiges Material entsorgen, das sei auch das „über-alles-Ziel“ für diesen Standort, sagt Miriam Petermann von Etex Germany Exteriors. Zudem stünden die Hallen leer, „und auf der anderen Seite wird Fläche gebraucht“. Und: An der Halle seien bereits zum Teil erhebliche Flächen des Dachs entfernt worden, sagt Thorsten Krema von der Geschäftsführung. Man prüfe, was das für die Halle bedeute. Sie könne nicht einfach genutzt werden, „das ist zu gefährlich“, so Petermann.

Wenn bei der unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Leimen der Abbruch eines denkmalgeschützten Gebäudes beantragt werde, treffe diese die erste Entscheidung, heißt es im Rathaus. Halte sie das Objekt nicht für denkmalwürdig, werde die Abbruchgenehmigung erteilt. Da aber noch nicht alle erforderlichen Unterlagen vorlägen, könne noch nicht entschieden werden, so ein Sprecher. Außerdem müsse die untere Denkmalschutzbehörde, wenn der Abbruch eines denkmalgeschützten Gebäudes beantragt werde, „zwingend“ das LAD anhören. Gebe es kein Einvernehmen, werde das LAD Widerspruch einlegen, „und die nächste Instanz entscheidet“.

Architektur

Leimen: Denkmalschützer wollen Eternit-Werk erhalten

Veröffentlicht
Bilder in Galerie
14
Mehr erfahren

Fabrik als Kulturdenkmal

Zu den Kulturdenkmalen auf dem Gelände der Etex Germany Exteriors GmbH (ehemals Eternit GmbH) gehört die ab 1954 erbaute Platten- und Rohrfabrik mit rund 28 000 Quadratmeter Fläche.

1957 erhielt der etwa 250 Meter lange und 80 Meter breite Komplex im Westen als Abschluss eine Kantine. An der Südseite gibt es Werkstätten mit Büros darüber.

Geschützt ist auch das Werkstatt- und Sozialgebäude mit 1400 Quadratmeter Fläche, ebenso wie die Fahrzeugunterstände von 1954/55 und das Pförtnerhaus von 1959.

Insgesamt kommt das Etex-Gelände auf 21 Hektar, von denen nur noch drei Hektar genutzt werden – von der Etex-Farbenfabrik, die bestehen bleibt. Rund 60 Menschen arbeiten dort und in der Verwaltung.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen