Justiz - ieben Jahre Ermittlungen gegen Stiefvater

Landgericht Heidelberg: Stiefvater nach Missbrauchsvorwürfen nun doch freigesprochen

Von 
Michaela Roßner
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Das Landgericht Heidelberg sprach den 54-Jährigen frei. © Philipp Rothe

Heidelberg. Am Ende des dritten Prozesses sind sich Staatsanwältin, Nebenklägerin, Verteidigerin und Richter einig: Der 54-Jährige muss vom Vorwurf des Missbrauchs der Stieftochter freigesprochen werden. Sieben Jahre lang hatte sich der Selbstständige Ermittlungen stellen müssen. Zweimal verurteilte ihn das Mannheimer Landgericht zu Haftstrafen von drei Jahren beziehungsweise drei Jahren und drei Monaten. Beide Male strengte Verteidigerin Inga Berg aus Mannheim erfolgreich Revisionsverfahren ab. Nun hatte der Bundesgerichtshof (BGH) die Entscheidung einer Jugendschutzkammer des Heidelberger Landgerichts übertragen. Da erhebliche Zweifel an der Aussage der heute 20 Jahre alten mutmaßlich Geschädigten blieben und sie selbst keine Angaben mehr dazu machte, sprach die Kammer den Angeklagten frei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es kann binnen Wochenfrist angefochten werden.

„Er ist unschuldig“, gab Inga Berg zum Prozessauftakt am Montag, 24. Januar, mit Blick auf ihren Mandanten eine Erklärung ab. Das Mädchen habe alles erfunden, um Aufmerksamkeit zu erlangen, hatte sie ihren Antrag auf Revision 2019 begründet. Die Vorwürfe besagten, dass das Mädchen im Alter von sieben bis elf Jahren vom neuen Partner der Mutter missbraucht worden sein sollte. Das Mädchen berichte ursprünglich, dass es beim Mathelernen belästigt und im Genitalbereich berührt worden sei. Später habe es den Mann am Geschlechtsteil berühren müssen. Es sei zu mindestens zehn Fällen des Missbrauchs gekommen.

Da Zeugen fehlten, stellten die Gerichte eine „Aussage gegen Aussage“-Konstellation fest. Der BGH notierte 2019, „die Nebenklägerin hat die Taten anhand der von ihr besuchten Schulklassen zeitlich eingeordnet. Dabei fällt auf, dass sich das Ende des Tatzeitraums im Verlauf der Angaben der Nebenklägerin – zunächst gegenüber ihren Freunden und sodann gegenüber der Polizei und vor Gericht – immer weiter zeitlich nach hinten verschiebt.“ Das Landgericht Mannheim „habe diese Inkonstanzen nur unzureichend gewürdigt und insbesondere nicht berücksichtigt, dass die Angaben – neben der zeitlichen Verschiebung als solcher – teilweise inhaltlich nicht zueinander passen“, kritisierte der BGH und empfahl, einen aussage-psychologischen Sachverständigen hinzuzuziehen.

Die Aussagen der Frau seien „auffällig durchsetzt von zahlreichen Erinnerungslücken und Ungereimtheiten“, notierte der nun beauftragte Sachverständige, der Psychologe Günter Köhnken. „Man würde schon erwarten, dass man daran doch einige Erinnerungen hat.“ Die heute 20-Jährige, die in den ersten Verfahren zum Teil über mehrere Verhandlungstage ausgesagt hatte und deren Angaben dort als glaubwürdig eingeschätzt worden waren, hatte sich diesmal dazu entschlossen, keine Aussagen mehr zu machen.

„Diese sieben Jahre waren für meinen Mandanten die Hölle“, zeigte sich Verteidigerin Berg erleichtert über den Freispruch, der vermutlich nun der Abschluss des Verfahrens sein wird. 

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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